50 Jahre Landkreis Roth
„Die Zukunft haben wir noch nie verschlafen“

Herbert Eckstein sieht 50 Jahre nach der Gebietsreform den Landkreis Roth bei Schulen und Arbeitsplätzen gut aufgestellt

14.05.2022 | Stand 23.09.2023, 1:23 Uhr

Viele Gespräche, viele kleine Bausteine: Für Herbert Eckstein macht gerade diese bodenständige Vielfalt den Landkreis Roth aus. Foto: Kofer

Von Robert Kofer

Hilpoltstein/Roth – Für Herbert Eckstein ist der Landkreis Roth zweifellos eine Erfolgsgeschichte. „Dass wir jetzt 50. Geburtstag feiern, ist doch ein Zeichen dafür, dass der Landkreis gut dasteht.“ Das ist nicht zuletzt das Verdienst von Landrat Eckstein selbst. Seit 1993 steht der Sozialdemokrat an der Spitze des Landkreises. Er ist mittlerweile der dienstälteste Landrat in ganz Bayern. Im September 2023 geht seine Amtszeit zu Ende. Zeit für eine Bilanz und einen Ausblick.

Zum Fototermin hat Eckstein eine Idee: In einer Nische im Seiteneingang zum Landratsamt steht eine dreieckige Pappsäule, die ihm Wegbegleiter zum Jubiläum „20 Jahre Landrat“ geschenkt haben. Sie ist voll mit Bildern – und zu jedem kann Eckstein etwas erzählen. „Walter Landkammer kommt oft vor“, sagt er. Der umtriebige Leiter der Blaskapelle Jahrsdorf nötigt Eckstein Bewunderung ab. Als er auf einem Foto Markus Söder neben sich erkennt, entfährt ihm ein „Oh. Das muss ich sofort umdrehen.“ Auf den CSU-Ministerpräsidenten ist der Landrat seit der Standortsuche für das ICE-Instandhaltungswerk nicht gut zu sprechen. Nach einem undurchsichtigen Verfahren stehen plötzlich nur noch drei Standorte zur Auswahl – alle im Landkreis Roth. „Da hat Söder sich massiv eingemischt“, kritisiert Eckstein. Da sei jede Objektivität in Frage gestellt. „Für so ein Großprojekt ist das die schlechteste Vorbereitung, die ich je erlebt habe. Egal, was dabei rauskommt, der Einfluss der Landespolitik ist sehr deutlich sichtbar.“

Überhaupt ist Eckstein kein Freund langwieriger Prozesse und von Ränkespielen hinter den landespolitischen Kulissen, die manche Entwicklung im Kleinen ausbremsen. Wie zum Beispiel den Bau des Gymnasiums in Wendelstein. Jahrzehntelang hatte das bayerische Kultusministerium dessen Notwendigkeit bezweifelt, da hatte der Landkreis längst das Grundstück erworben und stand in den Startlöchern. Erst im September 2012 gab es grünes Licht von der Staatsregierung. Allerdings durfte die neue Schule nur klein anfangen. Doch der Zulauf war – wie erwartet – so enorm, dass die Schule gleich aus allen Nähten platzte und keine fünf Jahre nach der Eröffnung bereits erweitert werden musste. Auch hier hatte der Landkreis – in Person von Alexander Wernard, Sachgebietsleiter Gebäudeverwaltung – bereits vorgesorgt und einen Plan für die Erweiterung schon seit dem Neubau in der Schublade.

„Ich habe immer versucht zu verwirklichen, was wir verwirklichen können“, sagt der gestandene Kommunalpolitiker Eckstein. Und das war aus seiner Sicht eine ganze Menge. Der Ausbau der Kreisklinik in Roth, der Jugendzeltplatz in Stockheim, die Sanierung sämtlicher Landkreisschulen, die Erweiterung der Berufsschule, die Einführung der Wirtschaftsschule in Greding, die Gründung der Energieagentur (ENA) im Jahr 1995 und der Unternehmerfabrik zwei Jahre später – gegen viele Widerstände, die ENA sogar erst nach einer Kampfabstimmung im Kreistag.

Aus Ecksteins Sicht alles „Meilensteine“. Wie die Initiative „Original – Regional“ zur Direktvermarktung heimischer Produkte. „Da haben sie uns damals ausgelacht“, erinnert sich Eckstein. Heute gehören ihr 31 Regionalinitiativen aus der gesamten Metropolregion an. Solche bodenständigen Projekte findet Eckstein wesentlich sinnvoller als hochtrabende Pläne mit wohlklingenden Namen: „Wir brauchen keine schönen, glatten Worte, sondern ehrliche Arbeit.“

Kleine und mittlere Betriebe zu unterstützen, die bereits im Landkreis sind, das sei viel wichtiger als die Ansiedlung von Großinvestoren, findet Eckstein. Dorfwirtschaften, Bäcker, Metzger sind in seinen Augen wesentlich wichtiger für den Zusammenhalt der Menschen als ein Konzern wie Amazon.

