Staatsminister zu Gast
Diskussion um Polder: Florian Herrmann kommt nach Münchsmünster

21.01.2023 | Stand 17.09.2023, 4:59 Uhr

Polder-Diskussion und -Information im Rathaus Münchsmünster mit Münchsmünsters Bürgermeister Andreas Meyer (stehend), Staatsminister Florian Herrmann (Zweiter von rechts) und dem Landtagsabgeordneten Karl Straub (rechts). Foto: Konze

Hoher Besuch aus München: Staatsminister Florian Herrmann kam am Freitagvormittag nach Münchsmünster – zur Diskussion zum Thema Polder. Einziger Wermutstropfen: Herrmann ist Minister für Bundesangelegenheiten und Medien, zum in Münchsmünster seit Jahren heiß diskutierten Thema Polder wäre auch Umweltminister Thorsten Glauber eine gute Wahl gewesen.

Doch dem zweistündigen, stets sachlichen, fachlichen und fairen Gedankenaustausch mit Politikern, Industrie-Vertretern, Landwirten und Interessengemeinschaft tat dies keinen Abbruch.

Wünsche und Gedanken vorgebracht

War es eine Diskussion oder doch eine Präsentation? Landtagsabgeordneter Karl Straub (CSU), Münchsmünsters Bürgermeister Andreas Meyer (CWG), Vertreter von Bundeswehr, Bayernoil, LyondellBasell, der Jägerschaft und der Interessengemeinschaft IgeL versorgten den Minister mit Infos zum Thema, brachten ihre Wünsche und Gedanken vor – und hoffen nun, dass Herrmann neue Erkenntnisse mit nach München nimmt. Glauber war zwar nicht anwesend, aber Vertreter seines Ministeriums. Der Umweltminister wird sicher erfahren, worum es am Freitag ging und auch in naher Zukunft geht.

Straub, der nach eigener Aussage den Minister nach Münchsmünster eingeladen hatte, wollte sich einer Wertung der laufenden Diskussion enthalten. Fest steht für ihn: Der Hochwasserschutz ist wichtig, aber die Sorgen der Menschen vor Ort und vor allem die Einwände der Industrie seien es genauso.

Die flapsige Ankündigung von des Rathauschefs – „Heute stoppen wir den Polder“ – wollte Straub so nicht stehen lassen. Herrmann sei einfach nicht der entscheidende Minister.

Bürgermeister Andreas Meyer: „Wir sind keine Bittsteller“

Meyer bemerkte, dass es Glauber wohl nicht für nötig halte, sich in Münchsmünster sehen zu lassen. „Dann eben nicht, wir sind keine Bittsteller.“ Meyer betonte, Münchsmünster sei keine offizielle Überschwemmungsfläche, und solle auch nicht – wie aus München signalisiert – einfach als Überschwemmungsfläche festgesetzt werden. Meyer ging auf die Industrieansiedlungen ein, auf die bei Polderflutung nicht ausgeschlossenen Gefahren für die Versorgungsleitungen der Unternehmen und Gemeinden, auf den wertvollen Bundeswehr-Standort, auf Grundwasserprobleme. Herrmann erwähnte, Planungen aus einer übergeordneten Perspektive, also aus München, ergeben vor Ort, also in und um Münchsmünster, oft Ziel-Konflikte. Er betonte, Entscheidungen seien geleitet von Fakten oder basierten auf wissenschaftlichen Grundlagen. Herrmann erwähnte die Grundidee einer Polderkette mit zwölf Bauwerken hintereinander, sagte, dass Polder als solches sinnvoll seien. Zumindest gehe die Staatsregierung davon aus. Der Schutz von Menschenleben stehe immer vor dem Schutz von Sachwerten. Die immer wieder aufkommende Kritik, die damalige Umweltministerin Ulrike Scharf hätte einst versprochen, der Polder werde nur gebaut, wenn keinem Schaden entstehe, wollte der Minister nicht analysieren. „Wie hat sie es gesagt, wie hat sie es gemeint?“

Er schloss auch aus, dass es bei einem Polderbau prinzipiell keine negativen Folgen gibt. „Unverhältnismäßige Folgen sollen aber schon verhindert werden.“ Oberstes Ziel sei, so Herrmann, der Schutz von Menschenleben. Das sei eine Solidaraufgabe.

