Hilpoltstein/Erlangen
„Beispielhaft für ein unsinniges Prestigeprojekt“

30 Jahre nach der Eröffnung des Main-Donau-Kanals kritisiert der Bund Naturschutz geplante Schleusenneubauten

04.12.2022 | Stand 04.12.2022, 10:02 Uhr

Das „Jahrhundertbauwerk“ braucht schon nach 50 Jahren enorme Sanierungsmaßnahmen: Der Bund Naturschutz kritisiert, dass die beiden Schleusen des Main-Donau-Kanals auf Erlanger Stadtgebiet neu gebaut werden sollen. Die ersten Kostenschätzungen laut BN: weit über 600 Millionen. Foto: BN

Hilpoltstein/Erlangen – In diesem Herbst hat sich die Inbetriebnahme des Main-Donau-Kanals zwischen Bamberg und Kelheim zum 30. Mal gejährt. Nach Auffassung des Bund Naturschutz gibt es 30 Jahre nach der Eröffnung nicht nur keinen Anlass zum Jubel, sondern ganz im Gegenteil die Feststellung: „Der Main-Donau-Kanal steht beispielhaft für ein unsinniges und naturzerstörendes Prestigeprojekt.“

Weil die wirtschaftliche Bedeutung des Kanals in den vergangenen Jahren eher noch weiter abgenommen habe und der Güterverkehr auf der Wasserstraße weiterhin nur einen Bruchteil der ursprünglich aufgestellten Prognose umfasse, kommt die Naturschutzorganisation in ihrer Mitteilung zu folgendem Fazit: „Dieser Kanal ist die teuerste Freizeitwasserstraße der Welt und die teuerste Wasserüberleitung, die nur für diese Zwecke niemals hätte gebaut werden dürfen.“

Auch durch die immer deutlicher werdenden Folgekosten werde der ursprüngliche politische Traum zum ökologisch-ökonomischen Alptraum. „Daher fordert der Bund Naturschutz, aus dem Kanal-Desaster die Lehren zu ziehen, auf flächenfressende Prestigeprojekte zu verzichten und endlich mit dem Flächensparen zu beginnen“, sagt der Ehrenvorsitzende Hubert Weiger. „In den letzten Jahren kommen im Zuge der Klimakrise auch noch monatelange Niederwasserstände in den Flüssen hinzu, die oft nur eine geringe Beladung der Güterschiffe zulassen und die zeigen, wie anfällig das System der Güterschifffahrt mittlerweile ist“, so Weiger.

„Diese Eingriffe in die Natur sind nicht ausgleichbar“

Schon Anfang der 1970er- Jahre hatte sich der Bund Naturschutz (BN) insbesondere gegen den Bau des rund 100 Kilometer langen Kanalabschnitts zwischen Nürnberg und Kelheim gewandt. Denn es sei erkennbar gewesen, dass die Querung der europäischen Hauptwasserscheide zwangsläufig mit gewaltigen Natureingriffen verbunden sei und der Kanal durch hochwertige Landschaften wie das Altmühltal führen sollte. „Daher war absehbar, was nun im Rückblick Gewissheit geworden ist: Gerade dort sind wertvollste Biotopflächen und Kulturlandschaften für dieses Prestigeprojekt geopfert worden. Und viele der mit dem Bau des Kanals verbundenen Eingriffe in die Natur sind nicht ausgleichbar und können damit auch nie ausgeglichen sein.“

Schleusen in Erlangen sollen nebenan neu gebaut werden

Für die 171 Kilometer lange Gesamtstrecke des Kanals zwischen Bamberg und Kelheim mussten insgesamt 16 riesige Schleusenbauwerke errichtet werden. Dabei sind die beiden über 50 Jahre alten Schleusen auf Erlanger Stadtgebiet, die Schleuse Kriegenbrunn und die Schleuse Erlangen, schon seit längerer Zeit marode und sollen nun jeweils nebenan völlig neu gebaut werden.

„Nun zeigt sich, dass das sogenannte Jahrhundertbauwerk Main-Donau-Kanal schon nach wesentlich kürzeren Zeiträumen saniert werden muss und dabei erneut erhebliche Eingriffe in Natur und Landschaft sowie empfindliche Waldverluste verursacht, die in Zeiten der Klimakrise äußerst kritisch zu sehen sind“, sagt Rainer Hartmann, Vorsitzender der BN-Kreisgruppe Erlangen. „Außerdem verursachen die geplanten Baumaßnahmen wiederum gewaltige Kosten. So liegen die Kostenschätzungen für die beiden Schleusen zusammengenommen bereits bei weit über 600 Millionen Euro.“

ICE-Werk soll laut BN in den Nürnberg Hafen

Auf der anderen Seite sei der Kanal bei weitem nicht zu dem wirtschaftlichen Erfolg geworden, den man sich erhofft hatte. „Entlang des Kanals hat kein großer Industriebetrieb eröffnet. Im Gegenteil: Ein ursprünglicher Hauptumschlagsplatz, das Kohlekraftwerk Franken II in ErlangenFrauenaurach, wurde schon vor 20 Jahren stillgelegt.“ Der groß ausgelegte Hafen Nürnberg wird derweil laut BN vielfach von Lkw-Speditionsunternehmen und Firmen mit hohem Flächenanspruch genutzt. Der Güterumschlag vom und zum Schiffsverkehr sei auch hier abnehmend und falle selbst hinter Zahlen der 1980er-Jahre zurück. Der BN fordert daher, das bei Nürnberg geplante ICE-Instandhaltungswerk anstatt an derzeit vorgesehenen Standorten im Bannwald im Bereich des Hafenbeckens anzusiedeln und von dort notfalls auch einige Betriebe zu verlagern.

HK