„Unsere Erfolgsstory ist eine vielfältige Gewerbestruktur“, sagt Eckstein. Die große Zahl an Familienbetrieben würden für Nachhaltigkeit sorgen, auch weil diese sich mit ihrer Gemeinde identifizierten. Deswegen müsste man im Landkreis qualifizierte Fachkräfte ausbilden. „Eine kleine Fachhochschule bringt da nicht viel, da ist die Berufsschule wichtiger“, sagt Eckstein. Und die ist ständig erweitert worden. 1996 startete die Fachschule für Informatik, 2012 für Elektromobilität und 2020 für Maschinenbautechnik. „Da waren wir immer der Zeit voraus“, sagt Eckstein. Außerdem entscheide der Freistaat über die Ansiedlung von Fachhochschulen, für die Berufsschule trage der Landkreis die Verantwortung.

„Wichtig ist die Beständigkeit“, sagt Eckstein. Und die Vielfalt im Landkreis. Die habe er schon verstanden, bevor er 1993 im Alter von 37 Jahren etwas überraschend gegen den CSU-Kandidaten Hugo Mailinger die Wahl gewonnen hat. „Ich bin ja nicht unbefleckt gewesen“, erzählt Eckstein. Als Fußball-Schiedsrichter ist er viel herumgekommen, er war Kreisvorsitzender der Bayerischen Sportjugend und im Kreisjugendring engagiert. Im Alter von 22 Jahren saß er bereits im Gemeinderat von Wendelstein, wurde später SPD-Fraktionssprecher und Mitglied im Kreistag. „Diese Kärrnerarbeit war wichtig, um den Landkreis zu begreifen“, sagt Eckstein rückblickend.

Doch nicht alles in seiner Amtszeit war rosig. Als die ICE-Trasse kam, musste Eckstein für die Regionalbahnhöfe in Allersberg und Kinding kämpfen, die von der Bahn nicht geplant waren. Die Schließung der kleinen Krankenhäuser in Greding, Thalmässing, Abenberg und Hilpoltstein fällt dagegen voll in die Verantwortung des Landkreises. Am schwersten sei ihm die Schließung des ehemaligen Krankenhauses in Hilpoltstein im Jahr 1999 gefallen. „Das hat mich emotional sehr berührt.“ Da habe er viele Drohbriefe bekommen, auch Morddrohungen. Er habe damals in dem Haus an der Burg ein ambulantes OP-Zentrum einrichten wollen, sei mit der Idee aber leider gescheitert.

„Im Nachhinein waren es richtige Entscheidungen“, sagt Eckstein heute über die Schließungen. Man habe lieber auf eine leistungsfähige Kreisklinik in Roth gesetzt, die ständig modernisiert wurde und wird. 1998 kam die Geriatrie dazu, 2002 wurde sie unter der Leitung von Werner Rupp zum Kommunalunternehmen. Es kamen die beiden Gesundheitszentren und die Palliativstation dazu. 2030 soll die rund 125 Millionen Euro teure Sanierung der Kreisklinik abgeschlossen sein.

„Wir verschlafen keine Themen“, sagt Landrat Eckstein und meint damit nicht nur den Ausbau der Kreisklinik. Und weil der Landkreis finanziell gut aufgestellt sei, könne man sich auch einiges leisten. Wie die Schulsozialarbeit. An allen Schulen des Landkreises widmet sich inzwischen eine Sozialpädagogin den Problemen von Schülerinnen und Schülern. Bezahlt vom Landkreis. „Ohne Fördermittel“, wie Eckstein betont. Aber notwendig. Da die Corona-Pandemie gezeigt habe, „dass viele junge Leute mit ihrem Leben nicht mehr klarkommen“. Es fehlt das wichtige Gemeinschaftserlebnis in Vereinen und im Sport.

Als große Zukunftsthemen sieht Eckstein die Pflege, neue Wohnformen im Alter und vor allem die Energiewende. „Wenn wir die hinbringen wollen, sind gewaltige Veränderungen beim Verkehr nötig.“ Dabei müssten die Lösungen für die öffentlichen Verkehrsmittel individuell gestaltet werden, so dass sie für die Kreisstadt Roth ebenso passen wie für Waizenhofen.

HK