„Die Not ist nicht verschwunden“
Verein Familien in Not kümmert sich um Fluthilfe im Kreis Pfaffenhofen – aber eben nicht nur

07.12.2024 | Stand 07.12.2024, 6:00 Uhr |

Ortstermin in Baar-Ebenhausen: Die beiden Vorsitzenden Helmut Stanglmayr (von links) und Hermann Heubeck besuchen Elisabeth Vomberg, um sich über den Stand der Reparaturarbeiten in ihrem Haus direkt an der Paar zu erkundigen. Mittlerweile ist das Ehepaar schon fast wieder komplett eingezogen. Nur noch zum Schlafen geht’s in den Wohnwagen. Foto: Puppele

Seit sechs Monaten dreht sich die Arbeit des Vereins Familien in Not verstärkt um die Hochwasserhilfen im Landkreis Pfaffenhofen. Doch auch die Notlagen außerhalb der betroffenen Gebiete reißen nicht ab.

  

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Bei der Fluthilfe laufen die Fäden beim zweiten Vereinsvorsitzenden Hermann Heubeck zusammen. Alle paar Wochen fährt er zu Haushalten, die finanzielle Unterstützung beantragt oder bereits bekommen haben. „Um mit den Betroffenen zu reden und die Familien zu besuchen, die einen Antrag gestellt haben“, erzählt er. „Es gibt nach wie vor Leute, die noch nicht in ihre Häuser zurückkehren konnten.“

Nach Hochwasser bisher mit 483.000 Euro geholfen



Knapp 483.000 Euro hat der Verein Familien in Not nach Prüfung der Fälle bereits an Hochwasserbetroffene ausbezahlt. Und auch sechs Monate nach der Katastrophe gehen noch Anträge ein. „Aber es sind auch noch Mittel da, mit denen der Verein helfen kann“, versichert Heubeck. „Und selbst wenn das Geld aus der DK-Fluthilfe aufgebraucht sein sollte, werden wir Hochwasser-Betroffene mit eigenen Mitteln unterstützen“, versichert er. Familien in Not hält dazu 100.000 Euro vor. Wohlgemerkt zusätzlich zu den rund 616.000 Euro an zweckgebundenen Spenden, die der Verein für die Fluthilfe im Landkreis Pfaffenhofen verwaltet. „Wir freuen uns unbandig über so viel Solidarität und Hilfsbereitschaft – dafür kann man den Spendern gar nicht genug danken“, sagt der Vereinsvorsitzende Helmut Stanglmayr über diese stolze Spendensumme.

Es gibt auch noch viele andere Notlagen



Doch neben der Fluthilfe läuft auch die normale Arbeit des Pfaffenhofener Hilfsfonds weiter: „Die Not abseits der von der Hochwasserkatastrophe getroffenen Gebiete ist ja nicht verschwunden“, sagt Stanglmayr. Umso mehr hofft er, dass den Verein auch wieder Spenden ohne Hochwasser-Zweckbindung erreichen – um Menschen im Landkreis unbürokratisch helfen zu können, die unverschuldet in Notlagen geraten sind. Etwa wegen persönlicher und familiärer Krisen oder wegen Krankheit und damit einhergehender Arbeitslosigkeit.

Heizöl, Mietkostenzuschuss – oder einfach nur eine Brille



Einzelschicksale, die einem oft nahe gehen. Sei es die vierköpfige Familie, die trotz zwei Gehältern kaum über die Runden kommt und vorm Winter nun ohne Heizöl dastand. Hier konnte der Verein den Öltank füllen. Oder der Fall einer Mutter, die sich von ihrem wiederholt gewalttätigen Ehemann trennte. Der Verein übernahm zwei Monatsmieten, bis sie eine kleinere Wohnung finden konnte. Manchmal kann auch mit vergleichsweise kleinen Summen Großes bewirkt werden: Etwa im Fall einer alleinstehenden, mittellosen Seniorin aus dem Landkreis, deren Sehkraft so stark nachgelassen hatte, dass sie nicht einmal mehr ihren Hobbys nachgehen konnte. Für sie übernahm der Hilfsverein die Kosten für eine Brille in Höhe von 440 Euro – damit sie wieder am gesellschaftlichen Leben teilnehmen kann.

