Pfaffenhofen
Zwischen Zeitenwende und Modernisierung

Umbrüche und Veränderungen in Pfaffenhofen im frühen 19. Jahrhundert

30.11.2022 | Stand 18.09.2023, 22:34 Uhr

Diese Darstellung Pfaffenhofens zeigt eine kolorierte Zeichnung der Stadt (circa 1830) von Osten mit dem Stadtgraben und dem Hungerturm sowie der Ilm im Vordergrund und den nahe an die Stadt heranreichenden Wiesen. Foto: Stadtarchiv, Sauer

Pfaffenhofen – Pfaffenhofen erlebte in einer Zeit des Umbruchs zu Beginn des 19. Jahrhunderts große Veränderungen.

Die Folgen der von 1792 bis 1815 dauernden Koalitionskriege, während der Bayern 1806 durch Kaiser Napoleon zum Königreich erhoben wurde und ein erheblich vergrößertes Territorium erhielt, zugleich aber unter Truppendurchzügen und hohen Entschädigungszahlungen an die Franzosen litt, waren auch in Pfaffenhofen spürbar und wirkten bis in die 1830er- Jahre nach.

Ein Jahrzehnt voller Katastrophen

Das erste Jahrzehnt des 19. Jahrhunderts war geprägt von wiederholten Einquartierungen französischer Soldaten. In fünfstelliger Zahl waren sie in der damals rund 1700 Einwohner zählenden Stadt und auf den umliegenden Feldern untergebracht. Die Bevölkerung musste ihnen neben Geld auch Nahrungsmittel, Getreide und andere Güter liefern und verarmte zusehends.

Die Lage verschlimmerte sich durch vier Brände binnen zwölf Jahren. Im Februar 1806 gelang es den Stadtbewohnern mit vereinten Kräften, ein um Mitternacht beim Kramerbräu entstandenes Feuer zu löschen. Selbst Frauen und Kinder stellten sich in die Wasserkette, um die Löscheimer zum Brandherd durchzureichen. Quasi als Kommandant fungierte der Benefiziat und Schullehrer Simon Thaddäus Thiermayr vom Dach eines Hauses aus. Während dieser Zeit grassierte zudem ein Nervenfieber, das mehrere Todesopfer unter der Bevölkerung forderte und eine Familie mit dem Verlust von vier Personen besonders stark betraf.

Wesentlich dramatischere Ausmaße nahm ein Großbrand im Sommer 1813 an. Am 30. Juni zog ein schweres Gewitter mit Sturm auf. Ein Blitz schlug in einen Stadel des Weinwirts Franz Xaver Meillinger am Hauptplatz ein, wodurch das dort lagernde Heu und Stroh sofort Feuer fingen. Dieses griff rasch auf die umliegenden Gebäude über. Drei Brauereien – Sigl, Franzbräu und Amberger – sowie zwei Wohnhäuser und zahlreiche Wirtschaftsgebäude wurden ein Raub der Flammen, Menschen kamen glücklicherweise nicht zu Schaden. Der „Franzbräu“ Philipp Köck jedoch verlor seinen gesamten Besitz und verstarb im folgenden Jahr.

Innovative Handwerksbetriebe

Das Handwerk hatte stark unter den schwierigen Zeitumständen zu leiden. Viele der 173 Gewerbetreibenden, die 68 verschiedene Berufe ausübten, konnten kaum von ihrer Profession leben. Auch die oft starke Konkurrenz untereinander, etwa bei elf Bierbrauern, zehn Schneidern und acht Bäckern, hemmte den Geschäftsbetrieb. Doch es gab auch einige innovative Köpfe, die mit ungewöhnlichen Ideen Erfolg hatten.

Ein Verfertiger von Rosenkränzen, der sich um 1800 in Pfaffenhofen niedergelassen hatte, war bald so erfolgreich, dass er sein Geschäft erweitern konnte und für seine „Betermacher“ sogar Abnehmer in Frankreich fand. Der in der Münchener Straße ansässige Bürstenbinder Jakob Baumeister erweiterte sein Unternehmen 1826 um eine Niederlassung in München. Der Schönfärber Anton Unger (Frauenstraße 34) wiederum erwarb von einem niederländischen Dekateur (Veredler von Stoffen) eine Anlage, die es erlaubte, „auf englische Art“ alte Kleidungsstücke und wollene Stücke aufzufrischen.

