Reichertshausen
Das erste Bier ist fast schon eingeschenkt

Pischelsdorfer planen für ihr Dorfheim eine eigene Genossenschaft – Rund 90 Interessierte kommen

09.06.2022 | Stand 22.09.2023, 22:28 Uhr

Das Interesse ist groß: Rund 90 Zuhörer kamen zur Infoveranstaltung rund um die Fanni in Pischelsdorf. Das Dorfheim soll schon im Herbst oder Winter eröffnet werden, dazu ist noch eine Genossenschaft für den Betrieb nötig. Foto: Moll

Von Konrad Moll

Pischelsdorf – Mit einem Gewitter und einem Maibaum hat alles angefangen. So erzählt es Thomas Neufeld, als er rund 90 Leute in Pischelsdorf begrüßt, die sich vorstellen könnten, Genossen zu werden. Die Zuhörer sind gekommen, weil sie sich für das Projekt Fanni interessieren. Die Fanni, das war vor langer Zeit mal die Dorfwirtschaft in dem Ortsteil von Reichertshausen. Und das soll sie auch wieder werden – mit Hilfe einer Genossenschaft.

Zu den treibenden Kräften gehört Bauingenieur Neufeld. Die Gemeinde Reichertshausen, die das Projekt unterstützt, hat ihn mit der „ehrenamtlichen Bauüberwachung und Materialbeschaffung“ beauftragt. Bei einem Infoabend schildert der Bauingenieur erst einmal, wie das ungewöhnliche Projekt zustande kam. Neufeld erzählt das in einer Werkshalle, die dem Malermeister und Gemeinderat Konrad Moll gehört, der auch einer der Antreiber des Projekts Fanni ist. Die Leute, die gekommen sind, sitzen in zwei Reihen auf Bierbänken. Links hängen allerlei Schläuche an der Wand, rechts stapeln sich Gerüstteile, hinten spendiert die Freiwillige Feuerwehr Pischelsdorf belegte Semmeln, und vorne berichtet die Fanni-Projektgruppe über den Stand der Dinge.

Betreiber soll eine noch zu gründende Genossenschaft sein, die keine Gewinne machen will – sondern einfach nur dazu beitragen möchte, das Dorfleben lebendiger zu machen. Die geplante Genossenschaft soll die Fanni, die der Gemeinde Reichertshausen gehört, zu einem symbolischen Preis pachten. Vorerst zwölf Jahre lang, mit der Option auf zweimalige Vertragsverlängerung von jeweils fünf Jahren. Die zwölf Jahre sind bei Genossenschaften als Mindestlaufzeit so vorgeschrieben, und nach 22 Jahren muss auch noch lange nicht Schluss sein. Wer der Genossenschaft beitritt, zahlt 500 Euro und bekommt dafür einen Anteil und eine Stimme. Nachschusspflichten gibt es nicht, mehr Basisdemokratie geht kaum. Eine Generalversammlung wählt Vorstand und Aufsichtsrat, die beide ehrenamtlich tätig sind. Und der Genossenschaftsverband Bayern prüft alle zwei bis drei Jahre die jeweiligen Jahresabschlüsse der Fanni-Gemeinschaft.

Als notwendiges Startkapital sind 73000 Euro kalkuliert, vor allem für die Inneneinrichtung der Fanni inklusive Besteck und Geschirr. Das rechnet Oliver Wulle, er ist gleichsam der Finanz- und Genossenschaftsexperte bei dem Projekt, den Besuchern der Infoveranstaltung vor. Die 73000 Euro sollen über Genossenschaftsbeiträge und Spenden zusammenkommen. Die Volks- und Raiffeisenbank Dachau mit ihrer Filiale im benachbarten Steinkirchen hat bereits zugesagt, die Gründungskosten für die Genossenschaft zu übernehmen.

Für den ehrenamtlichen Betrieb der Fanni rechnen die Initiatoren dann mit Einnahmen und Ausgaben in Höhe von jeweils 17000 Euro im Jahr. Große Umsätze sind nicht geplant, die Dorfgaststätte wird nicht täglich öffnen. Im Stadl, der dazu gehört, aber nicht beheizt wird, sind im Sommerhalbjahr auch Veranstaltungen möglich. Konzerte, Theater, Kleinkunst eben und anderes mehr, und auch das alles nicht kommerziell. Plus Back- und Kochkurse, und was sonst noch so denkbar ist.

Die Gemeinde Reichertshausen unterstützt diese Planungen, einen Vertragsentwurf gibt es auch schon. Den hat der Dritte Bürgermeister Benjamin Bertram-Pfister (SPD) dabei, als er bei der Info-Veranstaltung die Grüße der Gemeinde überbringt und das Projekt in den höchsten Tönen lobt. Und versichert, dass die Wiederbelebung der vor Jahrzehnten geschlossenen Dorfwirtschaft nicht an der Gemeinde und auch nicht am Pachtbetrag scheitern werde.

Neufeld sagt zum Schluss noch: „Mir macht es eine Freude, und den anderen, glaub ich, auch.“ Nur eines stimmt traurig. Sein Bruder Walter, der sich als ortsansässiger Schreiner kräftig einbrachte und ebenfalls zu den großen Antreibern zählte, erlebt das alles nicht mehr: Er ist Anfang des Jahres nach schwerer Krankheit verstorben.

Die Initiatoren werden Walter Neufeld auch nach seinem Tod als „Geburtshelfer unseres Dorfheimes“ in Erinnerung halten: „Wir werden Dich nicht vergessen und die erste Halbe auf Dich trinken, wenn es denn so weit ist.“

PK