Ruhe ist eingekehrt vor dem Büro des Challenge Roth: Wo Extremsportler Jonas Deichmann seinen Fabel-Weltrekord aufstellte, indem der Triathlet gleich 120 Langdistanzen an 120 Tagen am Stück absolvierte.
Damit verblüffte er nicht nur Sportwissenschaftler, sondern auch Fans. Im Gespräch blickt der 37-Jährige auf sein gewagtes Projekt zurück und verrät, was als nächstes ansteht.
Herr Deichmann, „frisch und munter“ ins Interview. „Geil wird’s“, oder?
Deichmann: Genau, so schaut’s aus.
Viele Ausdauersport-Fans haben durch Sie einen neuen Wortschatz. „Frisch und munter“, „geil wird’s“ oder auch ein „Läufchen“ hört man immer wieder. Wie stolz macht es Sie, zu sehen, wie Sie in der „Heimat des Triathlons“ ankommen?
Deichmann: Es macht mich noch stolzer als der Weltrekord, wenn ich sehe, was ich in Roth und der Sportwelt bewirkt habe. Viele haben mit mir ihren ersten Marathon oder eine Langdistanz gemacht. Oder sie sind einfach zehn, 15 Kilometer mitgelaufen, wo sie sonst einfach sitzengeblieben wären. Menschen, die Sport machen, haben ihre Grenzen verschoben. Ein tolles Gefühl.
Umgekehrt: Wie haben Sie die letzten vier Monate in Roth verändert?
Deichmann: Ich habe gewusst, dass Roth ein triathlonverrückter Landkreis ist. Wie verrückt es wurde, habe ich nicht erwartet. Wenn man als Beispiel Verpflegungsstation 30 nimmt: Das hat an Tag fünf oder sechs mit einer Packung Keksen und einer Flasche Wasser begonnen. An Tag 120 waren dort 1000 Leute. Auch Büchenbach am Ende: jeden Tag ein Volksfest. Allgemein war während der 120 Tage bei Wind und Wetter immer jemand an der Strecke.Die Herzlichkeit der Menschen war unglaublich toll. Es gibt Leute, die meinten, sie haben eine Lebenskrise oder eine Krankheit und das Projekt gab ihnen Kraft und hat ihnen da durchgeholfen. Es ist unglaublich schön, so einen Zuspruch zu bekommen.
Jonas Deichmann: „Die Challenge 120 hat gezeigt, dass sich der Körper von einer Langdistanz pro Tag erholen kann“
Wie hat das Projekt den Extremsportler und Abenteurer Deichmann verändert?
Deichmann: Es hat meine Grenzen verschoben. Jeder hat gesehen: Der Körper kann sich an einen Triathlon pro Tag anpassen. Eine Langdistanz hat sich am Ende angefühlt wie Normalität. Knieentzündung, Achillesferse – mit allem, was kam, bin ich fertig geworden. Das gibt mir viel Selbstvertrauen für die Zukunft.
Dabei war die Anfangsphase heikel. Sie sahen nach Tag fünf nicht gut aus. War die Challenge 120 zu diesem Zeitpunkt gefährdet?
Deichmann: nein. Ich wusste von meinen vorherigen Projekten, dass die Anfangsphase hart wird. Um ehrlich zu sein, war ich überrascht, wie kurz die Anpassungsphase war. An Tag sechs war der Tiefpunkt erreicht, danach ging es mir immer besser.
Wie schlug sich das in den medizinischen Daten nieder?
Deichmann: Meine Werte nach und vor dem Projekt waren identisch. In der Sportmedizin gab es eine Diskussion, ob das überhaupt machbar und gesund ist. Es gab keine wissenschaftlichen Studien dazu, man konnte es vorher also nicht wissen. Die wissenschaftlichen Daten liefern wir jetzt. Mediziner Bernd Langenstein hat mich begleitet, Blutwerte gesammelt, Ultraschall- und EKG-Untersuchungen gemacht. Ein Beispiel: Ich hatte nach Langdistanzen Muskelentzündungswerte, die mit einem Fünf-Kilometer-Lauf vergleichbar sind.
Die letzten Wochen des Projektes könnten „eine Qual werden“ prophezeite Sportwissenschaftler Ingo Froböse während Ihres Projekts. Durch „die kurzen Regenerationsphasen“ würde die Arbeit des Immunsystems nie beendet sein.
Deichmann: Das Gegenteil war der Fall. Mir ging es an Tag 120 besser als an Tag zehn. Das ist das wirklich Erstaunliche: Die Challenge 120 hat gezeigt, dass sich der Körper von einer Langdistanz pro Tag erholen kann. Die Regenerationszeit hat ausgereicht.
