Krisentreffen ergebnislos
Kindergarten-Eltern auf den Barrikaden: Beitragserhöhung sorgt weiter für Ärger

12.09.2022 | Stand 22.09.2023, 5:46 Uhr

Zankapfel Zulage: Viele Vorwürfe muss sich Markus Schneider (hinten, links) anhören. Die Eltern werfen ihm vor, als Geschäftsführer der Kita-gGmbH eigenmächtig – und zu ihren Lasten – den Erzieherinnen mehr Geld versprochen zu haben. Foto: Luff

Von Volker Luff

Die geplante Beitragserhöhung sorgt bei den Eltern der Kindergartenkinder in Greding (Landkreis Roth) weiter für Ärger. Für die Zulage für die Erzieherinnen sollen sie mit höheren Gebühren aufkommen. Die Eltern gehen nun auf die Barrikaden, das angesetzte Krisentreffen blieb nun ergebnislos.



Am vergangenen Samstag ist der katholische Kindergarten St. Martin 50 Jahre alt geworden, er wurde am 10. September 1972 in der Ära von Bürgermeister Albert Lux eingeweiht – noch unter der Bezeichnung Caritas-Kindergarten. In diesen fünf Jahrzehnten war der Ärger der Eltern, die ihren Nachwuchs dort betreuen lassen, über die Einrichtung niemals so groß wie heute. Dass der Großteil von ihnen gegen eine Entscheidung des Trägers schriftlich Widerspruch eingelegt hat, spricht Bände. Ein Treffen der Eltern mit Markus Schweizer, dem Geschäftsführer der Katholischen Kindertageseinrichtungen Ingolstadt gemeinnützige GmbH (Kita-gGmbH) sollte die Wogen glätten. Hat sie aber nicht. Eher im Gegenteil.

„Ich freue mich riesig, dass die Hütte so voll ist“, sagte Sabine Meyer, die Vorsitzende des Elternbeirats, angesichts der mehr als 70 Menschen, die sich im Saal drängten. Gekommen waren fast alle Eltern, Erzieherinnen, viele Mitglieder des Gredinger Stadtrats – und nicht zuletzt Geschäftsführer Schweizer. Der betonte, es sei selbstverständlich für ihn, dass er einer solchen Einladung folge, das gehöre zu seinem Job. Auch wenn es nicht die angenehmste Seite sei. Freundliches Murmeln im Auditorium. Doch das sollte sich im Lauf des Abends ändern.

Vergleich mit Nachbarkommunen

Anlass des Treffens war die zugesagte Zulage für die Erzieherinnen: Weil die Stadt Ingolstadt diese dem Betreuungspersonal bezahlt, hat die Kita-gGmbH diesen Aufschlag allen Angestellten versprochen. In Greding – wie auch in nahezu allen Kommunen im Landkreis Eichstätt – sollen die Eltern das Geld dafür aufbringen. Trotz geltender Verträge, die etwas anderes sagten, so die Argumentation des Elternbeirats. Da sei es kein Wunder, „dass die Eltern auf die Barrikaden gehen“, sagte Sabine Meyer schon in ihren einleitenden Worten. Ohnehin höhere Gebühren – plus die Zulage: Das sei einfach zu viel, auch im Vergleich innerhalb der Gemeinde Greding und den Kindergärten in Nachbarkommunen.

Schweizer, der wusste, dass er sozusagen auf der Anklagebank vor wütenden Eltern sitzen werde, versuchte zu beruhigen. Er gehöre dem Jugendhilfeausschuss in Ingolstadt an, sagte er. In dieser Funktion habe er vehement versucht, die Zulage zu verhindern. Letztlich vergeblich. Als sich Ingolstadt im Mai pro Arbeitsmarktzulage entschieden hatte – ein „sinnloser Beschluss“, wie Schweizer wertete –, habe er „versucht, die anderen Bürgermeister analog zu Ingolstadt dafür zu gewinnen“. Sprich: Ihm wäre es am liebsten gewesen, die anderen Kommunen, in denen die Kita-gGmbH Kindertagesstätten betreibt, hätten den Aufschlag bezahlt. Die lehnten aber samt und sonders ab. Einzig Kipfenberg übernimmt laut Schweizer die Zulage einmalig im September, ab Oktober sind auch hier die Eltern gefragt.

Klare Fronten

Die Fronten waren an diesem Abend klar: Markus Schweizer auf der einen Seite, der die bestehende Gebührenordnung abändern will, um die Zulage zahlen zu können. Und die Eltern auf der anderen Seite, die darauf verweisen, dass der Betreuungsvertrag von beiden Seiten im Mai unterzeichnet worden ist – bestehende Verträge dürfe man nicht eigenmächtig ändern. Zwar gebe es eine Klausel, dass der Elternbeitrag abgeändert werden dürfe, doch in der sei verankert, dass der Elternbeirat vorab angehört werden und man hernach die Interessen beider Seiten abwägen müsse. „Wir haben für das laufende Jahr einen gültigen Vertrag“, beharrte ein Vater in der Diskussionsrunde – und erhielt dafür tosenden Beifall. „Sie haben sich weder an die vorgeschriebenen Prozesse noch an geltende Gesetze gehalten“, warf Josef Schalk vom Elternbeirat – er moderierte den Abend – Markus Schweizer vor. Der hielt dagegen, es sei alles rechtens.

