Greding
Kindergartenstreit in St. Martin eskaliert endgültig: Betreiber droht mit Kündigung und Gericht

04.11.2022 | Stand 22.09.2023, 3:45 Uhr

Leer zeigt sich auf diesem Bild der Garten des Gredinger Kindergartens St. Martin. Die Verantwortlichen müssen aufpassen, dass es im Inneren bald nicht auch so aussieht. Es hat bereits Eltern gegeben, die versucht haben, ihr Kind in einer anderen Einrichtung unterzubringen. Die Stimmung ist wegen des Streits um eine zehnprozentige Arbeitsmarktzulage derzeit äußerst schlecht. Foto: Luff

„Glauben. Lieben. Achten.“ Diese drei Worte stehen ganz oben auf dem Briefkopf, den die Katholische Kindertageseinrichtungen Ingolstadt gemeinnützige GmbH, kurz Kita-gGmbH, jetzt an viele Eltern des Kindergartens St. Martin in Greding geschickt hat. Schöne Worte vorab. Was in dem Brief steht, hat es allerdings in sich: Dort droht das gemeinnützige Unternehmen des Bistums Eichstätt mit Kündigung.



Wenn die Eltern nicht so wollen wie die Kita-gGmbH, dann wird sie „den Betreuungsvertrag zum Ablauf des Kindergartenjahres 2022/23 fristgemäß zum 31.08.2023 kündigen“. Sprich: Wer die Arbeitsmarktzulage nicht bezahlt, dessen Kind fliegt nächstes Jahr raus. Und nicht nur das: Die Zulage werde hernach gerichtlich durchgesetzt, so die unmissverständliche Ankündigung.

Diese Arbeitsmarktzulage ist ein Kind der Stadt Ingolstadt: Der dortige Stadtrat hat mangels genügend Personal ein Lockmittel für Erzieherinnen beschlossen: Sie bekommen – befristet bis August 2025 – einen zehnprozentigen Aufschlag zum Tariflohn. Dieser wird in Ingolstadt aus dem Stadtsäckel bezahlt. Die Kita-gGmbH beschloss daraufhin, dass alle Erzieherinnen in all ihren Einrichtungen – neben St. Martin in Greding betreibt sie viele vor allem im Landkreis Eichstätt – den Zuschlag bekommen sollen. Hier sollen allerdings die Eltern dafür geradestehen, die Kommunen zahlen nichts. Im Raum steht ein Zusatzbetrag in Höhe von knapp 400 Euro im Jahr, der auf die ohnehin höchsten Beiträge im Gredinger Gemeindegebiet aufgeschlagen wird. Deshalb ernten die Kita-gGmbH und ihr Geschäftsführer Markus Schweizer allerorten einen Sturm der Entrüstung.

Für dieses Jahr halte er sich an sein Wort, das er in der eigens anberaumten Elternversammlung im September gegeben habe, versichert Markus Schweizer in diesem an die widerspenstigen Eltern versandten Brief. Die Zahlungsverweigerung werde nicht zu Lasten der Kinder gehen, der laufende Vertrag werde nicht gekündigt. Man werde aber „regelmäßig die rückständigen Forderungen dokumentieren“ und nach der Kündigung zum August 2023 auch einklagen. „Sofern wir nicht doch noch eine Einigung finden“, schiebt der Geschäftsführer noch hinterher. Mit anderen Worten: Sofern die Eltern nicht einknicken und zähneknirschend bezahlen.

Eltern sprechen von Straftat wegen Einzugs ohne Mandat

Mit dem Brief setzt die Kita-gGmbH den Eltern das Messer auf die Brust, nachdem ein anderer Weg fehlgeschlagen ist: Sie ließ nämlich die umstrittene Arbeitsmarktzulage mit den regulären im Betreuungsvertrag vereinbarten Beiträgen im September von den Konten abbuchen. Ohne weitere Rücksprache. Worauf viele Eltern den Weg zur Bank suchten und die Differenz rückbuchen ließen. Schon da war die Empörung groß. „Das ist eigentlich eine Straftat“, schimpft ein Vater. Ohne gültiges SEPA-Mandat sei dies verboten, selbst Bankmitarbeiter hätten gesagt, so etwas hätten sie noch nie erlebt.

