Pfaffenhofen
Grundsicherung, Hartz IV und Sozialhilfe: Doppelte Kosten

Hilfsleistungen werden auch wegen Ukraineflüchtlingen immer teurer - Landkreis Pfaffenhofen sucht wieder Wohnraum

15.11.2022 | Stand 19.09.2023, 5:33 Uhr

Die ehemalige Trabrennbahn in Pfaffenhofen wurde im Jahr 2015 zur Asylbewerberunterkunft umfunktioniert. Aktuell ist der Landkreis wieder auf der Suche nach Immobilien, um für erneut steigende Flüchtlingszahlen gewappnet zu sein. Foto: Kraus, PK-Archiv

Grundsicherung, Hartz IV und Sozialhilfe: Corona-Sonderzahlungen für Hilfeempfänger und der Massenzustrom an Kriegsflüchtlingen aus der Ukraine im Landkreis Pfaffenhofen belasten die Sozialkassen weit über Gebühr.



Betroffen sind von den „gehörigen Steigerungen in all unseren Statistiken“, wie es Sachgebietsleiter Siegfried Emmer bei der Sozialausschusssitzung am Montag zusammenfasste, allerdings nicht nur die Landkreiskasse, sondern auch der Freistaat und der Bund. Im Grunde spiele es aber ohnehin keine große Rolle, wer die Summen letztlich zu begleichen habe, ergänzte Emmer. „Es sind schließlich alles Steuergelder.“

Deutliche Steigerungen auf allen Positionen

Die einzelnen Posten haben sich von 2021 auf 2022 in der Tat meist glatt verdoppelt. An klassischer Sozialhilfe leistet der Landkreis heuer geschätzte 500.000 Euro. Bei der Hilfe zum Lebensunterhalt (zum Beispiel Erwerbsunfähigkeit auf Zeit oder Energieschulden) sieht es ähnlich aus: Beinahe 400.000 Euro stehen hier zu Buche. Steil geht es beim Aspekt „Bildung und Teilhabe“ nach oben – und das schon seit Jahren. Von rund 125.000 Euro auf nunmehr fast 200.000 Euro innerhalb eines Jahres schnellte die Summe in die Höhe – und das aus verschiedenen Gründen. „Da geht es um die Klassenfahrt, den Ballettunterricht oder den Sportverein für die Kinder von Hilfeempfängern“, berichtete Emmer.

Die Summe wird vor allem daher immer höher, weil die Zahl der Antragsteller laufend zunimmt. „Früher war das einfach noch nicht so publik“, vermutete Emmer. Aber mittlerweile wüssten die Leistungsempfänger sehr genau darüber Bescheid, was sie beantragen können und was nicht. Das Ende der Fahnenstange sei lange nicht erreicht, fuhr er fort. Im Gegenteil. Mit dem neuen „Wohngeld plus“ werde sich „die Zahl der Antragsberechtigten in nächster Zeit verdreifachen“, so Emmer. Denn jeder, der Anspruch darauf hat, kann auch aus dem Teilhabetopf finanzielle Unterstützung anfordern. So wie jeder andere halt auch, der entweder den Kinderzuschlag, Hartz IV oder eben Wohngeld erhält.

Besonders häufig sind alte und erwerbsunfähige Menschen auf Sozialleistungen angewiesen. Die sogenannte „Grundsicherung Alter“ unterstützt Senioren, denen ihre Rente nicht zum Leben reicht. 2,2 Millionen Euro schießt der Landkreis den verarmten Rentnern heuer zu – sowie gut 1,4 Millionen Euro an Erwerbsunfähige. Die steigenden Kosten deuten natürlich schon an, dass es auch bei den Fallzahlen stetig nach oben geht. Lag die Zahl der Hilfeempfänger in den vergangenen Jahren recht konstant bei etwa 450, ging es heuer deutlich nach oben: auf ganz aktuell 552. „Auch das werden immer mehr“, erläuterte Emmer. Auf Nachfrage von Tobias Teich (AfD) erklärte er, dass „der ganz überwiegende Teil“ der dauerhaften Leistungsbezieher deutsche Staatsangehörige seien.

