Beim Wort „Künstlerwerkstatt“ denkt man zuerst an die legendären Jazzkonzerte in Bernhard Singers Schreinerei in Pfaffenhofen. International bekannte Musiker spielten dort zwischen Kreissäge und Hobelbank. Tagsüber Werkstatt, abends Jazzclub: 2019 wurde beides nach fast 25 Jahren geschlossen.
Die Konzerttätigkeit an anderen Orten besteht in Form des rührigen Vereins Künstlerwerkstatt Pfaffenhofen bis heute fort. Doch die Künstlerwerkstatt als Kraftort, als Institution, als Begegnungsstätte für jede Form von Kunst ist nur noch eine Erinnerung.
Die aktuelle Jubiläumsausstellung „Raum-Zeit-Knoten“ in der Pfaffenhofener Kunsthalle widmet sich genau diesem Teil der Künstlerwerkstatt, der Geschichte ist – mit einem großen Finale am Freitag, 22. September (siehe Termine unten). Sie widmet sich den Künstlern, die in dem historischen Wirtschaftsgebäude mit verwildertem Garten, direkt gegenüber dem Bahnhof, Werke ausgestellt, Ateliers eingerichtet oder sogar gelebt haben. Bernhard Singer, genannt Wacky, war als ewiger Bohemien der Dreh- und Angelpunkt. Und ist nun Kurator der Ausstellung, die vom Neuen Pfaffenhofener Kunstverein veranstaltet wird.
Heimat auch für bildende Künstler
Raum. Zeit. Knoten. „Wenn Raum und Zeit zusammenpassen und die richtigen Leute zusammenkommen, kann man viel erreichen, auch wenn man nur ein bissl anschiebt“, erklärt Singer den Titel. So wie damals, 1995, als er die alte Schreinerei an der Münchener Straße übernahm. „Sie wurde ein Ort und eine Möglichkeit, an dem Künstler sich getroffen haben und sich ausprobieren konnten.“
Von Nikolaus Hipp bis Pegelia Gold
Viele Künstler beteiligen sich nun an der Gruppenausstellung. Darunter Nikolaus Hipp, der damalige Hausherr des früheren Gebäudes. Vor allem aber zeigen ehemalige Ateliernutzer und Bewohner Arbeiten – ob Bronzen von Roland Sailer, Holzschnitte und Gemälde von Helene Charitou, Projektionen von Benedikt Hipps Raku-Keramik, Architekturzeichnungen missratener Häuser von Gottfried Müller, Bilder von Maria Cetinbas oder Plastiken von Raik Gupin, Katrin Vejvoda und Philipp Brosche. Und natürlich Skulpturen, Plastiken und Installationen von Singer selbst. Über allem erklingt dabei eine Klanginstallation von Pegelia Gold. Auch Tita Heydecker ist mit einer Vielzahl an Arbeiten vertreten. Sie ist so etwas wie Wacky Singer in weiblich, hat mit dem „Alten Wirt“ in Hallbergmoos bereits in den 80ern eine ähnliche Kulturoase betrieben und einige Male in der Schreinerei ausgestellt. „Wir haben uns gegenseitig inspiriert“, sagt die 67-Jährige. Heute lebt sie in Dürnzhausen.
Befreiungsschlag für die Kulturszene
Der Neue Kunstverein hat gerne seine Halle geöffnet und die Jubiläumsausstellung sozusagen dazwischengequetscht. „Wir wollten das unbedingt machen, weil die Künstlerwerkstatt für Pfaffenhofen so wichtig war und ist“, sagt Peter Riegler vom Vorstand. Jazz, Kunst, alternativer Lebensstil: „Alles war damals erregend“, erinnert er sich an die Anfänge. „Die Künstlerwerkstatt hat mit ihrer Freiheit, ihren Möglichkeiten und Wackys scheinbarer Leichtigkeit so viel in Bewegung gebracht.“
Wacky Singer sagt leise Servus
Die Jubiläumsausstellung, 28 Jahre später, ist jedenfalls ein sehenswerter Querschnitt. Und auch eine Art Abschied von Bernhard Singer und Helene Charitou als prägende Figuren der alternativen Kulturszene. „Wir sind jetzt dann weg“, sagt der heute 64-Jährige. „Ich bin hier groß geworden“, erzählt er. Damals, als Schulbub, hätten 6000 Menschen in der Stadt gelebt. Heute sind es mehr als viermal so viele. „Pfaffenhofen ist mir zu fremd geworden.“ Singer ist bereits vor einiger Zeit in die Oberpfalz gezogen. Seine Partnerin Charitou begleitet ihn. Sie ist die letzte Kreative, die derzeit aus der einstigen Künstlerwerkstatt auszieht. 13 Jahre lang hat die heute 54-Jährige dort gelebt und gearbeitet. Die Firma Hipp als Eigentümerin hat aber andere Pläne mit dem Areal.
Die Termine im Überblick
• „Raum-Zeit-Knoten“: Die Jubiläumsausstellung in der Kunsthalle, Ambergerweg 2 in Pfaffenhofen, ist noch an diesem Wochenende sowie am kommenden Donnerstag und Freitag von 15 bis 18 Uhr geöffnet.
• Finissage ist am Freitag, 22. September, um 16 Uhr mit experimenteller Musik von Wacky Singer, Philipp Brosche, Markus Zull und Pegelia Gold.
• Jazz-Konzert: Der Verein Künstlerwerkstatt Pfaffenhofen startet ebenfalls am Freitag, 22. September, in seine Herbstspielzeit: Zu Gast ist das Johannes Enders Trio mit „Sweet Freedom – A Tribute to Sonny Rollins“. Beginn ist um 20 Uhr in der Stocker-Maschinenfabrik, Münchener Straße 24. Neben Enders (Tenorsaxophon) musizieren Henning Sieverts (Bass) und Jorge Rossy (Drums). Der Eintritt ist frei.
PK