Besonderes Challenge-Team
Familie aus den USA kämpft sich mit behinderter Tochter über Triathlon-Distanz

Die US-Amerikanerin Beth James kämpft sich zusammen mit ihrer behinderten Tochter Liza über die Triathlon-Langdistanz

02.07.2022 | Stand 22.09.2023, 21:40 Uhr

Ein eingespieltes Team mit Hilpoltsteiner Unterstützung: Beth James, Tochter Liza und Ehemann David sind während der Challenge-Tage am Auhof zu Gast. Dominic Portisch hat die Unterkunft für die Familie aus den USA organisiert und ausgestattet. Foto: De Geare

Von Viola De Geare

Beim Challenge-Triathlon geht es seit jeher nicht nur um den Sieg und Bestzeiten, sondern auch um Teilhabe. Immer wieder nehmen auch Athleten teil, die eine Behinderung haben – egal ob körperlich, geistig oder seelisch.



In diesem Jahr ist zum ersten Mal ein ganz besonderes Team dabei: Team Liza besteht aus Mutter Beth James (57) und ihrer behinderten Tochter Liza (25), die gemeinsam die Langdistanz bewältigen wollen, zur Seite steht ihnen dabei Beths Ehemann David (68), der im Hintergrund unterstützt.

In der Hilpoltsteiner Einrichtung für Menschen mit Behinderung, am Auhof, hat das Team eine gute Unterkunft gefunden, wo Liza alle Gegebenheiten hat, die sie braucht, um sich wohl zu fühlen. Darum gekümmert hat sich ein Hilpoltsteiner: Dominic Portisch ist Heilerziehungspfleger, seit 1993 selbst begeisterter Triathlet und Gastgeber für Athleten aus aller Welt. Als sich die Challenge-Veranstalter bei ihm wegen einer Unterkunft erkundigte, fragte der 48-Jährige gleich am Auhof nach. In der Heilpädagogischen Tagesstätte wurde er fündig – hier stehen wegen Renovierungsarbeiten aktuell einige Räume leer, die er mit wenig Aufwand in eine barrierefreien Unterkunft für das dreiköpfige Team Liza verwandeln konnte.

„Ich wünschte, wir hätten so gute Einrichtungen zuhause“



Seit Dienstag ist die Familie nun in Hilpoltstein zu Gast und fühlt sich sehr wohl. „Ich wünschte wir hätten ähnlich gute Einrichtungen in den USA“, sagt Mutter Beth. Dominic Portisch berichtet, dass die Familie es sehr genießt, hier zu sein. Auch wenn Tochter Liza ihrer Freude mit lautem Schreien Ausdruck verleihe, ernten sie hier keine irritierten Blicke – ganz im Gegenteil, die Bewohner nehmen das Triathlon-Familienteam mit offenen Armen auf, haben sich gar schon gefragt, ob hier eine neue Bewohnerin angekommen sei.

Wenn das Team Liza an diesem Sonntag an den Start geht, dann ist es fast auf den Tag genau 18 Jahre her, dass ein schwerer Unfall das Leben von Beth James und ihrer Familie unwiderruflich veränderte. In ihrer Heimat im US-Bundesstaat Oklahoma war die Familie mit drei Kindern gerade auf dem Nachhauseweg von einer Feier zum Unabhängigkeitstag, als sie in ein illegales Autorennen geriet. Beth wollte abbiegen, aber sah die auf sie zurasenden Autos zu spät, das Familienauto wurde gerammt.

Ihre zwei älteren Kinder überlebten den Unfall nur leicht verletzt, aber die damals fünfjährige Tochter Liza schlug mit dem Kopf gegen die Innenseite des Fahrzeugs und erlitt schwere Kopfverletzungen. Obwohl die Familie aus dem brennenden Auto entkommen konnte, war Liza nach dem Unfall schwer behindert. Auch wenn sie heute mit Unterstützung wieder ein wenig laufen kann, so kann sie nicht sprechen, sich anderweitig ausdrücken oder nur annähernd ein eigenständiges Leben führen.

Der Sport als Hilfe, um wieder nach vorne zu blicken

Auch heute noch kommen Beth die Tränen, wenn sie über diese schwere Zeit in ihrem Leben spricht. Geholfen, wieder nach vorne zu blicken, hat ihnen der Sport, aber auch der Zusammenhalt als Familie. Beth war schon vorher sportlich aktiv, hat 1999 ihren ersten Ironman-Wettkampf absolviert und öfter an Marathons oder kürzeren Distanzen teilgenommen. Der Unfall war auch hier eine Zäsur.

„Liza war sehr schwach nach dem Unfall, klein, konnte ihren Kopf nicht mehr aufrecht halten. Für mich war der Sport damals die Rettung. Ich habe aber schnell beschlossen, nachdem es für Liza wieder möglich war, sie mit zu den Rennen zu nehmen“, erklärt Beth. „Ich brauchte das“, sagt sie heute. Und wenn sie spricht, merkt man, auf wie vielen Ebenen sie das meint. Es half ihr, nach dem Unfall wieder nach vorne schauen zu können – aber vor allem half es auch Liza. Jedes gefinishte Rennen brachte das Team Liza einen Schritt weiter in Richtung Zukunft. Zunächst begann es mit Lauf-Events, fünf Kilometer, zehn Kilometer, irgendwann Marathons.

