An diesem Freitag beginnt mit dem Eröffnungsspiel zwischen Deutschland und Schottland (21 Uhr) in München die Fußball-Europameisterschaft 2024. Wir haben uns deshalb in den Vereinen der Region umgehört und mit einigen Spielern und Trainern der Teilnehmernationen über die Aussichten der eigenen Nationalmannschaft, wichtige Spieler und die Turnierfavoriten gesprochen.
Alles zur Fußball-EM 2024 finden Sie hier auf unserer Sonderseite.
Jeremy Manhard (Schweiz), Torwart des Landesligisten TSV Jetzendorf: In der Brust des Jetzendorfer Keepers schlagen während der EM zwei Herzen. Seine Mutter stammt aus der Schweiz, sein Vater aus Deutschland. „Mein Bezug zur Schweiz ist groß, weil ich Verwandtschaft dort habe und ich deswegen auch immer mal wieder dort bin.“ Manhard hofft natürlich, dass beide Nationen die Gruppenphase überstehen. „Für die Schweiz wäre das Viertelfinale ein Erfolg, Deutschland traue ich vom Ausscheiden in der Gruppenphase bis zum Titel alles zu, wobei ich schon optimistisch bin, dass es weit geht.“ Die Schweiz charakterisiert der 26-Jährige als Team, das über die Kompaktheit und die Mentalität kommt. „Sie sind sehr kampfstark und werden sicher versuchen, über schnelles Umschaltspiel zum Erfolg zu kommen.“ Prägende Figur bei den Eidgenossen ist aus seiner Sicht Granit Xhaka. „Er war schon bei Arsenal richtig stark und ist es jetzt auch in Leverkusen.“ Zudem hebt er Manuel Akanji hervor, der bei Manchester City zum Stamm-Innenverteidiger avancierte. Überragend aufgestellt ist die Schweiz aus Manhards Sicht im Tor: „Da haben wir ein ähnliches Luxusproblem wie Deutschland. Es wird wohl Yann Sommer spielen. Für mich ist aber Gregor Kobel noch stärker. Ohne ihn wäre Dortmund in der Champions League nie so weit gekommen.“ Einen Teil der EM wird Manhard übrigens – sollte die Internetverbindung halten – im Zelt irgendwo in den Bergen verbringen. Der Jetzendorfer Keeper überquert gerade zu Fuß die Alpen und ist wohl erst Ende Juni zurück.
enc
• Ali Erbas (Türkei), Spielertrainer des A-Klassisten MBB SG Manching: Der Spielertrainer der MBB SG Manching wünscht sich natürlich, dass die Türkei die Gruppenphase mit Portugal, Tschechien und Georgien übersteht „und glaube auch, dass sie das schafft. Danach ist in den K.o.-Spielen dann für jeden alles drin.“ Erbas weist darauf hin, dass die Türkei den jüngsten Kader aller teilnehmenden Länder besitzt. „Das ist erst mal ein Nachteil in einem solchen Turnier, aber in der Mannschaft steckt sehr viel Potenzial. Die jungen Spieler müssen aber dem Druck standhalten.“ Aus dem türkischen Team heraus stechen aus seiner Sicht Arda Güler von Real Madrid und Kenan Yildiz von Juventus Turin. „Sie haben schon bewiesen, dass sie den Unterschied in einer Partie ausmachen können.“ Und wer holt am Ende den Titel? „Ich kann mich nicht nur auf einen Favoriten festlegen, weil es viele gute Mannschaften gibt“, sagt Erbas. „Portugal, Frankreich und Deutschland sind für mich favorisiert. Die junge türkische Mannschaft sehe ich aber auch als Geheimfavorit.“
