Neues Konzept
Für mehr Personal: Pfaffenhofener Bäcker schafft die Nachtschicht ab

Nur noch zwei Mitarbeiter werkeln nachts um Eins in der Backstube von Hans Bergmeister

10.05.2022 | Stand 25.10.2023, 10:37 Uhr

Dem Teig für die Brote oder für die frischen Semmeln schadet es nicht, wenn er schon am Vortag geknetet wird. Ganz im Gegenteil. Die Umstellung ermöglicht den Bäckereien verträglichere Arbeitszeiten − und einen (teilweisen) Abschied von der Nachtschicht. Foto: Pförtner, dpa

Von Albert Herchenbach

Die Arbeitszeiten von Bäckern sind nicht jedermanns Geschmack: Mitten in der Nacht beginnt in der Regel die Schicht. Für die meisten Mitarbeiter von Hans Bergmeister in Pfaffenhofen hat sich das nun geändert. Ein neues Konzept.

Eigentlich würde Hans Bergmeister jetzt, kurz nach Mittag um halb Zwei, daheim im Bett liegen und den Nachtschlaf nachholen. Sein Wecker hätte, wie bei allen anderen Bäckern auch, kurz nach Mitternacht geklingelt. Eine Stunde später hätte er die Backstube aufgeschlossen und gegen 10 Uhr Feierabend gemacht. Hätte, wäre, wenn. Denn jetzt sitzt er putzmunter in seinem Geschäft am Hauptplatz und erfreut sich an einer Tasse Kaffee. Die Nachtschicht ist für ihn und den Großteil seiner Mitarbeiter ausgefallen. Und trotzdem warteten morgens um Sechs, als sein Laden öffnete, frisches, duftendes Brot und knusprige Semmeln auf die frühstückshungrige Kundschaft.

Nein, die Heinzelmännchen sind es nicht gewesen. Der Bäckermeister hat die Nachtschicht zwar nicht ganz abgeschafft, sie aber in zwei festen Teams organisiert. Nur noch zwei seiner Bäcker fangen nachts um Eins beziehungsweise halb Zwei an, die übrigen krempeln erst um 6 Uhr die Ärmel hoch. Fürs Bäckerhandwerk sind diese Arbeitszeiten sensationell. Bergmeister geht davon aus, dass es jetzt leichter fällt, Fachkräfte und Azubis zu finden.

Die sind vor allem in seiner Branche Mangelware. Der Grund: die Arbeitszeit. „Beruf und Familienleben in Einklang zu bringen“, weiß der 41-Jährige, „ist in diesem Handwerk schwierig.“ Genauso wie die Teilnahme am gesellschaftlichen Leben. Bäcker halten, während draußen die Sonne vom Himmel lacht, einen ausgiebigen Mittagsschlaf und gehen noch vor der Tagesschau zu Bett, um für die Nachtarbeit fit zu sein. „Je älter man wird, desto schwerer fällt einem diese Arbeitszeit“, weiß Bergmeister. Da ist das Argument, dass Bäcker den ganzen helllichten Tag für sich haben, hinfällig.

Weshalb Bergmeister, der den 1864 gegründeten Betrieb mit vier weiteren Filialen in der fünften Generation führt, die Arbeitszeiten umgestellt hat, hat auch mit Corona zu tun. „Bäckereien sind systemrelevant. Sie müssen die Versorgung sicherstellen. Und deshalb haben wir vor zwei Jahren die Teams geteilt.“ Hätte sich einer infiziert, wäre die ganze Backstuben-Mannschaft in Quarantäne geschickt worden. Das aber erfordert eine Umstrukturierung und Entzerrung der Arbeitsabläufe.

Jetzt hat er aus der Not eine Tugend gemacht. Früher sei vieles unmittelbar vor dem Backen produziert worden. Zum Beispiel der Semmelteig. Der wird nun am Vortag angesetzt und bekommt 14 Stunden Zeit zum Reifen. Was den Vorteil habe, dass die Semmeln besser schmecken, knuspriger bräunen, optisch ansprechender aussehen und leichter verdaulich sind.

