Tschernihiw/Wolnzach
Aus dem Bunker nach Bayern: Ukrainischer Musikprofessor möchte hier unterrichten

10.06.2022 | Stand 22.09.2023, 22:25 Uhr

Oleh Vasiuta und seine Frau Inna flüchteten Ende März aus ihrer Heimatstadt Tschernihiw im Norden der Ukraine und leben seitdem in Wolnzach. Foto: Rebl

Von Katrin Rebl

Oleh Vasiuta und seine Frau Inna waren unter den Ersten, die den Ukraine-Krieg zu spüren bekamen. Ihre Heimatstadt Tschernihiw wurde von den ersten Kriegstagen an belagert und beschossen. Nun ist der Musikprofessor in Wolnzach (Landkreis Pfaffenhofen) und will unterrichten.



„25 Tage lang lebten wir im Keller unseres Hauses“, erzählt der 73-Jährige. Dort suchte das Ehepaar Schutz vor den Raketenangriffen, bis es am 23. März schließlich evakuiert wurde und einige Tage später über Lemberg nach Wolnzach kam. „Viel Unruhe“ hat das Erlebte bei Oleh Vasiuta hinterlassen, dazu kommt die Sorge um die Menschen, die in der Ukraine geblieben sind, und die Unsicherheit, wie es weitergehen wird – mit seinem Land, mit ihm und mit seiner Familie.

Trotz allem will er hier in Deutschland nicht untätig bleiben. Im Gegenteil. Er will etwas tun, Geld verdienen, arbeiten – und das am liebsten in seinem Beruf, der zugleich seine Berufung ist: Oleh Vasiuta ist Kunst- und Musikwissenschaftler, war mehr als zwei Jahrzehnte in seiner Heimatstadt Leiter der Regionalabteilung für Kultur und lehrte vor dem Krieg im Fach Musik an der Nationalen Schewtschenko-Universität „Tschernihiw Kollegium“. Genau das, nämlich als Musiklehrer tätig sein, möchte er auch jetzt in Wolnzach und bietet deshalb Klavierunterricht an.

Unterricht für Anfänger und Fortgeschrittene

Als Profi macht er, was die Schüler betrifft, dabei keinerlei Einschränkungen: Er unterrichtet sowohl Anfänger als auch schon weiter Fortgeschrittene, Kinder genauso wie Jugendliche oder Erwachsene. Bedenken wegen der Verständigung hat er nicht. „Musik ist international“, sagt Oleh Vasiuta und lacht. Abgesehen davon kam er bereits mit guten Deutschkenntnissen aus der Ukraine und lernt nun stetig und sehr schnell dazu. Da er in Wolnzach kein Klavier fest und dauerhaft zur Verfügung hat, müssen die Stunden bei den Schülern daheim als Hausunterricht stattfinden. Wer Interesse hat oder sich über die näheren Konditionen informieren möchte, kann über die Wolnzacherin Iwona Zieglmeier, Telefon (0160) 95773286 Kontakt zu Oleh Vasiuta aufnehmen.

Iwona Zieglmeier und ihr Mann Robert stehen in enger Verbindung mit dem Ehepaar Vasiuta. Oleh Vasiuta lernten sie ganz zufällig kennen, auf der Straße, als dieser eine bestimmte Adresse suchte. Robert Zieglmeier kam sofort mit ihm ins Gespräch – und es entstand eine freundschaftliche Verbindung, die auch davon profitiert, dass Iwona Zieglmeier polnisch spricht, was die Verständigung sehr erleichtert. Viele Menschen haben sich schließlich auch dafür eingesetzt, dass Inna und Oleh Vasiuta in Wolnzach eine Bleibe finden, als es darum ging, wo die beiden nach ihrer ersten Station im Hotel Hallertau weiter wohnen würden. „Ich dachte mir, sie müssen unbedingt hier in Wolnzach bleiben“, so Robert Zieglmeier mit Verweis auf Vasiutas gute Sprachkenntnisse. Da er übersetzen kann, sei er ein wichtiges Bindeglied zu seinen Landsleuten im Gemeindebereich.

„Viele kämpfen für uns“

Die hier lebenden Ukrainer kommen regelmäßig in dem Ukraine-Treff in der Preysingstraße zusammen, tauschen sich aus, besprechen Probleme, lernen gemeinsam Deutsch. „Das ist sehr wichtig für die ukrainischen Leute hier“, sagt Vasiuta – und schickt ein großes Dankeschön in viele Richtungen. „Viele kämpfen für uns“, sagt er, dankbar für die deutschen Freunde, die er gefunden hat, und für deren Unterstützung. Dass Musik über Ländergrenzen und Sprachbarrieren hinweg verbindet, hat der 73-Jährige in den letzten Wochen schon zu spüren bekommen: Er knüpfte schnell etliche Kontakte zu anderen Musikbegeisterten – was zusätzlich auch daran liegen mag, dass er ausgesprochen aktiv und aufgeschlossen ist. Seit kurzem singt er im Kirchenchor Wolnzach, wurde dort von Leiterin Astrid Elender herzlich als willkommene und fachlich kompetente Verstärkung im Tenor aufgenommen. Der Fachmann wiederum freut sich über einen „wunderbaren Chor“, wie er sagt, der ein „sehr schönes Programm“ habe. Denn das Herz des Ukrainers schlägt vor allem für die klassische Musik.

Seine künstlerische Leidenschaft kann er bisweilen auch am Klavier ausleben: Nicht nur in der Realtime-Musikschule hat er bei Bedarf Zugang zu einem Instrument, auch die beiden Kirchenorgeln in Wolnzach und Gosseltshausen hat er schon ausprobiert. Das alles verschafft zumindest vorübergehend ein klein wenig Ablenkung von den täglich eintreffenden Kriegsnachrichten aus der Heimat und von dem, was Inna und Oleh Vasiuta ständig große Sorgen bereitet. Zum Beispiel wie es Tochter Katja geht, die in der Ukraine geblieben ist und in Dnipro studiert. Oder ob die Zukunft irgendwann das bringen wird, was sich Oleh Vasiuta aus ganzen Herzen wünscht: in seiner Heimat wieder als Musiklehrer unterrichten zu können.

WZ