Geisenfeld
Gewerbegebiet: Altbürgermeister Christian Staudter hat Vohburg das Ilmendorf-Gebaren nicht verziehen

02.10.2022 | Stand 22.09.2023, 5:06 Uhr

Vor vier Jahren nahe Ilmendorf mit aller Macht dagegen, jetzt ein paar Meter weiter in Richtung Vohburg sogar verhalten dafür: Vom ehemaligen Protest gegen die Ansiedlung eines Logistikunternehmens nahe der Birkenheide ist nicht viel geblieben. Die Entscheidung trifft der Vohburger Stadtrat im Oktober. Foto: Ermert (Archiv)

Von Maggie Zurek

Geisenfeld/Vohburg – Ein neues Gewerbegebiet und der Bau einer 37000 Quadratmeter großen Fertigungs- und Lagerhalle nahe der Birkenheide: Diese Pläne der Stadt Vohburg stoßen in Geisenfeld auf wenig Verständnis. Schließlich hatte es aus Vohburg vor wenigen Jahren noch vehementen Widerstand gegen die Ansiedlung eines Logistikers im direkt benachbarten Ortsteil Ilmendorf gegeben.

„Aus allen Wolken gefallen“ ist Altbürgermeister Christian Staudter ob der Nachricht, dass die Vohburger ein Gewerbegebiet „in einer noch größeren Dimension“ – insgesamt 24 Hektar, davon zehn für besagtes Projekt – an fast gleicher Stelle realisieren wollen, wo sie es „bei uns mit allen Mitteln bekämpft haben“. Das sei an Skrupellosigkeit und Dreistigkeit uns Geisenfeldern gegenüber nicht zu überbieten, habe er sich gedacht. Sehr enttäuscht sei er bislang von den Aktiven Vohburgern, „die ja unsere schärften Gegner waren“. Von ihnen habe er sich im Vorfeld ein deutlicheres „Mit uns nicht“ erwartet.

Die Argumentation, es handle sich – im Gegensatz zu dem in Geisenfeld durch einen Bürgerentscheid während Staudters Amtszeit vereitelten Vorhabens – in Vohburg nicht um einen Logistiker, hält er nach einem Blick auf die Internetseite des Investors Thyssenkrupp Schulte für Augenwischerei. Und den geplanten Anschluss an die Bahnstrecke lediglich für ein ökologisches Feigenblatt. Angesichts der gewaltigen Dimensionen der Halle stellt Staudter die Frage, wie viele Fußballfelder da wohl reinpassen? Und er hofft, dass sich die Vohburger Entscheidungsträger noch besinnen und das Vorhaben in ihrer Oktobersitzung abblasen. Für das heimische Gewerbe werde es sicher nicht benötigt, lägen dafür ja Pläne zur Erweiterung des Rockoldinger Gewerbegebiets bereits in der Schublade.

Eher zurückhaltend äußert sich Staudters Amtsnachfolger Paul Weber von den Unabhängigen Sozialen Bürgern. Das betroffene Unternehmen habe bei mehreren Kommunen, unter anderem auch bei der Stadt Geisenfeld, nach verfügbaren Flächen gefragt. Die Stadt sehe momentan keine Vorteile in der Ansiedlung. „Wir haben daher von weiteren Gesprächen und Verhandlungen Abstand genommen“, so Weber. Generell werde die Ansiedlung eines Industriebetriebs in der freien Landschaft heutzutage kritisch im Hinblick auf den Flächenverbrauch, die CO2-Bilanz und den Naturschutz gesehen. Die Planungshoheit für das nun an der B16 angedachte Gebiet liege aber bei der Stadt Vohburg. Und es sei auch nicht eins zu eins mit den Planungen der Stadt Geisenfeld vor einigen Jahren zu vergleichen, gibt Weber zu bedenken. Trotzdem bleibe abzuwarten, inwieweit die Stadt Vohburg hier andere Maßstäbe anlege als bei dem Vorhaben der Stadt Geisenfeld, so der Rathauschef. Weber versichert: Sollte Vohburg die Pläne weiterverfolgen, werde man im Rahmen des Beteiligungsverfahrens in der Stellungnahme selbstverständlich den Fokus auf mögliche zusätzliche Immissionen für den Ortsteil Ilmendorf legen. Die abschließende Bewertung und Abwägung obliege dem Geisenfelder Stadtrat und werde auf Basis der zu erstellenden Gutachten und Stellungnahmen der Behörden erfolgen.

