Pfaffenhofener Original
Vom Mopedraser zum Oldtimer-Doktor: Rennfahrer Albert Straßer ist gestorben

Das Pfaffenhofener Original Albert Straßer ist am vergangenen Wochenende gestorben

29.06.2022 | Stand 22.09.2023, 21:46 Uhr
Erhard Wallenäffer

Albert Straßer in Aktion: Am vergangenen Wochenende ist die Pfaffenhofener Speedway-Legende gestorben. Foto: privat

Von Erhard Wallenäffer

Pfaffenhofen – Albert Straßer, als Speedwayfahrer einst ein Pfaffenhofener Aushängeschild und eben für viele ein Original, starb am letzten Wochenende im Alter von 73 Jahren.



Wer sind sie, die Pfaffenhofener Originale? Es gibt gewiss einige Persönlichkeiten, die man spontan in die Kategorie „Einmalige Erscheinungen“ einordnen möchte – und der Straßer Albert müsste dazugehören: „Virtuose, Motorsportlegende und ein ewiger Optimist – gute Fahrt, Albert!“ Abschiedsworte, die Stadtrat Markus Käser in einem sozialen Netzwerk postete.

„Erzählst du wieder davon, wie du dich selber überholt hast?“ Scherzhaft hat ein Fan diesem Satz Albert Straßer zugeschrien, passiert ist das auf irgendeinem Rennplatz in Bayern. Um den Albert hatten sich gerade wieder ein paar Zuschauer versammelt – und wie immer berichtete er gut gelaunt vom Fotografen, dem er in Plattling den Fuß kaputtgefahren hat, vom polnischen Superstar, den er in Krumbach verseilt hat oder von dem Szenario, als er dem Weltmeister Egon Müller unter dem Vorderrad durchgefahren ist. „Wie ein bunter Hund“, das traf auf den Straßer Albert ganz gewiss zu, denn ihn kannte und mochte einfach jeder, der sich für Speedway- und Sandbahnrennen begeistert.

Seine persönliche Sternstunde

Oft genug war in seiner Nähe allgemeines Grinsen angesagt, denn: Immer nur gewinnen, das konnte auch ein Straßer nicht. Über das Hinterherfahren redete er aber erst gar nicht, dafür aber fast in Dauerschleife über seine persönliche Sternstunde. Am 6. Mai 1973 war nämlich in Pfaffenhofen „Straßer-Tag“ – von diesem sprechen seine Fans noch heute, weil ihr Albert über sich hinauswuchs. „Sie waren alle fällig – einer nach dem anderen“, stellte Straßer immer wieder klar, wenn er vom Finallauf der besten Speedwayfahrer des Renntags redete.

Jedes Sandkorn der legendären Pfaffenhofener Highspeed-Piste kannte er freilich – und wie er seine fünf Gegner „anzünden“ konnte, das wusste Albert. „Überholen“ hieß im Straßer-Wortschatz „anzünden“. Fünf Gegner hatte er in den sechs dramatischen Runden. Und alle hatte er nach dem miserablen Start einkassiert. Lohn für die verbissene Fahrt war das Wappen der Stadt Pfaffenhofen auf einer silbernen Platte, welche der gelernte Mechaniker bis zu zuletzt unermüdlich aufpolierte. „Die rund zehntausend Zuschauer drehten völlig durch – ein Wahnsinns-Tag.“ Alberts Augen glänzten immer, wenn er davon erzählte.

