Pfaffenhofen
Warum die Heimat ist, wie sie ist

ENTDECKEN UND ERLEBEN: Wie man als historischer Laie auf den Spuren der Geschichte wandeln kann

03.09.2022 | Stand 22.09.2023, 6:07 Uhr

Kaum bekannte Ecken, die Geschichte versprühen, gibt es vielerorts – hier die Grabengasse (manchmal auch „Teufelsgässchen“ genannt) in Pfaffenhofen, die Historiker Frieder Leipold gerne für etwas Extra-Grusel bei Stadtführungen ansteuert. Im Gespräch mit unserer Zeitung gibt er Tipps, wie man die Geschichte der Heimat auf eigene Faust entdecken kann. Foto: Kraus

Von Michael Kraus

Pfaffenhofen – Geschichte ist allgegenwärtig. Zumindest unter der Erde: Wer in Puch wohnt, hat beispielsweise ein vorgeschichtliches Gräberfeld vor der Haustüre. Zwischen Streitberg und Niederthann finden sich Spuren einer mittelalterlichen Befestigung. Und bei Engelbrechtsmünster Siedlungsspuren aus der Bronzezeit. Auch über der Erde ist Geschichte allgegenwärtig – in Kirchen, Kapellen, historischen Ortskernen.

Warum also in die Ferne schweifen? Mit etwas Recherche findet man leicht die notwendigen Informationen für einen historischen Ausflug ins Grüne, einen Spaziergang auf einem alten Pilgerweg oder eine Geschichtsschnitzeljagd zu den Bodendenkmälern des eigenen Heimatorts. „Da stößt man auf Dinge, von denen man gar nicht wusste, dass sie existieren“, sagt Frieder Leipold über den Reiz der Heimatforschung: Der 46-jährige Pfaffenhofener ist Historiker, Kunsthistoriker und Stadtführer – und gibt gerne Tipps, wie man als Laie selbst auf den Spuren der Geschichte wandeln kann.

Wer beispielsweise wissen will, ob der seltsam gleichmäßig geformte Hügel im Wald ein vorgeschichtliches Grab oder die rechteckige Senke eine Keltenschanze ist, der wird auch im Internet fündig – und zwar unter www.blfd.bayern.de, wo der Bayrische Denkmal-Atlas als interaktive Karte verfügbar ist. Für tiefergehende Informationen hingegen braucht es den Gang in die Bücherei – denn es gibt viel Literatur den Landkreis Pfaffenhofen betreffend, die nach Gemeinden oder Ortschaften sortiert ist. Leipolds erster Tipp: „Denkmäler in Bayern – Landkreis Pfaffenhofen a.d. Ilm“ , herausgegeben vom Bayerischen Landesamt für Denkmalpflege (1992). Es beschreibt die Ensembles und Denkmäler aller Gemeinden oder bestimmte Epochen mit konkreten Beispielen – wenn sich Kinder beispielsweise gerade für Römer oder Ritter interessieren. „Man braucht nicht lange suchen, um etwas Passendes zu finden“, versichert Leipold. Etwa am alten Höhenweg bei Göbelsbach, wo sich 27 prähistorische Hügelgräber finden sowie – mit Blick Richtung Paartal – eine Hügelanlage, hinter der manche eine römische, andere eine mittelalterliche Befestigungsanlage vermuten.

Denjenigen, die weniger Bodendenkmäler in der Natur bei Spaziergängen entdecken, sondern ihre Ortschaften kennenlernen wollen, kann der Historiker ebenfalls das passende Buch empfehlen: Es trägt den etwas trockenen Namen „Historisches Ortsnamenbuch von Bayern – Oberbayern – Landkreis Pfaffenhofen a.d.Ilm“. Doch das Werk von Friedrich Hilble, 1983 herausgegeben von der Kommission für bayerische Landesgeschichte, gilt trotz seiner fast 40 Jahre als Standardwerk für örtliche Heimatforscher: Zu fast jedem noch so kleinen Dorf findet sich ein kurzer historischer Überblick – einschließlich Verweisen auf historische Quellen. „Das ist ein ganz wissenschaftlicher Ansatz, um in die Heimatforschung hineinzuschnuppern“, erklärt Leipold.

Für Laien gefälliger und reich illustriert ist Leipolds dritte Buchempfehlung: „Kunst im Landkreis Pfaffenhofen a.d.Ilm – Architektur. Skulptur. Malerei“ von Klaus Kratzsch, 2006 vom Landkreis herausgegeben, bietet eine kunsthistorische Reise quer durch den Landkreis – und wartet ebenfalls mit einem kleinteiligen Ortsnamen-Register auf. „Das sind die drei Bücher, die ich auf jeden Fall empfehlen würde“, rät Leipold. Aber es gibt natürlich noch mehr.

Und wie kam es, dass Leipold selbst zum Heimatforscher wurde? „Mich interessiert, wo ich lebe“, sagt der 46-Jährige, der derzeit im Palamusto-Programm der EU in Belgien forscht. Durch die Beschäftigung mit anderen Städten habe er gelernt, seine Heimatstadt nicht mehr als gegeben zu sehen – sondern als Ergebnis ihrer geschichtlichen Ereignisse und Wendungen. Und das seien doch die interessanten Fragen: Warum schaut die Ortschaft so aus? Was verraten Siedlungsstruktur und Gebäude? „Die Aha-Momente sind großartig“, sagt Leipold. Wenn man zum Beispiel das erste Mal sieht, dass die historische Rathausfassade in Pfaffenhofen deshalb in Bögen gegliedert ist, weil dort einst Tore waren, durch die Gespanne auf die Hopfenwaage im Innern fuhren. „Das schöne an der Beschäftigung mit der Geschichte ist das kindliche Staunen“, sagt er – und das gebe es auch bei Erwachsenen immer wieder. Immer dann, wenn man begreift, warum die eigene Heimat ist, wie sie ist.

PK