Auf Anfrage unserer Zeitung erklärt Geschäftsführer Schweizer, er habe ein Lastschrift-Mandat, „das ist Teil des Betreuungsvertrags“. Ein konkreter Betrag sei darin nicht vermerkt. Alles sei also rechtens. Die Pressesprecherin der Diözese Eichstätt, Pia Dyckmans, sagt dagegen, die höhere Abbuchung sei lediglich „bei einigen Eltern“ geschehen, deren „Widerspruch erst so spät eingegangen ist, dass der Einzug bankmäßig nicht mehr gestoppt werden konnte“.

Gleich mehrere Eltern sprechen zudem von unverhohlenen Drohungen, die vonseiten der Kita-gGmbH ausgestoßen worden seien: Wer sich öffentlich zum umstrittenen Thema Arbeitsmarktzulage äußert, werde Konsequenzen spüren. Dieser Vorwurf wird von Elternseite nicht zum ersten Mal laut: Der Eichstätter Kurier hat bereits Anfang Oktober über solche Drohungen berichtet, damals ging es ebenfalls um die Arbeitsmarktzulage, allerdings in Betreuungseinrichtungen im Kreis Eichstätt. Zu den angeblichen Drohungen sagte Schweizer vor einem Monat: „Das ist Quatsch und völliger Unsinn. Ich habe so etwas nie gesagt.“ Im Gespräch mit unserer Zeitung wiederholte Schweizer dies nun: Er habe nie irgendeine Drohung ausgesprochen. Wer allerdings seine Beiträge nicht ordnungsgemäß bezahle, müsse zum Ende des Kita-Jahres mit der Kündigung rechnen – „wer das als Drohung empfindet...“

Wie Schweizer mehrmals – und auch im jetzigen Schreiben – versichert, sei es ihm ein Anliegen, dass der ganze Streit nicht auf dem Rücken der Kinder ausgetragen werde. Auch das scheint einfacher gesagt als getan. So erzählt eine Mutter, die Stimmung im Kindergarten St. Martin sei mittlerweile im Keller: „Die Erzieherinnen nehmen den Widerspruch persönlich nach dem Motto: ,Die gönnen uns die Zulage nicht.‘“ Eine andere pflichtet ihr bei, die Stimmung sei „mehr als gekippt“.

Eine weitere Mutter erzählt hinter vorgehaltener Hand, sie habe bereits versucht, ihr Kind im katholischen Kindergarten ab- und im evangelischen Johannes-Kindergarten anzumelden. Von dort sei sie allerdings weggeschickt worden mit der Begründung, schließlich sei das Geschwisterchen seinerzeit auch schon in St. Martin gewesen. Und damit „hatte ich dann keine andere Wahl mehr“.

Gleichheitsgrundsatz besagt laut Betreiber gleiches Geld

Keine Wahl hat auch die Kita-gGmbH insgesamt, zumindest nach Lesart von Danuta Waldau. Sie ist in der Eichstätter Bistumsverwaltung für die Organisation der Kindertageseinrichtungen zuständig und in dieser Funktion Schweizers Chefin. Direkt zu erreichen war sie für unsere Zeitung zwar nicht, schriftliche Fragen an sie beantwortete aber in ihrem Namen die Pressesprecherin Pia Dyckmans. Ihr zufolge ist die Betreiberfirma „verpflichtet, alle ihre Mitarbeitenden gleich zu behandeln“ und beruft sich unter anderem auf den Artikel3, Absatz 1 im Grundgesetz: „Alle Menschen sind vor dem Gesetz gleich.“ Letztlich sei diese Norm des Grundgesetzes die Basis für den arbeitsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatz. „Einem Arbeitgeber ist es hierbei verboten nicht nur Arbeitnehmer desselben Betriebs, sondern auch Arbeitnehmer verschiedener Betriebe des Unternehmens sachwidrig ungleich zu behandeln“, schreibt Dyckmans. Ohne auf die Frage einzugehen, warum beispielsweise Beamte in München höhere Zulagen bekommen als ihre Kollegen auf dem Land, oder wie es aussieht, wenn ein Dritter – also die Stadt Ingolstadt – die Zulage bezahlt. All dies wird aller Voraussicht nach noch vor Gericht geklärt.

Unklar war unter Gredinger Eltern, wie der Verwaltungsrat der Katholischen Kindertageseinrichtungen Ingolstadt gGmbH zusammengesetzt ist, der im September beschlossen hat, man werde die Eltern verklagen, wenn die Zahlung der Zulage ausbleibe. Übrigens einstimmig, wie Dyckmans bekräftigt. Ihr zufolge besteht er aus sechs Mitgliedern: Drei werden von der Diözese Eichstätt berufen, drei Mitglieder werden von den Kirchenstiftungen gewählt, die mit der Kita-gGmbH kooperieren.

HK