„Wer nicht mit der Zeit geht, geht mit der Zeit“, sagt Bergmeister. Seinen rund 50 Mitarbeitern und neuen Bewerbern kommt er mit den Arbeitszeiten entgegen. Vor vier Jahren haben er und seine Frau sich entschlossen, sonntags nicht mehr zu öffnen. Seine Leute hätten das sehr geschätzt. Zukunftssorgen macht er sich nicht, auch wenn die Zahl der Bewerbungen auf eine Stellenausschreibung in den vergangenen fünf Jahren drastisch zurückgegangen ist – von etwa zehn bis 15 Interessenten auf zwei bis drei. Aber dass er mit seinem Betrieb aus Personalmangel irgendwann kleine Brötchen backen muss – das kann sich der Pfaffenhofener Bäckermeister derzeit nicht vorstellen.

PK



Tagschicht nicht für jeden Betrieb geeignet

Die Bäckereiinnung Oberbayern-Nord ist Sprachrohr für rund 40 Betriebe im Bereich der Stadt Ingolstadt sowie der Landkreise Eichstätt und Pfaffenhofen. „Man hört deutschlandweit immer häufiger, dass Bäckereien die Nachtschichten nach unten fahren und teilweise auf Tagesbetrieb umstellen“, räumt Obermeister Thomas Margraf ein. Wie viele Betriebe in seinem Zuständigkeitsbereich hier vorgeprescht sind, kann er nicht abschätzen. Das Thema stelle sich manchen aber gar nicht, fügt er an. „Es kommt drauf an, ob diese Umstellung zu einem Betrieb passt – oder eben nicht.“

Die Vorteile, so Margraf, liegen auf der Hand. Angesichts der allgemeinen Personalknappheit versuchen Bäckereien mit der Umstellung auf Tagschichten, für Arbeitnehmer attraktiver zu werden. Im Gegenzug erfordert dieser Schritt aber auch ein deutliches Plus an Technik. Die Teige müssen vorproduziert, gekühlt, später wieder auf Gare gebracht und dann gebacken werden, fasst der Obermeister die Arbeitsschritte zusammen. Dazu brauche es Lager- und Kühlflächen – und vieles hänge davon ab, wann die Lieferungen in den Filialen spätestens ankommen müssen.

Letztlich sei die Lage bei den Bäckern ganz einfach, fährt Margraf fort. „Um 6 Uhr sperren die Läden auf, da müssen die frischen Semmeln da sein. Und wie sie da hinkommen, ist egal.“ Für die Qualität sei das Vorproduzieren und das damit verbundene längere Lagern der Teige sogar ausgesprochen gut. „Sie schmecken besser und werden bekömmlicher. Und weil es die passende Technik gibt, kann man das gezielt so steuern“, sagt Margraf. Die Bäcker-Tagschicht sei ein allgemeiner Trend, gegen den nichts einzuwenden sei.

Allerdings: Nicht für jeden Betrieb ist die Umstellung eine wirkliche Option. „Manche sind zu klein dafür, andere zu groß“, sagt Margraf. Und die ganz großen Bäckereien würden eh im Zwei- oder Drei-Schicht-Betrieb arbeiten. Da erübrige sich das dann sowieso.

Generell hält der Obermeister wenig davon, die „armen Bäcker“ aufgrund deren ständiger Nachtschichten zu bemitleiden. „Fixe Nachtarbeit verkraften die meisten besser als die ständige Wechselschicht“, sagt er. Außerdem gebe es mittlerweile viele Berufsfelder, in denen – immer oder in Ausnahmesituationen – in Schichten oder nachts gearbeitet werden muss. „Für manche Betriebe passt es also ganz gut, wie es schon immer war.“

pat