Röttenbach
Krieg überschattet Kapellen-Jubiläum: Bewegende Worte von Pfarrer Schießler

02.03.2022 | Stand 23.09.2023, 2:32 Uhr

Eindringliche Worte spricht Rainer Maria Schießler bei der 200. Vesper an der Bruder-Klaus-Kapelle in Röttenbach. Foto: Schrenk



Eigentlich hatte sich der Seelsorger in seiner Vorbereitung für diesen Sonntagabend auf die Faschingszeit eingestimmt, doch angesichts der aktuellen Lage in Europa wolle man sich im Gebet versammeln, um aus der Nähe Kraft zu schöpfen, so Schießler. Der Glaube brauche keine Gemeinschaft, er schaffe Gemeinschaft. Glauben müsse jeder alleine und auch sterben müsse jeder alleine, doch in der Gemeinschaft des Gebets sei man miteinander verbunden.

Der Röttenbacher Bürgermeister Thomas Schneider, der mit seiner Familie die Kapelle am Tiefenbach gebaut hat, intonierte anschließend mit seinem Sohn Stephan und dessen Frau das Lied „Alle meine Quellen“ aus der Vesperale.

Für die Predigt ging Pfarrer Schießler zunächst auf den Einleitungstext zum Lukas-Evangelium ein: „Seid barmherzig, wie auch euer Vater barmherzig ist und richtet nicht, so werdet auch ihr nicht gerichtet werden. Verdammt nicht, so werdet auch ihr nicht verdammt. Vergebt, so wird auch euch vergeben“. Er sei erschüttert, wie aktuell dieser Text zur aktuellen Lage passen würde, sagte Schießler. So wurde gerade an diesem Sonntag bekannt, dass Putin mit seinen Atomraketen drohe. „Wir sind mittellos, wir sind handlungsunfähig, wenn der wirklich auf den Knopf drückt“.

Krieg habe noch nie eine Lösung gebracht. Wenn aber jemand nicht zur Vernunft gebracht werden könne, dann müsse man ihn daran hindern, das Äußerste zu tun, so Schießler. Zu lange habe die Kirche mit ihrer Lehre von der Erbsünde geglaubt, der Mensch sei von Grund auf böse. Dieses Böse müsse man austreiben.

Entscheidend sei doch: „Wie kommt das Böse in den Menschen hinein? Was machen wir aus einem Menschen?“, fragte Schießler. Schon Nelson Mandela, der jahrzehntelang ungerechtfertigter Weise im Gefängnis saß, habe gesagt: „Kein Mensch wird mit Hass im Herzen geboren“. Von Putin könnte man glauben, er habe nichts mehr zu verlieren. Ihm sei es völlig egal, wen er alles mit ins Verderben reißt.

So findet es Schießler bedrückend, wenn junge Menschen heute Lebensängste haben. Erst vor ein paar Tagen habe er an einem Münchner Gymnasium vor einer Abiturientenklasse gesprochen und dabei erfahren, dass drei Viertel der Schülerinnen und Schüler Angst vor dem hätten, was jetzt auf sie zukommen könnte. „Wir müssen ihnen diese Angst nehmen, indem wir zusammenstehen“, forderte Pfarrer Ziegler am Ende seiner Predigt.

In seinen abschließenden Fürbitten dachte Schießler auch an die Kinder, die auf der Flucht aus der Ukraine sind, die sich von ihren Vätern verabschieden müssen, die wieder zurück an die Front müssen. Auch denke er an das vierjährige Mädchen, das in all seinem Leiden darum fleht, noch nicht sterben zu müssen. „Bitten wir für unsere Kinder auf der ganzen Welt, dass sie nicht im Unsicheren gelassen werden, dass sie sich an starken, guten und aufrichtigen Erwachsenen festhalten können, dass sie nicht alleine gelassen werden.“

„Nicht die Wahrheit, Herr Putin, hinterlässt Wunden, sondern die Lügen, die als Wahrheit verkauft werden.“ Mit diesem Appell verabschiedete sich Pfarrer Schießler von den Gläubigen und den Fußwallfahrern, die sich vor der Bruder-Klaus-Kapelle versammelt hatten.

HK