„Dann muss ich mich übergeben.“ So endet der Prolog zu Jonas Deichmanns neuestem Buch mit dem Titel: Weil ich es kann. Mit Co-Autor Martin Waller erzählt er die Geschichte seiner Challenge 120 im mittelfränkischen Landkreis Roth. Und er geht dabei vor wie bei seinen Langzeitprojekten: Ohne Umschweife.
„Der gute Kerl von nebenan“ zeigt sich menschlich
Deichmanns 120 Triathlons in 120 Tagen haben Wellen geschlagen: Über die 456 Kilometer im Rothsee, 21 600 Kilometer auf dem Rad und 5064 Kilometer in den Laufschuhen berichteten Funk, Fernsehen und Social Media gleichermaßen. Ein Tracker machte aus Deichmann den gläsernen Athleten, tausende Fans strömten an die Strecke. Deichmanns Weltrekord-Projekt war gleichermaßen verrückt wie medial bestens ausgeleuchtet. Was soll es im Buch neues geben?
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„Tag 1, 9.5.2024, Do, Wetter: sonnig, morgens Nebel über dem See, Temperatur: 7 Uhr 11˚; 14 Uhr 19˚, 21 Uhr 10˚, Swim 1:14, Bike 5:46, Run 4:12, Gesamtzeit (inkl. Pausen): 12:51, Abendessen: Käsespätzle.“ Das sind die Fakten. Chronologisch nimmt Deichmann seine Leser mit und könnte theoretisch einfach eine Heldengeschichte erzählen. Wie der Strahlemann vom Buchcover scheinbar mühelos 120 Triathlon-Langdistanzen bewältigte und damit tausende Fan-Herzen gewann. Letzteres ist eine Tatsache, das mit dem mühelos jedoch ein Mythos. Der 120-fache Ironman ist kein Superheld. Er ist, wie es sein Physiotherapeut Andre Hablawetz, der wie viele andere Weggefährten und Experten zu Wort kommt, sagt „der gute Kerl von nebenan”. Und der musste eben „im Auto kotzen“ nach Tag eins und verlor drei Kilo.
Jonas Deichmann überwindet Widerstände und erteilt Lektionen
Bei eben jenen Blicken hinter die Kulissen ist das 270-seitige Machwerk besonders stark. Gefährlich sei es mit dem Fahrrad auf deutschen Straßen, manchmal wünsche man insgeheim schon mal rücksichtslosen Autofahrern „die Pest an den Hals“. Wenn Deichmanns Vater und Manager Sammy hadert: „Wir schaffen das alles nicht“, spürt man, wie schmal der Grat ist zwischen Erfolg und Misserfolg. Da können die Dinge noch so durchgeplant sein, wie etwa bei der Aufnahme der 10 000 Kilokalorien pro Tag – am Ende hatte Deichmann einfach „keine Lust“ mehr auf‘s Essen. Er gewährt tiefe Einblicke, als er gegen Ende seines Projekts mit „so etwas wie Langeweile“ hadert und sich auf sein Gravelbike und unerkundete Pfade wünscht, um der Monotonie zu entfliehen.
Menschen aus dem Umfeld im Vordergrund
Nun könnte man sagen: Wer 120 Triathlons in 120 Tagen bestreitet und dabei Langeweile hat, hat etwas richtig gemacht. Wer einen Trainingsplan erwartet, um so etwas auch mal durchzuziehen, ist hier falsch. Es geht weniger um technische Fragen. Deichmann stellt die Menschen in den Vordergrund. Solche, die ihn begleitet haben und die aus seinem Team, wie Bruder Siddy, um den Deichmann nach einem Sturz bangte, der sich wieder aufrappelte und häufig treu an der Seite des Weltrekordlers seine Bahnen zog. Nebenbei machte er Geschäfte, zog beim Marathon einen Großauftrag über 100 Fenster an Land. So wird Deichmanns Story zu der seines ganzen Teams: „Wir erzählen eine Geschichte von Entschlossenheit, Motivation, Ausdauer und dem Spaß daran. Und das gänzlich real und live, ohne Netz und doppelten Boden.“
Was bei dieser sportlichen Reality-Show immer vorhanden ist: Weisheiten vom Weltrekordler, zum Beispiel zum Thema Verletzungen: „Was sich nicht verschlechtert, ist auf dem Weg der Besserung.“ Als Deichmanns Füße anschwillen und er deshalb größere Schuhe braucht, was offenbar einen ziemlichen Aufwand darstellt, erteilt er eine Lektion in Gelassenheit: „Ein Lächeln ist immer möglich, egal wo der Schuh drückt.“
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Ortskunde im Landkreis – Rothsee kommt besonders gut weg
Nicht zu kurz kommt der Landkreis Roth: Es gibt Ortskunde (Quizfrage: Wo liegt Haimpfarrich?), ein ausführliches Kapitel erhält der Challenge Roth, der die Halbzeitmarke des Weltrekord-Projekts darstellte. Und das Tourismusbüro dürfte sich freuen, wenn der Extremsportler, der schon die Welt umrundet hat, sagt, die Szenerie am Rothsee habe was „vom ersten Tag der Schöpfung“.
Idylle wie Dynamik vermitteln rund 100 Fotos, die den Sommer in diesem tristen November wieder aufleben lassen. Ein „Sommermärchen“ heißt es im Klappentext und doch war daran wenig märchenhaftes, weil nichts übernatürliches, sondern viel menschliches. Der Protagonist ist inspirierend wie pragmatisch: Er verrät die Frage nach dem Warum schon mit dem Titel. Warum macht man 120 Triathlon-Langdistanzen an 120 Tagen? Weil ich es kann.
DK
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