„Hinterher habe ich noch zwei Stunden lang Autogramme geschrieben. Mir taten schon die Finger weh“, so schilderte er noch vor wenigen Wochen die Szenen im Stadion. Und gäbe es eine Maschine, mit der man die Zeit zurückdrehen könnte, dann hätte sie Albert Straßer bestimmt als erster gekauft. So gerne erzählte er auch von seinen ersten Lenker-an Lenker-Duellen, die er sich gegen seinen Spezi und zugleich großen Rivalen Sepp Angermüller auf öffentlichen Straßen lieferte: Sie kannten sich noch gar nicht, als sie Mitte der 1960er Jahre ihre Lehre zum Mechaniker machten und zeitgleich die Pfaffenhofener Berufsschule am Schleiferberg besuchten. Albert fuhr ein Kreidler-Moped und dem Sepp gehörte eines der Marke Honda. Beide gaben gerne Gas, aber wer war schneller? Ohne sich wirklich zu verabreden, passte man sich nach dem Unterricht gegenseitig beim damaligen Isar-Amperwerke-Prüfamt ab, denn hier war der „Start“. Die geheime Rennstrecke führte über Förnbach nach Uttenhofen, manchmal sogar bis Rohrbach. Irgendwann bekam die Polizei Wind von diesen wilden Jagden und bremste die beiden „Mopedrocker“ endgültig ein.

Ein Dauerduell vor bis zu 20000 Fans

Straßer gegen Angermüller, das war bald ein Dauerduell – zu Zeiten, als bis zu 20 000 Fans an die Rennbahnen pilgerten. Eindeutig die schnellsten Rennfahrer der Hallertau waren die beiden: Albert kam aus Kleinreichertshofen und der Angermüller Sepp stammte aus Osseltshausen. „Ich durfte nicht an das Startband, weil ich noch nicht volljährig war, dann habe ich dem Sepp mein Motorrad geliehen und es in drei Teilen zurück bekommen“, erzählte Albert einmal. Gelegenheit zur Wiedergutmachung gab es aber plötzlich keine mehr, denn es kam tragisch: Als der Beatle (Angermüllers Spitzname) 1977 bei einem Rennen in Italien tödlich verunglückte, schwor sich Albert, nie mehr auf eine Rennmaschine zu steigen. Doch schon bald packte ihn wieder die Leidenschaft – noch bis 1980 driftete Straßer um die Pisten auf Sand und Gras.

Rennfahrer war er dann nicht mehr – dafür wurde Albert Straßer aber zur Mechaniker-Legende und noch vielmehr zum „Motorendoktor“: Zu seiner Werkstatt in Affalterbach wurden sie ständig gebracht, die wertvollsten Oldtimer im Umkreis von Hunderten Kilometern. Bekannte Politiker, Wirte vom Oktoberfest und andere prominente Leute vertrauten ihre geliebten alten Autos ausschließlich dem Albert an. Er spürte immer auf, was im Argen lag – jeden Haarriss und überhaupt alle möglichen minimalsten Schäden wurden in der Werkstatt vom Straßer Albert entdeckt. Fast immer gab es auch irgendeine Lösung, einen uralten Motor zu retten oder ein Fahrwerk wieder verkehrstauglich zu machen. Dann wurde aber auch geschimpft: Der vermeintliche Murks der Mechaniker, die vor ihm amateurhaft Hand anlegten, brachte Albert regelmäßig in Rage.

Der Name Straßer stand für Perfektionismus

Der Name „Straßer“ stand halt in der Oldtimer-Szene für Perfektionismus. In einer Nacht- und Nebelaktion hatte Albert aber auch einmal die Einzelteile einer völlig demolierten Rennmaschine, zusammengeschweißt. Was passiert war: Ein Speedwayfahrer aus der UdSSR stürzte beim Pflichttraining auf der Pfaffenhofener Bahn fatal. „Rennfahrer müssen zusammenhalten, also entschloss ich mich spontan zu helfen“, betonte Albert danach. Und auch Markus Käser profitierte von Straßers Hilfsbereitschaft: „Er hat meinen schwarzen Golf repariert – problemlos, weil er ja jedes Auto wieder flott bekommen hat“, erzählt der Stadtrat und fügt hinzu: „Als kleiner Bub war ich schon mit meinem Vater in seiner Werkstatt.“ Das Verschwinden der Sandpiste, auf der er das Silberwappen gewann, hat Albert aber sehr getroffen, wie Käser zugibt: „Ununterbrochen hat er in mich eingeredet, dass die Stadt den Neubau einer Bahn maximal unterstützen solle – er hat nicht aufgegeben, so war er halt, der Straßer Albert!“

PK