• Andrej Kubicek (Kroatien), Spielertrainer des A-Klassisten FC Rockolding: Kubicek glaubt, dass es seine Kroaten in einer Gruppe mit Italien, Spanien und Albanien schwer haben werden. „Aber ein guter dritter Platz reicht ja eventuell auch fürs Weiterkommen.“ Kroatien habe bei den vergangenen Fußball-Großereignissen gezeigt, dass es sich im Turnierverlauf steigern kann. „Und ich hoffe natürlich, dass wir weit kommen, auch, weil es in Deutschland eine große Fanbasis gibt. Public Viewing ist da sehr angesagt. “ Die Stärken der kroatischen Nationalelf liegen laut Kubicek in der Abwehr und im Kurzpassspiel: „Es ist schon fast ein Markenzeichen, dass wir sehr wenige Gegentore kassieren, ein Tor reicht dann zum Sieg oder halt zum Elfmeterschießen. Wenn der Gegner mit Tempo kommt und nach Ballgewinn schnell umschalten kann, haben wir allerdings Probleme.“ Natürlich werde es darauf ankommen, ob gestandene Spieler wie Modric, Gvardiol oder Kovacic ihre Leistung abrufen können. „Doch wir haben auch junge, hungrige Spieler, die hier nicht so bekannt sind. Mit Ante Budimir haben wir zudem wieder einen echten Mittelstürmer, auch wenn er Verletzungsprobleme hatte.“ Als Favorit auf den Titel sieht Kubicek sein Land allerdings nicht. „Natürlich sind die großen Namen wie England oder Frankreich zu nennen, aber mit dem Heimvorteil und dem neuen Trainer ist auch Deutschland ein Titelanwärter. Mein Geheimtipp ist Österreich, wo Ralf Rangnick sehr gute Arbeit leistet.“
gam
• Wojciech Fassl (Polen), Abwehrspieler des Landesligisten TSV Jetzendorf: Mit 15 Jahren ist er von Polen nach Deutschland gekommen. Fan seiner Heimat ist er immer geblieben. In wenigen Tagen geht es für Fassl und seine Familie in die Heimat nach Polen – ein Familienfest fällt genau auf den Spieltag der polnischen Mannschaft. „Das Spiel gegen die Niederlande natürlich heiß am Fernseher verfolgt.“ Dabei macht sich Fassl eigentlich keine großen Hoffnungen für seine Nation: „Auf dem Papier sieht es nicht so rosig aus. Wir haben eine ganz harte Gruppe.“ Seine Polen treffen auf Frankreich, die Niederlande und Österreich. „Aber die Hoffnung stirbt zuletzt. Ich hoffe, dass wir uns durchboxen“, sagt er. „Wir spielen einen sehr einfachen Fußball. Aber seit dem Trainerwechsel machen wir weniger Fehler, das ist ein Vorteil“, so Fassl. „Das Team hat für uns viele großen Namen, aber viele Spieler sind schon lange dabei. Der Kader ist also eher älter“, und ob man so mit sehr starken Nationen mithalten könnte, bezweifelt er. Und wer wird dann die EM gewinnen? „Viele Leute sagen ja Frankreich, weil die immer gewinnen. Aber ich sage Deutschland – wegen Toni Kroos.“
leh
Lavdim Spaija (Albanien), Spieler des Kreisklassisten BC Uttenhofen: Obwohl Spaija in Deutschland aufgewachsen ist, hat er auch eine große Verbundenheit zum Herkunftsland seiner Familie, Albanien. Genau genommen stammt seine Familie aus Kosovo-Albanien. „Meine Vorfahren haben früher die Balkan-Region bewohnt“, erzählt er. Dort haben sich die Albaner ausgebreitet, unter anderem im Kosovo. „Ich bin jedes Jahr noch im Kosovo bzw. in Albanien und besuche meine Familie“ erzählt Spaija. Bei der EM drückt er Deutschland und Albanien die Daumen: „Wenn Deutschland gut startet und Selbstvertrauen tankt, traue ich ihnen den Titel zu“ erzählt er. Die Chancen für Albanien sieht er eher schlecht: „Wir haben eine Todesgruppe mit Spanien, Kroatien und Italien erwischt. Wir sind der absolute Underdog – trotzdem habe ich Hoffnung, weil unsere Entwicklung enorm war. Wir sind unglaublich selbstbewusst, spielen guten Fußball und kämpfen füreinander.