Der Hopfenanbau erlangte trotz im Jahr 1802 erfolgter, vielversprechender Ansätze bei Pfaffenhofen noch keine größere Bedeutung. Auch Fabriken oder größere Betriebe entstanden erst nach dem Bau der Eisenbahn 1867.

Eine karitative Initiative: Die Rumford-Suppenanstalt

Kritisch entwickelte sich während der Koalitionskriege die Lage bei der ärmeren Stadtbevölkerung. Ihr drohte der Hungertod, da Lebensmittelknappheit und Teuerung herrschten. Auf Initiative mehrerer Bürger richtete die Stadt deshalb im Jahr 1811 eine „Rumford-Suppenanstalt“ ein. Die wärmende Mahlzeit war einfach herzustellen und zugleich nahrhaft, sodass den Menschen schnell geholfen werden konnte. Spender aus dem gehobenen Bürgerturm engagierten sich bei dieser bis 1819 bestehenden Einrichtung, die auch half, das auf den Ausbruch des indonesischen Vulkans Tambora folgende „Jahr ohne Sommer“ 1816 zu überstehen.

Persönlichkeiten der Zeit

Auch in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts gab es Menschen, die auf ganz unterschiedliche Weise Spuren hinterließen oder in der Erinnerung der Bevölkerung blieben. Eine schillernde Figur war der gebürtige Pfaffenhofener Augustin Schwarz (1791 bis 1842). Bekannt als Lehrer und als Zeichner mehrerer Stadtansichten aus der Zeit um 1830, sorgte sein temperamentvoller und durchsetzungsstarker Charakter auch für einigen Wirbel. So versuchte er den Magistratsrat Anton Sonntag mit 50 Gulden dafür zu gewinnen, für seine Festanstellung als Lehrer in Pfaffenhofen zu votieren. Aufgrund wiederholter „Exzesse“ in Wirtshäusern zögerte man seitens der Stadt lange, Schwarz anzustellen, auch „… weil der Charakter des Schwarz nicht schön ist, indem er sich über seine Vorgesetzten lustig macht“.

Sein Einsatz um die Musikpflege in Pfaffenhofen war dagegen vorbildlich. Er kümmerte sich sehr um musikalischen Nachwuchs und gewann manch gute Kraft als Sänger und Solisten für den Chor.

Bekanntheit erlangte in den 1830er-Jahren der Landgerichtsarzt Franz Andreas Ott. Über seine eigentlichen medizinischen Aufgaben hinaus war er als Autor und Herausgeber von medizinischen Büchern bekannt. Sein „Lehrbuch der chirurgischen Instrumenten- und Verbandlehre“ wurde mehrfach aufgelegt und für die Universität Leyden sogar ins Holländische übersetzt. Zudem fungierte er als Herausgeber der „Zeitschrift für Landärzte und Chirurgen“ und widmete sich schon damals homöopathischen Themen.

Mit spektakulären Auftritten am Baugerüst für die Kirchturmrenovierung des Jahres 1827 machte der Zimmerergeselle Michael Thumann auf sich aufmerksam. Mutig kletterte er von einem Balken auf den nächsten und belegte sie mit Brettern. Schließlich hielt er sich, an der Turmspitze angekommen, mit einer Hand am Kreuz fest, umschlang mit der anderen Hand den Steigbaum und band diesen an. An den gefährlichsten Stellen war er tätig, ohne abzustürzen. Gebannt beobachteten viele das abenteuerliche Geschehen in gut 70 Metern Höhe.

Eine unentdeckte und spannende Epoche

So bildete die erste Hälfte des 19. Jahrhunderts, oft romantisierend als „Vormärz“ oder „Biedermeierzeit“ bezeichnet, eine Phase wichtiger Weichenstellungen in Europa, für das Königreich Bayern, aber auch in Pfaffenhofen. Das Aussehen der Stadt, seit 1807 ohne den prägenden Mauerring, und das Lebensumfeld der Menschen begannen sich bereits damals stark zu verändern. Dieser Wandel führte in die Zeit der Technisierung mit den damit verbundenen vielschichtigen Auswirkungen.

PK



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PK