Dauerregen kann die Gaudi nicht trüben
Die Maibäume wachsen im Landkreis Pfaffenhofen in den Himmel

01.05.2023 | Stand 25.10.2023, 10:17 Uhr

Klein, aber fein: Wegen der angrenzenden Bebauung ist der Sulzbacher Baum nur 15 Meter hoch. Foto: Herchenbach

Im Himmel steht kein Maibaum, und wie’s aussieht, gibt’s da oben auch keinen Sympathisanten für das bayrische Brauchtum. Denn sonst hätte es ja wohl nicht pünktlich um elf zu regnen begonnen, als sich im ganzen Landkreis kräftige Burschen ans Werk machten, geschmückte Stangerl in den Himmel aufragen zu lassen.

In Sulzbach ist dafür seit über 20 Jahren Irxenschmalz gefragt. Mit Schwalben, abgesichert von einer Seilwinde, stellten zwei Dutzend Mitglieder der Radlstrampler auf dem Spielplatz an der Beethovenstraße ihren Baum auf – endlich wieder, denn als 2020 die Pandemie ausbrach, blieb die dafür vorgesehene Grube verweist. Anfangs schaute noch der meterhohe Stamm des gefällten 2019er-Maibaums wie ein trauriger Torso aus dem Boden.

Klein, aber fein



Dass der Sulzbacher Baum gerade mal 15 Meter hoch ist, liegt an der selbst auferlegten Beschränkung des Vereins. 2001 hatte das Orkantief „Willi“ den über 30 Meter hohen Baum auf ein Garagendach gestürzt. Ein nicht so dicht besiedeltes Ausweichquartier kam nicht in Frage. Seither begnügt man sich längenmäßig.

Ohne Baum kann der Bayer offenbar nicht sein. Kaum ist der Weihnachtsbaum abgetakelt und entsorgt, muss ein Maibaum her – und das schon seit über 500 Jahren. So alt ist die Tradition. Wolf-Dietrich Hage von den Radlstramplern hat sich mit Tradition und Symbolik beschäftigt. Der Stamm steht für das Männliche. Der Kranz dagegen, durch den der Stamm führt, ist mehr als nur Schmuck; er steht für das Weibliche.

Weithin sichtbare Symbolik



Auf diese weithin sichtbare Symbolik wollten auch die Sulzbacher nicht verzichten, die schon vor dem Krieg tatkräftig geholfen hatten, dass in der Nachbarschaft, in Fürholzen, ein Baum aufgestellt wurde. Ihr Ortsteil war inzwischen gewachsen und mit ihm das stolze Selbstverständnis, einen eigenen Baum zu besitzen. Bis zur Geburtsstunde der „Sulzbacher Radlstrampler“ war es nur noch ein kleiner Schritt.

Wer jetzt fragt, was Radeln mit Maibäumen zu tun hat, kennt Radlgunde nicht. Das Mehrpersonen-Fahrrad hatten einige Sulzbacher vor der Vereinsgründung gekauft. Dass Radeln Vereinszweck sein sollte, war nie vorgesehen. Vielmehr heißt es in der Satzung: „Der Verein dient der Pflege und Förderung des kulturellen Brauchtums. Der Satzungszweck wird insbesondere verwirklicht durch Durchführung heimischer Veranstaltungen wie der Maibaumfeier.“

Ein uriges Maskottchen



Von Anfang an war Radlgunde mehr als nur ein uriges Maskottchen. In den 80- und 90-Jahren wurde mit ihr der Maibaum aus dem Wald in die Dorfmitte transportiert. „Heute“, erklärt Vereinsvorstand Paul Hutter, „beschränkt sich ihr Einsatz auf den Einzug zum Volksfest.“ Was nicht nur an den Pfaffenhofener Verkehrsverhältnissen liege, sondern vor allem „an der heutigen Kondition der Radlstrampler“. Zwar treten hinter dem Fahrer 14 Personen, die sich gegenübersitzen, in die Pedale, aber sie müssen einen gusseisernen Koloss bewegen. „Man braucht Traktor-Erfahrung“, sagt Hutter, „um Radlgunde zu lenken.“ Sie ist sieben Meter lang, drei Meter hoch und wiegt 2,5 Tonnen – so viel wie zwei Ford Fiesta. Inklusive der Passagiere kann man noch einen Fiesta drauflegen.

Den diesjährigen Baum hat die Stadt den Sulzbachern gestiftet, allerdings ohne Lieferservice. Radlgunde durfte in ihrem neu erbauten Stall in der Hohenwarter Straße bleiben, ihren Job übernahm ein Traktor, mit dem die Radlstrampler den Stamm die acht Kilometer nach Sulzbach transportierten. Zur Freude der über 200 Gäste, die sich die Gaudi trotz Dauerniesel nicht entgehen lassen wollten. Zuvor war der Vereinsvorstand von Haus zu Haus gegangen, hatte Einladungen ausgesprochen und um eine Spende gebeten. Für die Gäste ein Nullsummenspiel: Getränke kosteten nichts. Da wollten auch der Zweite und Dritte Bürgermeister der Stadt, Roland Dörfler und Peter Heinzlmair, nicht nachstehen: Sie übergaben dem Vereinsvorstand persönlich Getränkegutscheine.

PK