Pfaffenhofen
Wie die Gebietsreform Pfaffenhofen geprägt und vor neue Herausforderungen gestellt hat

Auf zwölffache Fläche angewachsen

30.06.2022 | Stand 22.09.2023, 21:43 Uhr

Der Pfaffenhofener Stadtrat (Foto oben) fasste 1971 einen Beschluss zur Eingemeindung von zehn vormals eigenständigen Dörfern.

Von Andreas Sauer

Pfaffenhofen – Vor genau 50 Jahren, am 1. Juli 1972, fiel in zahlreichen Gemeinden die Entscheidung, in welcher Zusammensetzung und unter welcher Zugehörigkeit ihre künftige Entwicklung verlaufen sollte. Ein Blick zurück auf den Ablauf der Gebietsreform in Pfaffenhofen zeigt einige Besonderheiten, die die weitere Entwicklung der Stadt bis heute prägen sollten.

Eberstetten als erster Neuzugang

Nach der Möglichkeit für zu kleine Kommunen, sich bereits zum 1. Januar 1971 einer größeren Gemeinde anzuschließen, sollte der zweite Termin drei Monate später erstmals die Stadt Pfaffenhofen betreffen: Im Fall von Eberstetten kristallisierte sich bei den Beratungen allerdings heraus, dass die Gemeinde nicht geschlossen an Pfaffenhofen fallen sollte. Die Bewohner des östlich gelegenen Ortsteils Frickendorf orientierten sich nach Schweitenkirchen, sodass neben Eberstetten noch die Ortsteile Weihern, Zweckhof und Siebenecken mit insgesamt 220 Einwohnern zur Stadt kommen sollten.

Nachdem sich zunächst Stadt- und Gemeinderat für diese Variante entschieden hatten, fehlte noch das Votum der Bürger von Eberstetten für den Beitritt. Mit einem Ergebnis von 115:1 bestätigten sie die Entscheidung für Pfaffenhofen, das damit erstmals die 10000-Einwohner-Marke überschritt. Bereits mit diesem Zugewinn verdoppelte sich die Fläche Pfaffenhofens. Eberstettens letzter Bürgermeister Josef Seidl, seit 1966 im Amt, wurde bis zu den nächsten Kommunalwahlen im Juni 1972 als beratendes Mitglied in den Stadtrat aufgenommen, um die Belange „seiner Gemeinde“ vorbringen zu können. Frickendorf kam wie vorgesehen nach Schweitenkirchen.

Im elf Punkte umfassenden Eingemeindungsvertrag waren die Konditionen festgelegt. So übernahm die Stadt die Darlehen der Altgemeinde über gut 200000 Mark für Wasser- und Straßenbau, das Jagdrevier Eberstetten blieb erhalten und Hausschlachtungen waren dort weiterhin erlaubt. Und jeder Pfaffenhofener „Neubürger“ erhielt als Willkommensgruß seitens der Stadt beim kommenden Frühlingsfest eine Einstandsmaß spendiert.

Eingliederungswelle im Jahr 1972

Um mehr Schwung in die Eingemeindungsbereitschaft der benachbarten Kommunen zu bekommen, stieß Stadtrat Willihard Kolbinger (SPD) im März 1971 eine Werbeaktion für einen Beitritt zu Pfaffenhofen an. Die Aktion war bei der Mehrheit der angeschriebenen Gemeinden erfolgreich, jedoch zeigten sich ausgerechnet die unmittelbaren Nachbarn Förnbach, Hettenshausen, Niederscheyern und Mitterscheyern nicht interessiert – und auch Affalterbach zögerte noch.

Der Stadtrat fasste schließlich einen Eingemeindungsbeschluss, der zehn Gemeinden zum 1. Juli 1971 den Beitritt ermöglichen sollte, finanzielle Zuschüsse für ihre Belange waren ihnen dabei zugesichert. Pfaffenhofen würde einen Zuwachs von gut 3500 Menschen erhalten. Schnell zum Beitritt bereit waren die Gemeinden Angkofen, Ehrenberg, Gundamsried, Sulzbach (ein Teil sollte zu Scheyern kommen), Tegernbach, Uttenhofen, Walkersbach und Haimpertshofen. Sie brachten der Stadt 2400 neue Mitbürger und einen Flächengewinn von 7200 Hektar – das Zwölffache der ursprünglichen Ausdehnung.

Die Abstimmung unter den Bürgern der neuen Stadtteile verlief mehrheitlich eindeutig, lediglich in Haimpertshofen (59 Prozent Zustimmung) und Uttenhofen (70 Prozent) blieb die Quote unter 80 Prozent. Das ursprünglich angedachte Beitrittsdatum musste man jedoch nach hinten verlegen: Auf Empfehlung des Innenministeriums beschloss der Stadtrat, bei gleichbleibenden Förderungsbedingungen die acht Eingemeindungen vom 1. Juli 1971 auf den 1. Januar 1972 zu legen. Der frühere Termin war organisatorisch nicht haltbar.

Mit sämtlichen Gemeinden wurden Verträge mit den jeweiligen Bedingungen des Beitritts ausgehandelt. Nachdem sich Förnbach, wo eine anonyme, kritische Flugblattaktion kurzzeitig für Unruhe gesorgt hatte, im Oktober 1971 mit einer Zustimmung von 66 Prozent für Pfaffenhofen entschieden hatte, gehörten schließlich zehn ehemals eigenständige Gemeinden zur Stadt.