“ Als Stärke der Albanier nennt Spaija den Zusammenhalt, dazu haben sie mit Angreifer Armando Broja (FC Chelsea)und Nedim Bajrami (US Sassuolo) zwei starke Einzelspieler. Zum Verhängnis werden könnte den Albanern aber die mangelnde Erfahrung. „Wir sind erst das zweite Mal bei so einem großem Wettbewerb dabei. Ich hoffe die Euphorie bringt uns weiter.“ Neben Deutschland sieht er Frankreich als Favorit auf den Titel: „Sie haben die beste Mannschaft mit den besten Spielern.“
wrr
Giorgi Tsiklauri (Georgien), Spieler des A-Klassisten TSV Reichertshausen und Schiedsrichter der Gruppe Pfaffenhofen: Einer der größten Außenseiter ist das Heimatland von Tsiklauri: Zum ersten Mal steht Georgien im Aufgebot einer EM. „Unsere Chancen in der Gruppenphase sind sehr gering. Wenn wir ein Spiel gewinnen, wäre es eine sehr große Überraschung“, gibt er zu. Nichtsdestotrotz glaubt er an die Mannschaft, die besser aufgestellt ist, als man vielleicht denkt. Neben dem in Bayern bestens bekannten Trainer Willy Sagnol erzählt Tsiklauri, welche weiteren Spieler der noch jungen Mannschaft zu beachten sind: „Khvicha Kvaratskhelia, Giorgi Kochorashvili und Otar Kiteishvili sind sehr wichtig.“ Kvaratskhelia ist Star-Spieler in Italien beim SSC Neapel und besitzt mit 23 Jahren bereits einen Marktwert von 80 Millionen Euro – mehr als die Hälfte des gesamten georgischen Kaders. Auch die beiden Mittelfeldspieler Kochorashvili (UD Levante) und Otar Kiteishvili (Sturm Graz) gehören zu den Leistungsträgern ihrer Vereine. „Mein Titelfavorit ist Deutschland, weil sie es sich wirklich verdient haben. Der EM-Titel gehört Deutschland“, sagt Tsiklauri abschließend.
wrr
Francesco Iaquinta (Italien), Spieler des Kreisklassisten FC Tegernbach: Wenn sie an Italien denken, kommen bei vielen Deutschen schlechte Erinnerungen an das letzte Heimturnier hoch: Grosso und Del Pierro schossen Italien in der Nachspielzeit des Halbfinals der WM 2006 gegen Deutschland ins Finale, aus dem die Azzurri auch als Weltmeister hervorgingen. „Ich denke wir werden auch diesmal die Gruppenphase überstehen, aber mehr als Viertel- oder Halbfinale sehe ich heuer nicht“, sagt Ianquinta. Stark schätzt er die italienische Defensive ein. Außerdem wird Frederico Chiesa als schnellster und technisch starker Spieler für viel Verwirrung bei den gegnerischen Verteidigern sorgen. „Leider haben wir aber keinen richtigen Stürmer, der Tore macht. Da haben England mit Harry Kane oder Frankreich mit Mbappe Vorteile“, gibt er zu. Das ein oder andere Spiel wird sich Ianquinta mit seiner Familie im eigenen Restaurant in Pfaffenhofen anschauen, auch wenn er selbst nicht an einen EM-Sieg Italiens glaubt: „Mein Favorit ist England, da sie einen sehr starken und jungen Kader mit einigen Topstars haben. Außerdem haben sie bei der letzten Europameisterschaft schon klasse gespielt.“
wrr, Fotos: privat, Vereine
Artikel kommentieren