Warum denn ausgerechnet die Eltern die Zulage aus eigener Tasche bezahlen sollten, wollte Schalk wissen. Wenn die Kita-gGmbH als Arbeitgeber sich pro Zulage entschieden habe, solle sie diese gefälligst auch aus eigener Tasche bezahlen. „Ich habe keine andere Finanzierungsquelle“, sagte Schweizer. 85 Prozent der Kosten, die in einer Kita anfielen, seien ohnehin Personalkosten, „10 Prozent mehr sprengen den Rahmen“. Die Zulage sei durch das Vorgehen Ingolstadts aber nötig, da die Gefahr bestehe, dass Erzieherinnen aus dem Umland lieber nach Ingolstadt gingen, statt nach Greding oder den Kreis Eichstätt. Er müsse dafür sorgen, dass dieser Fall eben nicht eintrete, „wenn wir kein Personal haben, können wir Ihre Kinder nicht betreuen“, sagte er den Eltern. Aktuell seien bei seiner gGmbH ohnehin schon 25 Stellen zu besetzen.

Diskussion uferte aus

Ein Argument, das Moderator Schalk mit einer Rechnung zu entkräften suchte: Er ging vom Nettobetrag aus, den das Personal letztlich in der Tasche haben würde und sagte angesichts der derzeitigen Spritpreise: „Davon kann man 10,7 Kilometer am Tag fahren.“ Es sei nicht zu erwarten, dass wegen dieses Betrags plötzlich der Run auf freie Stellen in Ingolstadt einsetzen würde.

Im Lauf des Abends uferte die Diskussion dahingehend aus, dass viel von Frust und emotionalen Verletzungen die Rede war, der Blick war eher auf die verfahrene Ist-Situation als auf die Zukunft und mögliche Lösungen gerichtet. Bis es einigen Eltern im Publikum zu viel wurde. „Wir sind hier, um eine Lösung zu finden“, mahnte ein Vater an. Genau daran hakte es allerdings weiterhin. „Ich habe kein Interesse, diese Situation zu eskalieren“, versuchte Geschäftsführer Schweizer zu beruhigen – „ich werde keinen Betreuungsvertrag kündigen.“ Auch werde er die Personalstärke im Kindergarten St. Martin nicht reduzieren, versprach er auf Nachfrage. Für einige Eltern klang dies so, als ob er bereit sei, eben doch auf den höheren Elternbeitrag zu verzichten, sie hakten nach. Nein, das werde er nicht tun, so Schweizer. Ob man letztlich eben doch vor Gericht ziehen und die Rechtmäßigkeit der Beitragserhöhung überprüfen lassen müsse – die Antwort auf diese Frage blieb Schweizer schuldig. Das Format dieses Abends war für ihn „nicht geeignet, Lösungen zu finden“. Er sei auch nicht mit einem konkreten Vorschlag nach Greding gefahren, „ich bin heute hier als Hörender“.

Zu hören bekam er dann tatsächlich einige Ideen, wie sich beide Seiten annähern könnten. So räumte Schweizer an einer Stelle ein, dass die gGmbH durchaus ungeplante Überschüsse erziele, wenn eine freigewordene Stelle nicht sofort wiederbesetzt werden könne. Das Geld fließe in die Rücklagen für den Bauunterhalt, erklärte er. Das Personal habe doch das Geld erwirtschaftet, indem es in dieser Zeit mehr gearbeitet habe, hielt ein Vater entgegen. „Die haben es sich verdient“, sagte er. Also solle man es eben für die Zulage verwenden.

Ein weiterer Vorschlag war, die Kita-gGmbH solle im jetzt neuen Kindergartenjahr auf die Zulage verzichten. Zum einen gebe es Verträge, die bis zum Sommer 2023 gelten würden, die unsichere Rechtslage müsste also keine Rolle spielen. Zum anderen könne sich jeder, der wolle, in diesem Jahr um eine alternative Betreuungsmöglichkeit umsehen. Das sei wegen der Kurzfristigkeit – die Eltern erfuhren davon am letzten Tag vor den Ferien – diesmal nicht möglich gewesen.

„Stadt und Kirche schieben sich gegenseitig Schuld zu“

Andere Eltern versuchten, die Kommune ins Boot zu holen. Schließlich sei das Problem der relativ hohen Gebühren im Kindergarten St. Martin schon länger gegeben, vor allem wegen der Eigentumsverhältnisse, wie Sabine Meyer sagte. Als Elternbeiratsvorsitzende habe sie schon 2019 versucht, hier etwas zu ändern. Ohne Erfolg. Stadt und Kirche schöben sich nur immer wieder gegenseitig den Schwarzen Peter zu. Die Idee, die jetzt aufkam: Es gibt eine Defizitvereinbarung; erwirtschaftet der Kindergarten ein Minus, müsste dies die Kommune zu 80 oder 90 Prozent – man war sich nicht sicher – aus der eigenen Kasse ausgleichen. So würde die Stadt Greding, die das Zahlen der Arbeitsmarktzulage bereits abgelehnt hat, „durch die Hintertür“ verpflichtet, doch dafür geradezustehen, so Schweizer. Er lehne dies ab.

Stadtratsmitglied Gert Sorgatz (FDP) wies darauf hin, dass die Stadt ein etwaiges Defizit nur dann übernehmen könne, wenn sie die Zahlen kenne; Schweizer müsste also die Bücher offenlegen. Das lehnte dieser aber rundweg ab, selbst in nichtöffentlicher Stadtratssitzung wolle er dies nicht tun. Er müsse das auch nicht, sagte er – schließlich erwirtschafte er kein Defizit. Damit brachte er das Publikum endgültig gegen sich auf. Durch die Zulage entstehe schließlich ein Minus, so einige Eltern. Sie wollten es an die gGmbH weitergeben, die es ihrerseits an die Stadt weitergeben könne. Doch der Geschäftsführer ließ sich nicht umstimmen, nicht einmal die Zusage entlocken, er werde auf die Stadt zugehen. Woraufhin sich die Versammlung prompt ohne greifbares Ergebnis auflöste.

HK