Nürnberg
Nachfolger für Schuldenberg gesucht

Nürnberg braucht einen neuen Stadtkämmerer – Die Bewerbungsfrist endete jetzt am Mittwoch

01.09.2022 | Stand 22.09.2023, 6:11 Uhr

Wer darf sich künftig um die Finanzen der Stadt kümmern? Dazu den berühmten Ochse auf der Fleischbrücke zu Fragen, ist eh kein probates Mittel. Foto: Karmann, dpa

Von Nikolas Pelke

Nürnberg – Die Stellenanzeige las sich fast wie jede andere Jobannonce: Die Stadt Nürnberg sucht aktuell einen „Berufsmäßigen Stadtrat (w/m/d) für das Referat für Finanzen, Personal und IT“. Die Bewerbungsfrist ist jetzt zu Ende gegangen, das Verfahren beginnt, Dienstbeginn soll im nächsten Frühjahr sein. Dann wird mit Stadtkämmerer Harald Riedel (SPD) der amtierende Finanzreferent seinen Posten räumen und in Pension gehen.

Mit der Höhe der möglichen Bezüge wurde im Übrigen in der Stellenanzeige explizit geworben. „Als Beamter auf Zeit erhalten Sie in der ersten Amtszeit Dienstbezüge nach der Besoldungsgruppe B5 des Bayerischen Besoldungsgesetzes und eine monatliche Dienstaufwandsentschädigung“, heißt es in der offiziellen Ausschreibung der Position. Ein Blick in die Besoldungslisten liefert Aufschluss über die Höhe des Grundgehalts. Mit mindestens rund 9500 Euro pro Monat kann der neue Stadtkämmerer wohl rechnen. Bei einer Wiederwahl nach vier Jahren winkt sogar Besoldungsstufe B6 und damit sogar etwas mehr als 10000 Euro pro Monat.

Regierung sieht NürnbergsHaushalt kritisch

Allerdings wartet auf den Neuen auch ein Schuldenberg in Höhe von 1,83 Milliarden Euro und er steht quasi unter der Aufsicht des Bezirks, der sich mit der Genehmigung des Haushalts relativ schwer tat. So hatte die Regierung von Mittelfranken im Februar insbesondere „die Fehlbeträge in Ergebnis- und Finanzhaushalt sowie den Ergebnisausgleich durch Rücklagen und liquide Mittel“ kritisiert. Der Saldo aus laufender Verwaltungstätigkeit könne die Kredittilgungen im Finanzplanungszeitraum nicht decken. Die weitere Zunahme der Verschuldung werde in Kauf genommen.

In Kauf nehmen muss der künftige Kämmerer auch, dass er sich, um den Job zu bekommen, nicht nur dem Votum des Stadtrats zu stellen hat. Er sollte ebenfalls das Vertrauen der Nürnberger Sozialdemokraten genießen. Denn bei denen liegt das Vorschlagsrecht für die Besetzung des Finanzreferenten. Das hat OB Marcus König (CSU) mit dem unterlegenen SPD-Kandidaten und aktuellen Fraktionschef Thorsten Brehm im Kooperationsvertrag gleich nach der Präambel auf Seite 6 unter der schmucklosen Überschrift „Personelles/ Vorschlagsrechte“ festgelegt.

Seit seiner Niederlage als Maly-Nachfolger werden Brehm immer wieder Ambitionen auf den Posten des Stadtkämmerers nachgesagt. Offiziell hat der amtierende SPD-Fraktionschef, der zuletzt auch den Parteivorsitz nach seiner Wahlniederlage um den Chefsessel im Rathaus aufgegeben hat, seinen Hut als Bewerber für die Riedel-Nachfolger nicht in den Ring geworfen. Beobachter halten eine Bewerbung von Brehm trotzdem für relativ wahrscheinlich.

Zumal im Rathaus rund um den Stadtrat demnächst keine neue Stellen zu vergeben. Für die Nachfolge von Wirtschaftsreferent Michael Fraas (CSU) liegt das Vorschlagsrecht beim großen Kooperationspartner. Die Suche nach einem möglichen Nachfolger für Baureferent Daniel Ulrich soll erst ab 2026 beginnen. Außerdem liegt für diesen Posten das Vorschlagsrecht laut Kooperationsvertrag zu gleichen Teilen bei CSU und SPD. Erschwerend kommt hinzu, dass im Baureferat besondere Qualifikationen gefragt sind. Brehm ist weder Architekt noch Bauingenieur, sondern hat Sozialwissenschaften mit Schwerpunkten wie Arbeitsmarktpolitik und Armutsforschung nach eigenen Angaben studiert. Aus informierten Kreisen ist noch am Mittwoch zu hören gewesen, dass Brehm nicht auf der Bewerberliste zu finden sei. Eine entsprechende Presse-Anfrage hat Brehm unbeantwortet gelassen.

Überraschungskandidatnicht ausgeschlossen

Derweil wird rund um das Rathaus bereits über die Möglichkeit eines Überraschungskandidaten spekuliert. Beispielsweise könnte sich aus den Reihen der SPD-Ratsmitglieder ein weiterer Bewerber melden, den bislang niemand auf dem Zettel als möglicher Kandidat gehabt hat.

Für diese Rolle in Frage würde SPD-Stadtrat Ulrich Blaschke kommen. Blaschke ist promovierter Rechtsanwalt und arbeitet als „Senior Manager“ bei dem Beratungsunternehmen KMPG in Nürnberg. Auf Nachfrage will sich Blaschke allerdings nicht zu den lauter werdenden Spekulationen äußern. „Kommt Zeit, kommt Rat“, sagte Blaschke kurz vor dem Ende der Bewerbungsfrist am Dienstag auf Anfrage.

Wie viele Bewerber sich bereits um die Nachfolge im Rathaus gemeldet haben, darüber will der amtierende Stadtkämmerer Harald Riedel (SPD) noch keine Auskunft geben. Immerhin würden sowohl Thorsten Brehm als auch Ulrich Blaschke das Anforderungsprofil aus der Stellenanzeige erfüllen. Für die Tätigkeit sei lediglich ein abgeschlossenes Hochschulstudium egal welcher Fachrichtung sowie einschlägige Berufserfahrung unverzichtbar. Dagegen findet sich in der Stellenanzeige kein Hinweis darauf, dass die SPD das Vorschlagsrecht für den Posten besitzt.

Derweil will sich der amtierende Kämmerer trotz der angespannten Haushaltslage aus der Debatte um seinen Nachfolger heraushalten. „Es gehört zu meinen festen Überzeugungen, dass man sich in seine eigene Nachfolge nicht einmischen sollte und das werde ich auch nicht tun“, teilte Riedel auf Anfrage kürzlich mit und verwies stattdessen auf einen „intensiven Auswahlprozess“ im Stadtrat. Die Wahl des neuen Finanzreferenten soll übrigens noch kurz vor Weihnachten in der Ratssitzung am 14. Dezember erfolgen. „Ich bin mir sicher, dass der Stadtrat eine gute Wahl treffen wird“, ist sich Riedel sicher und heizt damit indirekt die Debatte um die Zahl der geeigneten Bewerber wohl wenn auch unbewusst nur noch weiter an.

HK