Landkreis Roth
Der Hausärztechef rät: Die Grippe so ernst nehmen wie Corona

Verhaltene Nachfrage nach neuen Omikron-Impfstoffen – Influenza trifft auf „vergessliche“ Immunabwehr

21.09.2022 | Stand 21.09.2022, 18:19 Uhr

Der an die Omikron-Variante angepasste Impfstoff ist da – die Nachfrage hält sich aber auch im Landkreis Roth in Grenzen. Foto: dpa

Von Richard Auer

Hilpoltstein/Roth – Seit diesem Mittwoch gibt es überall in Deutschland den neuen, angepassten Impfstoff gegen Corona, der insbesondere Menschen ab 60 Jahren empfohlen wird. Im Landkreis Roth scheint die Nachfrage aber bisher recht verhalten zu sein. Die betroffenen Bevölkerungsschichten haben sich anscheinend schon vorher die vierte Auffrischungsimpfung geben lassen und damit aktuell keinen Bedarf. Mindestens genauso wichtig sei jetzt vielmehr eine Grippeimpfung, sagt der Mediziner Jürgen Büttner aus Roth, der stellvertretende Vorsitzende des Bayerischen Hausärzteverbands.

Stefan Schmitzer, der Leiter des Gesundheitsamts im Landratsamt Roth, sagte am Mittwoch: „Die Nachfrage nach den angepassten Präparaten gegen die Omikron-Variante hält sich in Grenzen, schon allein deswegen, weil sich an den Empfehlungen grundsätzlich nichts geändert hat.“ Es werde ausdrücklich nicht der breiten Bevölkerung eine zusätzliche Impfung gegen Corona empfohlen. Und: „Diejenigen, die eine Auffrischung haben wollen, die haben sie schon und sind damit völlig ausreichend versorgt. Wer sich mit der herkömmlichen Impfung ausreichend hat impfen lassen, ist gut geschützt.“

Damit sei auch der neue, modifizierte Impfstoff „jetzt nicht das große Thema“, sagt Schmitzer, „weder im Impfzentrum in Roth noch bei den Hausärzten“. Zu den neuen Impfstoffen hat der Gesundheitsamts-Chef eine klare Meinung: „Bei der Wirkung ist da kein großer Unterschied. Das bringt nur ist eine geringfügige Besserung und ist jetzt nicht der Durchbruch.“ Am Impfstoff – auch an den neuen Vakzinen – wird es im Landkreis Roth nach Schmitzers Ansicht keinerlei Mangel geben: „Er ist mit Sicherheit in ausreichender Menge da.“

Ins gleiche Horn bläst Jürgen Büttner in Roth. Als stellvertretender Vorsitzender des Bayerischen Hausärzteverbands kennt er die Situation auch im Landkreis sehr genau. „In den letzten Tagen steigt die Nachfrage etwas an, aber es gibt keinen Hype“, sagt er über die neuen Impfstoffe und kritisiert zugleich die Art und Weise, wie bisher über das Thema informiert worden ist: „Zuvor gab es eine riesengroße Verunsicherung, weil die Kommunikation über diese verschiedenen Impfstoffe für den Laien sehr irreführend war.“ Erst am Dienstag habe sich die Ständige Impfkommission (Stiko) endlich zu einer klaren Aussage zum Thema Viertimpfung durchgerungen. Wie Büttner erklärt, sind die allerneuesten Vakzine bei BA.4/BA.5 nur minimal effektiver als der bereits etablierte Omikron-Impfstoff für BA.1. Er kann deswegen allen nur raten: „Nehmen Sie den Impfstoff, den Ihre Hausarztpraxis Ihnen anbietet! Der Unterschied ist marginal.“ Viel entscheidender wäre, so Büttner, wenn sich die Menschen, denen überhaupt die dritte Impfung noch fehle, „endlich einen Ruck gäben“ und sich einen der angepassten Corona-Impfstoffen geben ließen.

Und noch etwas schreibt er den Menschen im Landkreis ins Stammbuch: „Unterschätzt die Grippe nicht!“ Also die klassische Influenza, die jährlich um Weihnachten herum als gefährliche Tröpfcheninfektion die Menschen heimsucht. „Wenn jetzt eine Influenza-Welle kommt, haben wir ein anderes Problem“, sagt Büttner. Denn in den vergangenen Corona-Jahren habe die Grippe wegen der vielfältigen Abstands- und Hygieneregeln eine Pause eingelegt, das Immunsystem sei hier deswegen nicht mehr auf dem aktuellen Stand und „vergesslich“ geworden – durch eine Grippeschutzimpfung werde es „trainiert“. Eine Grippeschutzimpfung empfiehlt Büttner nicht nur allen Menschen über 60 Jahren, sondern generell jedem, der viel mit anderen Menschen in Kontakt kommt. Man solle diese Impfung „auf jeden Fall gleich im Oktober“ durchführen lassen und nicht abwarten: „Denn plötzlich ist Weihnachten – und an Silvester hängen dann alle mit Grippe in den Seilen.“ Corona und Grippe: „Man sollte das zumindest gleichwertig ernst nehmen.“

HK