2013 lernte Beth dann ihren heutigen Ehemann David kennen, die beiden wurden ein Paar und David adoptierte Liza sogar. „Liza ist ein Engel. Sie hat meinem Leben damals einen neuen Sinn gegeben“, sagt er heute. Auch David hat einen sportlichen Hintergrund, lief Marathon, ein perfektes Match für die ganze Familie. Mit seiner Unterstützung wagten sie sich 2014 an den ersten gemeinsamen Triathlon, dem schon viele weitere folgten.

Im Boot und auf einem speziellen Rennrollstuhl

Die Challenged Athletes Foundation (CAF) unterstützt in den USA Athleten mit Behinderung bei ihrem Sport und veranstaltet selbst Events . Bei einem solchen Wettkampf traten auch Beth, Liza und David zum ersten Mal in Kalifornien als Triathlon-Team an. Denn: „Es geht nur im Team“, sagt Beth. Beim Schwimmen zieht Beth Liza in einem speziellen Boot hinter sich her, mit dem sie mit einem Geschirr verbunden ist. Spätestens aber, wenn es aufs Fahrrad geht, wird das erste Mal Davids Hilfe benötigt. Er hebt Liza aus dem Boot und trägt sie zu dem speziellen Rennrollstuhl, der für das Radfahren auch an das Triathlonrad von Beth angehängt wird. Dann geht es auf die Strecke.

Beim nächsten Wechsel der Disziplin wird der Rollstuhl wieder vom Fahrrad abgekoppelt und ein drittes Rad vorne eingesetzt, so dass Beth den Wagen vor sich her schieben kann. Rund 60 Kilogramm hat sie dabei als Gepäck dabei. „Liza ist sehr leicht, dadurch kann ich das noch immer machen“, erklärt Beth, gibt aber auch zu, dass es natürlich sehr anstrengend ist. Doch für ihre Tochter macht sie das gerne möglich. „Liza fühlt sich dabei so wohl, dass sie während dem Schwimmen manchmal sogar einschlummert“, berichtet Beth. „Wenn Liza ruhig ist, dann passt alles und sie genießt. Sie beschwert sich eigentlich nur, wenn ihr der Wind zu sehr ins Gesicht weht“, ergänzt Vater David „oder wenn man anhält. Das mag sie gar nicht, sie liebt es, schnell unterwegs zu sein.“

Für Liza sind die Wettkämpfe tolle Events, die ihr Leben bunter machen, Beth möchte das so lange machen, wie es ihr nur möglich ist. „Wir tun das vor allem für Liza“, erklärt David. „Es geht dabei nicht um uns, sondern darum, ihr das zu ermöglichen und auch, um für Inklusion zu werben.“

Zuhause in den USA lebt Liza auch nicht in einer Einrichtung, sondern zuhause mit ihren Eltern – in ihrem Heimatort Crested Butte in Colorado ist sie bekannt und beliebt. Ihre Eltern kümmern sich selbst um die Pflege, Vater David ist Rechtsanwalt und kann von zuhause arbeiten. Mutter Beth kauft beruflich renovierungsbedürftige Häuser, richtet sie wieder her und verkauft sie. In den vergangenen Jahren hat sie über 30 Häuser behalten, die sie nun vermietet – um so auch für Liza vorzusorgen. Die beiden älteren Geschwister haben inzwischen eigene Familien gegründet, Beth und David sind bereits sechsfache Großeltern, aber Beth möchte Liza abgesichert wissen, so dass die Familie sich auch um sie kümmern kann, wenn die Eltern es nicht mehr können.

Zwei Jahre Geduld gefragt wegen der Pandemie

Noch ist es aber nicht soweit, noch geht das Team Liza bei Triathlons an den Start. Allerdings musste die Familie wegen Corona erst einmal zwei Jahre warten, bis sich nach der Einladung des Rother Challenge-Team der Traum jetzt erfüllen konnte. An diesem Sonntag ist es nun endlich so weit. Die Strecke haben sie bereits erkundet, das Equipment wird am Samstagabend ein letztes Mal gecheckt, die Startnummer 2000 an Bike und Wagen montiert und dann fehlt nur noch eine „gute Mütze Schlaf“.

Das Challenge-Team hat das Team Liza übrigens auch für weitere Events eingeladen. „Kommt vorbei, wann immer ihr wollt“, habe die Einladung gelautet, berichtet Beth. „Ich bin so dankbar, dass wir dabei sein dürfen und dass sich Dominic so gut um uns kümmert und wir diese tolle Unterkunft hier gestellt bekommen“, sagt Beth. Bei so viel Gastfreundschaft ist es wohl nicht das letzte Mal, dass das Team Liza in Roth an den Start geht.

HK