Die Geisenfelder FW-Fraktion zeigt in ihrem Statement ein gewisses Verständnis für die Pläne Vohburgs, sei doch die Schaffung von ortsnahen Arbeitsplätzen und das Generieren von Gewerbesteuer-Einnahmen für jede Kommune eine wichtige Aufgabe. Aufgrund der damaligen Reaktionen und der persönlichen Angriffe gegenüber der FW-Fraktion beim Geisenfelder Gewerbegebiet wundere man sich jedoch über den Sinneswandel bezüglich der Ansiedlung eines Logistikunternehmens. Damals sei die sachliche Diskussion verlassen und viel Polemik und Emotion in die Diskussion gebracht worden. „Daher liegt es jetzt an den Betroffenen, sich an den Aussagen von damals messen zu lassen“, so die Freien Wähler.

Ob infolge des neuen Gewerbegebiets hiesige Gewerbetreibende abwandern und sich somit die Steuereinnahmen der Stadt Geisenfeld verringern, sei zum jetzigen Zeitpunkt nicht absehbar. Was aber den Schutz der Ilmendorfer angeht, werde auch die FW im potenziellen Beteiligungsverfahren Aspekte wie das Verkehrsaufkommen, Lärmemissionen, Lärmschutz, Abwasserbeseitigung und Hochwasserschutz im Fokus haben. „Gespannt“ sei man auf die Reaktionen aus der Bevölkerung und die Einwände des Naturschutzes sowie die Anbindung an die B16 durch ein Brückenbauwerk und die Umsetzung des Bahnanschlusses.

So geschlossen die ehemaligen Initiatoren des Bürgerentscheids vor vier Jahren gegen die Ansiedlung eines Logistikunternehmens im Gewerbegebiet Ilmendorf vorgegangen sind, so uneins wirken sie heute bei der Bewertung der Vohburger Pläne. Wie Günter Haslbeck mitteilt, gibt es seitens der Ilmendorfer BI-Vertreter nunmehr Befürchtungen, dass – entgegen der momentanen Verlautbarungen– die Verkehrserschließung nicht über eine eigene B16-Brücke, sondern über die alte Brücke in Ilmendorf realisiert wird. Außerdem haben sie Bedenken, ob der Bahnanschluss (für einen Großteil des Gütertransports) denn auch wirklich gebaut wird. Stattdessen könnte es zu einer Erhöhung der Lkw-Verkehrsbelastung an der B16 – und entsprechend auch der Lärmbelastung – kommen.

Der Vohburger Vertreter in der BI führt die Natur- und Umweltbelastung durch die erhebliche Flächenversiegelung und damit verbundene Probleme mit dem Wasser als Gegenargumente ins Feld. Ein weiterer Grund für die ablehnende Haltung: Vohburg habe bereits jetzt drei bis viermal so viel Gewerbeflächen wie andere in der Größe vergleichbaren Kommunen im Landkreis.

Haslbeck persönlich sieht das „etwas anders“ – und zwischen dem Vorhaben von Thyssenkrupp und den früheren Planungen für Ilmendorf-Nord „gravierende Unterschiede“: Statt um ein unbekanntes Logistik-Unternehmen gehe es jetzt um eine „namhafte, traditionsreiche deutsche Firma“, so Haslbeck weiter – „und es soll auch Produktion stattfinden“. Dass Thyssenkrupp plane, einen großen Teil der Güter über die Schiene an- und abzutransportieren, wertet er als Chance für das sich anschließende Geisenfelder Gewerbegebiet: „Um hier den Schienengüterverkehr voranzubringen“, wie Haslbeck anfügt.

Ein weiterer Unterschied sei auch, dass einzelne Flächen für einheimische Gewerbetreibende entstehen sollen. Die aktuellen Entwicklungen zeigten außerdem, dass man Produktionsstätten im eigenen Land behalten müsse. „Oder wollen wir, dass Thyssenkrupp im östlichen Nachbarland oder gar in Fernost investiert?“

Ob sich zu dem Vorhaben eine Bürgerinitiative formiere, werde sich wohl erst nach der Entscheidung des Vohburger Stadtrats im Oktober zeigen. Das liege aber letztlich alleine in Vohburger Hand. „Ich stehe dafür jedenfalls nicht zur Verfügung“, so Haslbeck.

PK