Im Rahmen einer aktuellen Forschungsarbeit über die Geschichte der Heidecker Kirche ist eine Notiz in den Pfarrakten aufgetaucht, welche in den vergangenen Jahrhunderten unbeachtet überlesen wurde: Heideck hat einen Stadtpatron!
Nicht den Patron der Pfarrkirche Johannes den Täufer, der sich seit dem Mittelalter mit der Gottesmutter Maria das Patronat des Hochaltars teilt. Es ist ein Patron der Neuzeit, dessen Verehrung im Barock so richtig en vogue wurde. Es ist auch gut, ihn wieder in Erinnerung zu rufen, denn er stellt über die Religion auch eine Brücke zu einer anderen Nation her, zu der Heideck schon früh eine Bindung hatte: Böhmen oder Tschechien.
Im Mittelalter war die Reichsherrschaft Heideck unter Kaiser Karl IV. Böhmisches Lehen und wurde mit besonderen Privilegien und Rechten bedacht. Wichtige wirtschaftliche Handelswege führten über Heideck nach Böhmen und in der Pfarrkirche wurde 1457 eigens eine Seitenkapelle (seit 1763 Standort der Sakristei) einem der böhmischen Nationalheiligen geweiht, dem heiligen Veit. Aber von all dem wusste man im Barock natürlich nichts mehr, aber dennoch ist der Heidecker Patron – zufällig – ein Böhme.
Der „vergessene Stadtpatron“ ist der heilige Johannes von Nepomuk, von dem sich eine Reliquie im Ort befindet.
Von den Entwicklungen der calvinistischen „Nachreformation“ nach 1586 und dem Dreißigjährigen Krieg war es um die künstlerische Ausstattung der Heidecker Kirchen schlecht bestellt. 1762 und ‘63 begann man die Ausstattung der Kapell kunstvoller zu gestalten. Die Witwe Anna Maria Brachmann stiftete in den beiden Jahren 74 Gulden zur Erstellung des neuen Altares zu Ehren des noch relativ neuen Heiligen, der 1729 von Benedikt XIII, heiliggesprochen wurde. Caspar Böck und Jungfrau Barbara Krämer gaben je fünf Gulden und Maria Walter aus dem Almosenhaus vermachte drei Gulden zum neuen Altar. Der Heidecker Schreiner und Bildhauer Josef Troll schenkte zur kunstvolleren Ausgestaltung des Altars 14 Gulden und die hiesigen Maler (Vergolder Heinrich Strobel) steuerten 45 Gulden zu Fassung und Vergoldung des Altares bei.
Unterhalb der Skulptur des Heiligen zeigt ein Ostensorium, ein Schaugefäß, eine gefasste Reliquie. Sie stellt eine Reliquie aus, welche die vermeintliche Zunge des Heiligen darstellt. Sicher enthält diese „Sekundärreliquie“ auch einen Partikel des im Veitsdom in Prag verwahrten Heiligtums, welches für Heideck noch in eine originalgetreu ausgebildete und gefasste Zunge eingebettet wurde.
Ein Abschnitt in den Pfarrakten gibt frei übersetzt wieder, dass am Fest der Heimsuchung Mariens, dem 2. Juli 1762, mit großer Feierlichkeit, die Erste Messe am neuen Altar in der Frauenkirche (Kapell) gefeiert wurde und mit der Reliquie der Segen gespendet wurde – bei dieser Gelegenheit hat man den Heiligen Johannes von Nepomuk zum Patron der Stadt Heideck erhoben.
Als man 1960 die mittelalterlichen Wandmalereien der Kapell aus der Zeit um 1419 freilegte – und dabei wieder die frühere künstlerische Bindung zu Böhmen (böhmisches Grün) vergegenwärtigte, war für den Altar des Stadtpatrons dort kein Platz mehr. Die Seitenaltäre der Kapell wechselten in die Pfarrkirche – wozu deren Altäre nach Pleinfeld verkauft wurden.
Er ist also noch präsent, der Heilige, samt Reliquie. Und das eigentlich öfters im Stadtbild: Auf den ehemaligen Brücken am Oberen und Unteren Tor standen aus Höttinger Sandstein kunstvolle Skulpturen aus Ellinger Bildhauerwerkstätten des Barock. Die der früheren Brücke am Oberen Tor steht nun an der Hauptstraße am ehemaligen „Johannesgarten“, vor dem Anwesen Höfner-Kukula. Jene auf der überbauten Unteren Torbrücke, gegenüber vom Anwesen Meisinger, fand einen sicheren Aufstellungsort in der KiD-Scheune. Zu fragil ist deren Erhaltungszustand um sie der Witterung auszusetzen.
Am Anwesen Klehr, ehemals Dr. Schermbacher, am Kreisel beim Vogel Strauß, erinnert eine Schriftkartusche aus Sandstein an den Heiligen. Eine Skulptur darüber zierte lange die Fassade, später soll sie bei einem holzverarbeitenden Betrieb im Ort verloren gegangen sein. Damals wie heute gab und gibt es unzählige Anlässe, dass vermeintlich „Altes“ oder Überkommenes unbeachtet verschwindet.
Besonders auffällig allerdings war es im 20. Jahrhundert, als die „Alte Weltordnung“ an den Folgen von 1914/18 zusammenbrach. Es entwickelte sich völlig Neues und Freies, was ab den 1930er-Jahren in fatalen Gegenbewegungen – in ganz Europa – versucht wurde wieder in „rechte Bahnen“ zu lenken und in der Katastrophe endete. Seien wir wachsam! Schleichend kommen diese Tendenzen wieder in Europa auf.
Im Europa der Trümmer nach 1945 wurden Nationen neu „zusammengewürfelt“. Viele Menschen aus deutschen Siedlungsgebieten im Osten und Südosten Europas suchten eine neue Heimat. Gerade in Heideck fanden Sudetendeutsche aus Böhmen Zuflucht – und es ist unbestritten, dass das Zusammenleben und Aneinandergewöhnen für beide Seiten, Alteingesessene und Neubürger konfliktbelastet war.
Die selbe Religion und Konfession erleichterte damals oft das Zusammenwachsen. Nicht erst in den neuen Heimatregionen der Vertriebenen und Flüchtlinge, sondern bereits in deren alter Heimat.
Das Verhältnis zwischen Deutschen und Tschechen im böhmischen Stammland war nach 1918 sicher nicht einfacher geworden.
Alle, egal ob Tschechen oder Deutsche, stellten am Gedenktag des Nationalheiligen eine Skulptur oder ein Bild von ihm ins Fenster und zündeten eine Kerze an – in Erinnerung an die Lichter die an seinem Fundort in der Moldau einst zu sehen waren. Dort, wo ein Fluss durch den Ort führte, stellte man Kerzen in schwimmende Schirmchen und ließ sie mit der Strömung treiben.
1953, beim ersten Heimatfest in Heideck, waren maßgeblich die Heimatvertriebenen beteiligt, welche ihre Egerländer Trachten am Festzug zeigten und eine Tradition mitbegründeten, oder sogar initiierten, die bis heute weiterlebt.
Freuen wir uns über eine Tradition, welche schon 70 Jahre ein „Fest der Heimat“ ist – aber erinnern wir uns auch daran in welch sicherer aber doch zerbrechlichen Zeit wir leben, in einer Demokratie in Frieden und Freiheit.
HK
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