Sie waren Pioniere, die Gründer der Herzsportgruppe im TV Geisenfeld, als sie vor 40 Jahren die Idee umsetzten, eine Turnabteilung für ganz besondere Menschen zu gründen. Nämlich jene, bei denen man sportliche Aktivität lange Zeit für ein Tabu hielt: Menschen mit Herz-Kreislauferkrankungen.
Anton Kaufmann war es, der – inzwischen fast 86 Jahre alt und immer noch aktiver Übungsleiter – bei einem eigenen Kuraufenthalt erstmals mit einer solchen sanften Art der gymnastischen Bewegung in Berührung kam. Zusammen mit Hans Wagner, dem damaligen Vorsitzenden des TV Geisenfeld, und Mitstreiter Karl-Heinz Kunkel setzte er den Plan in die Tat um und ist seitdem einer der Übungsleiter, die an jedem Montag von 18.30 bis 19.30 Uhr zwischen 15 und 20 Mitturnern eine Stunde lang mit Humor und flotter Musik im Hintergrund Spaß an Bewegung vermitteln.
Beim Besuch der Heimatzeitung ist diesmal der große Pezzi-Ball das Arbeitsgerät eines jeden Teilnehmers. Darauf sitzend schwingen die Männer und Frauen die Arme, trainieren sich in sanften Dehn- und Koordinationsübungen – und bestimmen dabei ihr Trainingstempo selbst.
Manche Übungen sind für Herzsportler tabu
„Es ist wichtig, auf jeden Teilnehmer einzugehen, ihn nicht zu überfordern,“ erklärt Petra Fersch, die seit einigen Monaten qualifizierte Herzsporttrainerin ist. „Manche Sachen sind tatsächlich tabu: Über-Kopf-Übungen oder Übungen, bei dem starkes Pressen notwendig ist, wie etwa Sit Ups“, erklärt sie am Rande des Geschehens. Die Teilnehmer – manche starten mit den Übungen schon kurz nach einer Operation – könnten sich selbst sehr gut einschätzen, betont Petra Fersch.
Das müssen sie auch, denn leider, so bedauert auch TV-Vorsitzender Harry Bruckmeier, finde sich seit einigen Jahren kein Arzt mehr, der die Gruppe betreut – weshalb die frühere „Koronargruppe“ genau genommen jetzt zu einer „Nachsorgegruppe“ mutiert sei. Dennoch ist Bruckmeier stolz darauf, dass der TV Geisenfeld schon vor 40 Jahren die Wichtigkeit einer solchen Sportmöglichkeit erkannte und bei der Gründung einen Defibrillator – das war damals Voraussetzung, um überhaupt starten zu können – anschaffte. Ein solcher hängt heute noch, natürlich regelmäßig gewartet, griffbereit im Turn-Nebenraum, musste aber glücklicherweise noch nie zum Einsatz kommen.
Auch nach zwei Infarkten noch sportliche aktiv
Wer in diese besondere Turnstunde am Montag kommt, tut dies freilich nicht ohne Grund: Seit 38 Jahren und damit am aller längsten als Teilnehmer mit dabei ist Johann Neumeier. Auch zwei Herzinfarkte in den Jahren 1985 und 1990 haben ihn nicht abgehalten, sportlich aktiv zu bleiben. Fit hält sich der mittlerweile 72-Jährige, bei dem ein Problem des Fettstoffwechsels Ursache der koronaren Herzerkrankung sind, auch mit Tischtennis und Tanzen. Die montäglichen Trainingseinheiten der Nachsorgegruppe aber will er nicht missen.
„Das hier ist ganz etwas Tolles“, schwärmt auch Maria Renkl von der Nachsorgegruppe im TV. Sie hatte erst in diesem Jahr eine schwere Herz-Operation. Sieben Wochen danach hat sie mit dem Training in der Gruppe begonnen. Die 69-Jährige geht es langsam an, kennt ihre Grenzen. „Aber es ist so schön, dass ich die Möglichkeit habe, wohnortnah meine Genesung selbst zu unterstützen.“
Christa Gut, die zusammen mit ihrem Mann die Übungsstunden besucht, ist schon seit dem Jahr 2007 dabei, angefangen hat sie eigentlich erst als Begleitung ihres Mannes Karl, bevor sie selbst Herzpatientin wurde. Deshalb kannte sie die Gruppe schon und möchte sie nicht missen.
Genauso Dieter Strasser, ehemaliger Gemeinderat aus Ernsgaden. Der heute 75-Jährige hat vor 15 Jahren einen Stent bekommen. „Es tut einfach gut“, beschreibt er die Übungen, die er regelmäßig besucht.
Der momentan jüngste Teilnehmer der Herzsportler ist mit 63 Jahren Albert Lachermeier. Schwindel und Kurzatmigkeit brachten ihn zum Kardiologen. Im Herzzentrum München bekam er kurz nach der Diagnose eine neue Herzklappe und mehrere Bypässe. Jetzt nimmt er sich Zeit für seine Genesung. Ein wichtiger Schritt dorthin sind für ihn die regelmäßigen Übungseinheiten, die er in der hiesigen Herzgruppe lernt.
GZ
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