Fast jeden Tag geschieht in Deutschland ein Femizid. Diese erschreckende Nachricht haben die Bundesministerinnen Nancy Faeser und Lisa Paus im November in dem erstmals veröffentlichten Lagebild zu „Geschlechtsspezifisch gegen Frauen gerichtete Straftaten“ bekannt gegeben. Um es ungeschönt auszudrücken: Fast jeden Tag wird in Deutschland eine Frau umgebracht – weil sie eine Frau ist. Das Bundeskriminalamt stellt dazu fest, dass Straftaten gegen Frauen und Mädchen in allen Bereichen steigen, ein Trend, den auch das Schwabacher Frauenhaus zu spüren bekommt.
Dieses Haus ist für von Gewalt betroffene Frauen oft der letzte Zufluchtsort. „Und es ist bis zum Geht-nicht-mehr ausgelastet“, sagt Johanna Zerer, Vorsitzende des Trägervereins „Hilfe für Frauen in Not“. Die Zahl der Plätze, gibt sie zu bedenken, ist mit zwölf eigentlich zu niedrig. Denn das Einzugsgebiet sei riesig. Es umfasst nicht nur den Landkreis Roth und die Stadt Schwabach, sondern auch die Landkreise Weißenburg-Gunzenhausen sowie Nürnberger Land.
Hass und Gewalt sind laut dem Bundeskriminalamt zunehmende gesellschaftliche Probleme, was sich anhand der steigenden Zahlen zeige. Im Jahr 2023 wurden deutschlandweit 180 715 Frauen Opfer von häuslicher Gewalt, 5,6 Prozent mehr als im Vorjahr. Das sind Taten, bei denen eine persönliche Beziehung zwischen dem Tatverdächtigen und dem Opfer besteht. Bei den Sexualstraftaten gab es eine Zunahme um 6,2 Prozent, bei digitaler Gewalt sogar um 25 Prozent.
So weit die nackten Zahlen. Mit den menschlichen Schicksalen, die dahinter stecken, haben die Mitarbeiterinnen des Frauenhauses unmittelbar zu tun. Oft flüchten geschlagene, vergewaltigte und drangsalierte Frauen so überhastet ins Frauenhaus, dass sie nur mit dem ankommen, was sie auf dem Leib tragen. „Dann bekommen sie von uns ein kleines Willkommenspaket mit allem Nötigen, damit sie fürs Erste etwas haben“, erklärt Angelika Brandstätter, Gründungsmitglied und Schriftführerin im Verein.
Frauenhaus muss Matratzen selbst kaufen
Die Kosten dafür und für vieles andere müssten aber über freiwillige Spenden gedeckt werden: Dazu gehören auch der notwendige Dienstwagen des Frauenhauses, das Mobiliar wie zum Beispiel neue Matratzen und eine Basis-Erstausstattung, wenn Frauen eine eigene Wohnung finden. „Deshalb sind wir dringend auf Spenden angewiesen“ – auch aus der Aktion „Vorweihnacht der guten Herzen“, der Spendenaktion des DONAUKURIER und seiner Heimatzeitungen.
Denn nur 90 Prozent der förderfähigen Kosten, zu denen Personalausgaben und die Miete zählten, erhalte man aus staatlicher Hand. Ärgerlich findet Zerer in diesem Zusammenhang, dass dies nirgendwo gesetzlich festgezurrt sei. Was zur Folge habe, dass man immer bangen müsse, ob die Kosten von den Kommunen auch in Zukunft getragen würden.
„Und zehn Prozent müssen sowieso von uns selbst erbracht werden“, so die Vereinsvorsitzende. Ganz abgesehen von Extra-Ausgaben wie kleinen Ausflügen oder Freibadbesuchen für die Kinder, die mit ihren Müttern im Frauenhaus wohnen, oder sporadische Yogastunden für die Frauen.
Auch wenn man denken könnte, dass solche Angebote nicht überlebenswichtig sind, für die Frauen hätten sie große Bedeutung, betont Johanna Zerer. „Das sind zutiefst verunsicherte Frauen, die oft ihr ganzes Leben lang keine Wertschätzung erfahren haben, ihnen tut das unheimlich gut. Wir stärken sie auf allen Ebenen.“
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Um das alles überhaupt stemmen zu können, ist das hauptamtliche Team des Frauenhauses, das mit fünf Vollzeitstellen auskommen muss, auf die Mithilfe von ehrenamtlichen Helferinnen angewiesen. „Da haben wir etwa 25 und sie leisten viele, viele Stunden im Haus.“ Sei es bei der Betreuung der Kinder, bei Behördengängen, bei der Suche nach Wohnungen oder der Aufnahme der Frauen, die akut aus ihrem gewalttätigen Umfeld flüchten. Nur so könne man ein Rund-um-die-Uhr-Angebot aufrecht erhalten.
70-Jährige wollte nicht mehr zu ihrem Mann zurück
„Manche Menschen denken allerdings, das Frauenhaus ist eine Art Hotel“, erklärt Angelika Brandstätter. „Das ist aber überhaupt nicht der Fall“, stellt sie richtig. „Die Frauen zahlen Miete, versorgen sich selbst, putzen und waschen ihre Wäsche.“
Auffallend ist laut Johanna Zerer, dass die Zahl der älteren Frauen zunimmt und damit auch die Anforderungen an das Frauenhausteam. „Wir hatten beispielsweise eine 70-Jährige, die nach einem Krankenhausbesuch nicht mehr zu ihrem gewalttätigen Ehemann zurückkehren wollte“, sagt Zerer. „Für sie mussten wir auf die Schnelle einen Rollator organisieren.“ Der wiederum mit Spenden finanziert werden musste. Eine 85-Jährige wurde von der Polizei ins Frauenhaus gebracht – sie benötigte sogar einen Rollstuhl. Die Verantwortlichen sind deshalb froh darüber, dass sie beizeiten dafür gesorgt haben, dass im Frauenhaus ein barrierefreies Zimmer zur Verfügung steht.
Auch wenn nicht immer alles ganz einfach ist – insbesondere was die Finanzen angeht – baut das Frauenhaus auf seine haupt- und ehrenamtlichen Mitarbeiterinnen. „Das Team ist einfach richtig gut, genauso wie die Stimmung. Wir haben auch nie Schwierigkeiten, neue Leute zu finden“, so Johanna Zerer. Sie würden eine Atmosphäre schaffen, in der auch mal gelacht und schöne Feste gefeiert würden, sagt Angelika Brandstätter. „Die Frauen, die bei uns Zuflucht suchen, lernen so Situationen kennen, die sie stark machen, dass es ohne Gewalt sehr schön sein kann und man miteinander lachen kann.“
HK
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