„Weit und breit die einzige freie Fläche“

Meyer präsentierte auf einer Karte die Fläche, auf der der Polder entstehen soll. „Weit und breit die einzige freie Fläche.“ Und mit/auf dieser solle die Landwirtschaft aktiv geschützt werden. Ohne Bebauung: „Wir haben dort schon ein Biogas-Werk abgelehnt, ebenso eine Photovoltaikanlage.“ Er sprach vom im Vergleich zum Ort hohen Niveau des gefluteten Polders. Er befürchtet – wie so viele im Ort –, dass die Lebensqualität der Münchsmünsterer leiden könnte. Die Beherrschbarkeit des Grundwassers ist laut Meyer nicht gesichert, das Restrisiko, dass er zu erkennen glaubt, sei ihm zu hoch.

„Danke, das war eine richtige Druckbetankung“, sagt Minister Herrmann nach den Informationen. „Keiner hat je behauptet, dass es einfach ist. Wir müssen die Herausforderungen annehmen und lösen.“ Der Dialog solle weitergehen, um gute Lösungen zu finden, wie die Gefahr von Hochwasser reduziert werden kann.

Ohne Hektik, Vorwürfe oder Streit ging die Runde auseinander.

Aussagen blieben sachlich und fair

Vertreter der Bundeswehr, der Industrie, der Interessengemeinschaft, der Jäger und des Marktes Pförring kamen zu Wort. Auch diese Aussagen blieben sachlich und fair.

Oberstleutnant Markus Pregitzer, Kasernenkommandant in Münchsmünster, stellte den Standort vor, sprach von Ausbildungen, Lehrgängen und davon, dass dieser Standort „einmalig in der Nato“ sei. Geheimhaltung spiele eine Rolle, die bei sechs Meter hohen Polder-Dämmen kaum sicher sei. Man brauche gewässernahes Gelände zum Üben. Steigendes Grundwasser sei ein Problem, auch überflutetes Gelände, in dem schweres Gerät versinke. Sein Fazit: „Wir haben einen militärischen Auftrag. Den müssen wir uneingeschränkt durchführen können.“

Norbert Botz von Bayernoil, erwähnte vor allem eine Pipeline: die zwischen Neustadt und Vohburg. Sie verläuft am Rande des angedachten Poldergebiets. Bei Hochwasser und steigendem Grundwasser sei die Sicherheit der Pipeline gefährdet. „Die Funktion der Pipeline muss gewährleistet sein, sonst haben wir ein Problem – und die Umwelt dann auch.“



Olaf Schmidtchen von LyondellBasell sieht die Produktion „eventuell in Gefahr“, wenn der Polder geflutet werden müsste. Sein Kollege Andre Carstens sagt, man schaue mit wachem Auge auf die Entwicklung.

Manfred Kreis, Gemeinderat und Jäger, hob die wertvolle Tierwelt hervor. „Wir haben in diesem Gebiet sogar einen Seeadler. Wenn ein Jäger einen Hasen erschießt, ist er schnell ein Mörder. Mit dem Polder würde eine große Artenvielfalt zerstört.“ Zudem sagte er, schon ein Biberdamm mit einem halben Meter Höhe würde in Mitterwöhr für überflutete Keller sorgen.

Sebastian Kügel, Zweiter Bürgermeister in Pförring,begleitet nach eigener Aussage das Thema Polder „seit 1999“. Pförring sei nur durch den Ortsteil Gaden betroffen, er befürchtet aber „dass für die Gemeinde Nachteile entstehen“.

Thomas Dellekönig, Vorsitzender der Interessengemeinschaft IgeL, glaubt, dass das Gebiet nach Flutungen „landwirtschaftlich nicht mehr nutzbar“ sei. Sedimente kontaminierten Wassers könnten im Boden verbleiben. Laut Bundesbodenschutzgesetz soll Mutterboden für die Ernährung gesichert werden. Das sehe er in diesem Fall nicht. Wo sollen Ausgleichsflächen entstehen, wie viele Pumpen sollen installiert werden? 70 bis 80, wie vor Jahren gesagt, oder drei bis vier, wie es zurzeit hieß?