Zunehmende Zahl an Ukraine-Flüchtlingen

Der Anstieg bei den Fallzahlen erkläre sich weitgehend aus der zunehmenden Zahl von Ukraine-Flüchtlingen, fuhr Emmer fort. „Von denen fallen nämlich immer mehr in diesen Rechtskreis.“ Die Kriegsflüchtlinge nehmen daher ein ordentliches Stück vom Kuchen aller anfallender Sozialzahlungen in Anspruch. Von März bis Mai dieses Jahres sind sie nach Deutschland und in den Landkreis geströmt – in der Spitze lebten hier zwischenzeitlich 1371 Ukrainer (am 17. Mai). „Seither sind die Zahlen recht stabil – und es ist ein reges Kommen und Gehen“, meinte Emmer. 575 Ukrainer sind bereits woandershin zu Verwandten oder wieder zurück in die Heimat gezogen. Bis Ende Oktober fiel ihre Zahl leicht auf nun 1169 Personen. Die anfallenden Kosten für diese Menschen sind erheblich. Fast 3,5 Millionen Euro bezahlte der Freistaat bislang für deren Unterbringung. Hinzu kommen gut 300000 bei der Grundsicherung, 10.000 Euro bei „Bildung und Teilhabe“ sowie 140.000 Euro bei der Hilfe zum Lebensunterhalt.

ASYLBEWERBER IM LANDKREIS PFAFFENHOFEN Fast verdoppelt hat sich im Jahreslauf die Zahl der Asylbewerber im Landkreis. Wohnten zum Jahreswechsel 2021/22 noch 849 Personen in den 70 dezentralen Unterkünften, schnellte deren Zahl bis zum 28. Oktober auf 1507 (davon 267 aus der Ukraine) nach oben. „Damit sind wir fast wieder auf dem Stand des Jahres 2015, also beim Höhepunkt der Krise“, sagte Landrat Albert Gürtner (FW). Der Landkreis stehe im Moment noch gut da. Die Lage sei aber schwer zu prognostizieren, daher würden große Herausforderungen anstehen. „Wir suchen jetzt auch wieder verstärkt nach Unterkünften“, ergänzte Gürtner. Vor allem beheizbare Lagerhallen, größere Häuser und Wohnungen würden gesucht. „Denn alles ist besser als eine Turnhalle“, so Gürtner. „Die sollen wirklich nur die allerletzte Möglichkeit bleiben.“

Die Solidarität unter den Kreisgemeinden sprach Werner Hammerschmid (SPD) an. Nach wie vor gebe es Kommunen, in denen null Asylbewerber leben würden – genau gesagt sind das Gerolsbach und Reichertshausen. Im einstelligen Bereich liegt derzeit aber auch die Belegung in Hettenshausen (2), Ilmmünster (3) oder Rohrbach (6). „Wir werden alle in die Pflicht nehmen“, versicherte Gürtner. Notfalls werde der Landkreis in solchen Kommunen wieder Containerdörfer errichten. Die meisten Asylbewerber leben in Geisenfeld (145), Pfaffenhofen (142), Wolnzach (89), Vohburg (70) und Reichertshofen (60) – sowie allen voran in Manching. Inklusive des Ankerzentrums sind dort 783 Personen untergebracht. Die Lage dort sei zuletzt außer Rand und Band geraten, berichtete Siegfried Emmer. Der Andrang sowie die Fluktuation seien momentan enorm. Alleine in den vergangenen zwei Monaten seien rund 3000 Asylbewerber gekommen und wieder gegangen – zum Teil innerhalb weniger Tage. „Das ist wirklich eine irre Arbeitsbeschaffung“, schimpfte Emmer. Am Landratsamt seien vier Mitarbeiter nur mit den Zu- und Abgängen am Ankerzentrum beschäftigt.

Die Kosten explodierten zuletzt. Aufgrund der Corona-Sonderzahlungen sowie der Zusatzaufgaben bei der Unterbringung von Ukraineflüchtlingen sind die Ausgaben auf über 10 Millionen Euro emporgeschnellt. „Das zahlen zwar nicht wir, sondern der Freistaat“, meinte Emmer. „Aber das ist natürlich trotzdem enorm.“

Auch die freiwilligen Leistungen des Landkreises für die Asylbewerber nahmen zuletzt wieder zu. Die Dolmetscherkosten sind von 500 Euro auf 3250 Euro gestiegen. Das Wlan in der Patriotstellung kostet jährlich fast 10.000 Euro – was Hammerschmid „halt schon sehr hoch“ vorkam. Und seit diesem Jahr taucht in dieser Statistik auch die Flüchtlings- und Integrationsberatung der Caritas wieder auf. Hier geht es um mehr als 90.000 Euro. Wobei Kreiskämmerer Walter Reisinger offen einräumte, dass der Landkreis diese Kosten schon immer bezahlen musste: „Halt nur aus einem anderen Topf.“