Wie beeinflusst diese Erkenntnis die Wissenschaft?
Deichmann: Seit ich das beruflich mache – also seit 2017 – habe ich wahrscheinlich mehr Ausdauersport gemacht als jeder andere Mensch auf der Welt. Im Schnitt sind es 40 Stunden Sport pro Woche, also deutlich mehr als ein Tour-de-France-Fahrer oder jeglicher Profi-Sportler. Jetzt aber kommt das Interessante: Mein Bruder hat auch 74 Langdistanzen gemacht. Wir haben viele andere Leute, die haben zehn Langdistanzen gemacht oder vier, fünf nacheinander. Das gab es vorher nicht im Triathlon-Sport. Vorher war es: Eine Langdistanz, dann eine lange Pause. Aber nicht nur mein Körper hat sich angepasst.
„Das Geheimnis ist, langsam unterwegs zu sein“
Wenn ich also körperlich in der Lage bin, einen Triathlon zu absolvieren kann ich noch mehrere dranhängen?
Deichmann: Dazu muss ich eine Sache sagen: Ich war nicht unter Maximalbelastung, sondern hatte etwa beim Laufen einen Puls zwischen 100 und 110 – also im untersten Grundlagenbereich. Die meisten Tage war ich nicht am Limit. Das ist für mich Komforttempo. Wenn man einen Triathlon am Anschlag macht, kann man das nicht zehnmal hintereinander machen. Das Geheimnis ist, langsam unterwegs zu sein. Ich tue viel für meinen Körper, mache unter anderem sechsmal die Woche Stabi-Training, um einen starken Rumpf zu haben und Verletzungen vorzubeugen. Ich bin immer im Grundlagenbereich unterwegs. Mit dieser Grundlage und Training kann man seine Grenzen verschieben. Dann macht man eine Langdistanz und dann mehr. Der Körper wird besser.
Wurde auch Ihr Körper besser? Haben Sie ein neues Level erreicht?
Deichmann: Ja.
Und nach der 120 – herrschte die große Leere?
Deichmann: Nein, ich habe einen Medienmarathon und mehrere Vorträge. Am 1. November kommt mein Buch „Weil ich es kann“ raus, nächstes Jahr im Frühjahr der Kinofilm. Außerdem muss ich jetzt abtrainieren, etwa 40 Stunden pro Woche, weil mein Herz ein bisschen größer geworden ist. Ich will meinem Körper eine sanfte Landung geben. Dann kommt eine neue Phase. Ich freue mich auf die nächsten Monate und das nächste große Projekt.
Wie sieht das Abtrainieren aus?
Deichmann: Ich war am Fuschlsee in Österreich und dort ein bisschen schwimmen, radeln und laufen – nach Lust und Laune, aber auch viel. In der ersten Woche war es ein bisschen weniger, was auch ok ist. Seit Montag sind es schon 40 Stunden pro Woche.
Deichmann erhält „lebenslanges Startrecht für den Challenge“
Was ist Ihnen denn lieber: Ein Medienmarathon oder ein echter Marathon?
Deichmann: Mir macht beides Spaß. Das Leben ist schön, wenn es abwechslungsreich bleibt. Ich bin ja auch Unternehmer und lebe von meinen Projekten. Der Part macht mir genauso Spaß.
Das nächste Großprojekt folgt. Wann können wir damit rechnen?
Deichmann: Frühestens in der zweiten Jahreshälfte 2025. Ich mache jetzt ein paar kleinere Projekte und Sport nach Lust und Laune. Ich kann so viel verraten: Es wird wieder ein großes Abenteuer, es geht in abgelegenere Gegenden der Welt.
Gefühlt waren Sie schon überall. Wo denn noch nicht?
Deichmann: Ich war in über 100 Ländern. Aber die Welt ist riesig. Ich war zum Beispiel noch nie im Himalaya, obwohl ich die Berge liebe. Auch in die Antarktis möchte ich oder die Wüste Gobi, Teile Afrikas sowie Zentralasiens. Außerdem liebe ich Südamerika, da kann man nicht häufig genug sein.
Kehren Sie als Weltenbummler wieder nach Roth zurück? Immerhin haben Sie zum Start Ihres Projekts einen Schlüssel zum Challenge-Büro bekommen, sind jederzeit willkommen...
Deichmann: Den Schlüssel habe ich zurückgegeben, habe aber von Felix Walchshöfer (Challenge-Renndirektor, d. Red.) ein lebenslanges Startrecht für den Challenge bekommen. Genauso wie „Edelsepp“ Marc Bernreuther (Deichmanns Social-Media-Ass aus der Region). Wir sind 2025 auf jeden Fall am Start.
− mgb
Das Interview führteAndreas Breitenberger.
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