Hilpoltstein
Frische Wunder und das langersehnte Vivat

Neuer Scharlatan gibt wortreiche Premiere beim Festspiel – Laues Lüftchen kühlt historisches Volk und rauscht durch die Mikros

07.08.2022 | Stand 22.09.2023, 20:09 Uhr

Huldvoll winkt die Gräfin in die Menge: Geleitet von Burgfestbürgermeister Josef Lerzer verlässt Melanie Flierl die Bühne auf dem Marktplatz, ehe es im Festzug hinauf zum Festplatz geht. Foto: Tschapka

Von Viola De Geare

Hilpoltstein – Das Setting ist gesetzt und wird jedes Jahr beim Festspiel in gewohnter Manier nacherzählt: Im Jahre 1606, zwei Jahre nach dem Tod ihres Gemahls Ottheinrich, macht sich die Pfalzgräfin Dorothea Maria auf zur Reise an ihren Witwensitz in der „kommoden Burg“ Hilpoltstein. Die historische Menge hat sich am Marktplatz versammelt, hinter roten Absperrbändern harren die Bürger und Besucher. Denn bis die Pfalzgräfin, in diesem Jahr gemimt von Melanie Flierl, endlich einzieht, steht noch etwas Warten auf dem Programm. Für die historische Stadtgesellschaft und die modernen Besucher.

Die Fahnenschwinger üben ein letztes Mal ihren Wurf, die Gaukler bauen noch einmal ihre tollkühne Menschenpyramide, bevor das Spiel beginnt. Als der Erzähler eingeführt hat, marschiert die Stadtkapelle Hilpoltstein mit den bekannten Klängen ein – in diesem Jahr allerdings ohne die historischen roten und blauen Kostüme sondern in Hose, Hemd und blauer Weste.

Als Stadtschreiber Felix Erbe die Stadtpfeifer ankündigt, beordert Regisseurin Elisabeth Dietz, die im Kostüm und mitten im Geschehen das Spiel koordiniert, die Gruppe der Stadtpfeifer schnell auf die Bühne. Echte Hilpoltsteiner kennen und lieben diese Klänge, die man nur einmal im Jahr vernehmen kann. Kaum unter Beifall geendet, machen sich schon die Trommler bemerkbar, im Gefolge eine Schar Marketenderinnen, „die in der Stadt Handel treiben wollen“, wie der Stadtschreiber verkündet. Sie gesellen sich zur historischen Gesellschaft und reihen sich zum Empfangskomitee neben der Bühne auf.

Schon tollen die Gaukler in ihren weiß-blauen und rot-blauen Kostümen heran und bauen ihre wohl geübten Pyramiden auf. Als Krone dürfen die jüngsten Gaukler bis nach oben klettern und sich auf den Rücken der Großen mit ausgestreckten Armen platzieren. Rund drei Minuten müssen sie die Figur halten, denn nun kommt der Zauberer zum Zug. Mit seinen Ringen vollführt er tolle Dinge, verhakt sie ineinander und trennt sie auf magische Weise wieder – wie er das macht, bleibt sein Geheimnis. Das Publikum staunt und applaudiert.

Dann ziehen die Landsknechte ein, ganz gesittet in diesem Jahr, die Drohgebärde mit toten Hühnern an den Hellebarden gehören der Vergangenheit an. Neben dem Kanonenwagen haben sie auch einen Scharlatan im Gefolge: den Wunderdoktor. Der langjährige Mime, Johann Schneck, hat seine Mittelchen und Wässerchen weitergereicht an seinen Nachfolger Bernd Buchmüller, der in diesem Jahr auch kein Pferd mehr hat, sondern einige starke Kerle an der Seite, die ihm den Karren schieben.

Als er einzieht, wirbt er mit traditionellem Text für seine Mittelchen gegen die Dummheit und andere Leiden und kündet davon, wen er schon alles kuriert hat. Aber mit einem neuen Doktor dürfen auch neue Wunder nicht fehlen und so prahlt er damit, dass er „den Fanfarenspieler mit dem geschwungenen Bart“ kuriert hat. „Zwei Jahre lang konnte er im August nicht spielen, weil ihm schlicht die Luft gefehlt hat. Nun seht, wie er wieder bläst.“

Unter Buhrufen der Menge wird der Wunderdoktor aber wie gehabt vom Platz geschoben und die Fanfarenspieler schmettern ihr Stück. Dann ist es auch schon so weit und eine Horde Kinder kommt gerannt: „Ein Reiter, ein Reiter, sie kommen, sie kommen.“ Ihnen folgen der fürstliche Herold und der Kanzler, bevor unter „Vivat, die Pfalzgräfin, sie lebe hoch, hoch, hoch“-Rufen endlich die ersehnte Gräfin im Damensattel einreitet, die Töchter in der Kutsche im Gefolge.

Der Burgfest-Bürgermeister nimmt sie in Empfang und geleitet sie auf die Bühne, wo sie erst einmal eine Erfrischung erhält – was sich sicher auch manche im Tross gewünscht hätte, denn unter den Gewändern wird es in der Sonne warm. Zum Glück zieht immer wieder eine leichte Brise über den Marktplatz – diese macht aber auch Probleme, denn bei manchen Akteuren rauscht das Mikrofon ganz schön.

Als der Pfarrer die Gräfin willkommen heißt, versagt das Mikrofon gleich ganz, aber Michael Pfeiffer macht unbeirrt weiter, denn die Hilpoltsteiner kennen den Text eh schon und zum Tanz der Bürger braucht es zum Glück kein Mikrofon. Als dann noch der Kanzler die Stadt ihrer Privilegien versichert und Kleingeld in die Menge wirft, hebt ein Stimmengewirr an und die Menge macht sich auf zum Festzug.

HK