Unbürokratische Hilfe seit 34 Jahren



Seit 1990 gibt es den Hilfsfonds Familien in Not nun bereits. Seit seiner Gründung hat der Verein finanzielle Hilfen in Höhe von rund drei Millionen Euro an Menschen und Familien in Notlagen ausbezahlen können. „Aber ohne die vielen großzügigen Spender und Unterstützer der Vorweihnacht der guten Herzen wäre das nicht möglich“, stellt der Vorsitzende Stanglmayr klar. Und dafür könne er gar nicht oft genug „Vergelt’s Gott“ sagen.

Hausbesuche im Hochwassergebiet



Zurück zur Fluthilfe: Ortsbesuch in Baar-Ebenhausen. Mit einem strahlenden Lächeln begrüßt Elisabeth Vomberg die beiden Vorsitzenden von Familien in Not. Bereits im Juli habe sie um finanzielle Unterstützung beim Pfaffenhofener Verein gebeten. Mit Erfolg. „Familie Vomberg hat uns damals den ersten Antrag auf Fluthilfe zukommen lassen“, erinnert sich Hermann Heubeck. „Ich war persönlich vor Ort und habe mit Schrecken die Schäden gesehen.“ Mittlerweile ist viel geschehen, auch dank der Hilfe von Familien in Not. Elisabeth und Reinhard Vomberg konnten samt Hund wieder in ihr Haus in direkter Nachbarschaft zur Paar einziehen. Fast, denn geschlafen wird noch im Wohnwagen, der in der Hofeinfahrt parkt. „Aber endlich wurde die Küche geliefert! Wie schön es sein kann, wieder an einem anständigen Tisch zu essen“, freut sich die Baar-Ebenhausenerin. Nach der Flut im Juni musste im Erdgeschoss alles raus: „Möbel, Böden, Bauschutt – die Entsorgung allein war schon teuer. Dann mussten wir alles neu kaufen. Und es nimmt ja kein Ende“, so Vomberg weiter. Erst heute habe sie vier Säcke Fliesenkleber und Werkzeug gekauft. Da seien gleich mal 150 Euro weg.

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Heubeck kennt die Sorgen. Er war selbst mehrere Male in Baar-Ebenhausen und Reichertshofen unterwegs. Hat bei augenscheinlich vom Hochwasser betroffenen Häusern einfach geklingelt und diejenigen, die bereits eine Zuwendung vom Verein erhalten haben, auch weiterhin besucht. „Wir möchten auch sehen, was die Geldspenden bewirkt haben. Und vielleicht noch weitere Familien finden, denen wir unter die Arme greifen können.“ So auch dieses Mal. Treffpunkt Reiterstraße, hier gibt es nahezu kein Haus, an dem nicht der Keller vollgelaufen war, oftmals das Wasser auch im Erdgeschoss stand. „Der Familie an dieser Adresse haben wir ebenfalls mit Spendengeldern helfen können“, zeigt Heubeck auf ein Einfamilienhaus. Zuhause ist niemand, die Familie kann noch nicht in ihr Haus zurückkehren, wohnt übergangsweise in Reichertshofen. Heubeck wagt einen Blick durchs Fenster: Rohbau, Kabel, blanker Beton. Auch hier ist noch viel zu tun, die Rückkehr der Familie wird noch auf sich warten lassen.

Die beiden Vorsitzenden des Hilfsvereins klingeln spontan bei der Familie gegenüber. Ja, der Verein Familien in Not sei dem Ehepaar ein Begriff. Einen Antrag auf finanzielle Hilfe haben die beiden trotzdem nicht gestellt: „Wir kommen zurecht. Es geht vielen so viel schlechter als uns. Klar, unsere Rücklagen sind verbraucht. Aber irgendwie packen wir das schon.“ Bei anderen gehe es an die Existenz, sie könnten immer noch nicht wieder in ihrem Haus wohnen, haben keine Heizung oder noch Schulden vom Hausbau. Dort werde das Geld viel dringender benötigt.

Heubeck und Stanglmayr sind beeindruckt, sprechen dem Paar ihren Respekt aus und ziehen weiter. Bevor sie nach Reichertshofen fahren, werfen sie noch einen Hilfsantrag ein. Von der Familie haben sie über Umwege erfahren. Heubeck und Stanglmayr betonen: „Wir würden uns freuen, dort helfen zu können.“

PK



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