Neue Herausforderungen für Pfaffenhofen

Seitens des Stadtrats und der Verwaltung war man sich bewusst, dass die Zugewinne einen erheblichen Verwaltungsaufwand mit sich bringen würden. So mussten etwa für die Neubürger die Meldekarten der Altgemeinden übernommen und auf das eigene System übertragen werden. Auf das städtische Bauamt kamen zahlreiche Bauanträge zu, wobei die fehlende Erschließung der Grundstücke in den Ortsteilen einen erheblichen Aufwand mit sich brachte. Auch die für den 11. Juni 1972 angesetzte Kommunalwahl warf ihre Schatten voraus. Die Einrichtung von jetzt zwölf Stimmbezirken und die Ausstellung mehrerer Tausend Wahlunterlagen für rund 9700 Wahlberechtigte mussten bewerkstelligt werden. In diese Zeit fiel zudem der verspätete Beschluss der Gemeinde Affalterbach, zum 1. Juli 1972 doch noch zu Pfaffenhofen zu gehen.

Neben den neuen, deutlich gewachsenen Gemeindegrenzen der Stadt (in Oberbayern besaß zeitweise nur München mehr Fläche als Pfaffenhofen) und einer Vielzahl an neuen Grundstücken, Straßen und Wegen wirkte sich die Gebietsreform auch auf die Größe des Stadtrats aus. Er setzte sich künftig wegen der Zunahme der Bevölkerung auf über 10000 aus 25 Mitgliedern (bisher 17) zusammen.

Auf Initiative von Bürgermeister Jakob Sanwald startete der Stadtrat im November 1971 eine Besichtigungstour durch die zum Jahreswechsel an die Stadt fallenden Gemeindeteile, um sich ein Bild vor Ort zu machen. Dabei kristallisierten sich die Hauptaufgaben Straßenausbau, Kanal, Wasserversorgung und Müllabfuhr heraus. Die finanzielle Situation der Gemeinden stellte sich höchst unterschiedlich dar: Lediglich zwei von ihnen waren schuldenfrei, einzelne verzeichneten dagegen eine hohe Verschuldung von bis zu 1500 D-Mark je Bürger. Sie lag damit dreimal so hoch wie die der Stadt selbst. Tegernbach wurde von Bürgermeister Sanwald damals als „Schmuckstück“ und lukrativste Erwerbung gesehen. Eine Besonderheit bildete die Gemeinde Sulzbach. Mit ihren 14 verstreut liegenden Ortsteilen und ohne Gemeindezentrum umfasste sie ein ausgedehntes Straßen- und Wegenetz, das ausgebaut werden musste.

Start der neuenGroßgemeinde

Nach den Kommunalwahlen, die mit Anton Schranz (FWG) einen neuen Bürgermeister brachten, erhielten die nicht im Stadtrat vertretenen neuen Ortsteile die Möglichkeit, über von ihnen gewählte Ortssprecher ein Bindeglied zu Stadtrat und zur Verwaltung zu erhalten. Diese Aufgaben übernahmen Anton Burghard für Ehrenberg, Franz Kaindl für Uttenhofen und Jakob Hölzl für Affalterbach.

Ein deutlich verstärkter Verwaltungsapparat der Stadt – bis dahin hatten im Bauamt vier Mitarbeiter ausgereicht– hatte nun durch den gewachsenen Aufgabenbereich wie auch durch die gut 3000 neuen Gemeindemitglieder und den erheblichen Zuwachs an landwirtschaftlichen Flächen eine Fülle an zusätzlichen Aufgaben zu bewältigen.

Die Gebietsreform war für Pfaffenhofen jedoch noch nicht abgeschlossen. Das umworbene Hettenshausen, insbesondere wegen seines mit Pfaffenhofen zusammengewachsenen Ortsteils Reisgang für die Stadt interessant, beharrte auf seiner Selbstständigkeit und benötigte diesen Gemeindeteil selbst dringend. Hettenshausen schloss sich schließlich mit Ilmmünster zu einer Verwaltungsgemeinschaft zusammen.

Im Fall von Niederscheyern kam es schließlich noch zur von Pfaffenhofen gewünschten Lösung: Dieser Ortsteil, zeitweise von Hettenshausen umworben, entschloss sich unter seinem Bürgermeister Josef Axthammer wegen der baulichen und wassertechnisch bereits bestehenden Verbindung mit Pfaffenhofen zum 1. Mai 1978 für den Beitritt zur Kreisstadt, die damit ihren letzten Zugang verzeichnen konnte.

Damit war das Stadtgebiet in seiner heutigen Form neu abgesteckt. Einerseits war die Kommunalgebietsreform aufgrund der in den 1960er Jahren einsetzenden Entwicklung Bayerns mit der Massenmotorisierung und der Notwendigkeit eines umfassenden Straßenausbaus, mit einer starken Bautätigkeit und den neuen Herausforderungen an die Verwaltung unumgänglich. Andererseits ging für die Bewohner der aufgelösten Gemeinden der direkte und persönliche Draht zum Bürgermeister „vor Ort“ verloren, der Weg in die Behörden wurde weiter und schuf auch im übertragenen Sinne mehr Distanz. Umso wichtiger war und ist für sie die Tätigkeit der Ortssprecher als Bindeglied zu Stadtrat und Verwaltung.

Der „status quo ante“ vor der Gebietsreform ist übrigens an zwölf Stellen bis heute sichtbar: Die historischen Burgfriedensteine der Stadt markieren Punkte der alten Grenze von Pfaffenhofen, wie sie bis zur Gebietsreform 1972 bestanden hatte.

PK