„Ein Ding aus meine Kindheit“
Trotz schwerem Schicksal dankbar: Wolnzacherin in BR-Serie zu sehen

Schicksal meinte es mit Gisela Warady nicht immer gut – Beitrag in BR-Serie „Ein Ding aus meine Kindheit“

06.09.2022 | Stand 22.09.2023, 5:59 Uhr

Gisela Warady aus Wolnzach blättert gern in alten Fotoalben, hier ist sie mit ihrer gleichaltrigen Pflegeschwester Mathilde zu sehen. Fotos: Zurek

Gisela Warady aus Wolnzach (Landkreis Pfaffenhofen) hätte allen Grund, mit einem Schicksal zu hadern, das nicht immer glimpflich mit ihr umgegangen ist. Doch die lebensfrohe Seniorin wirft lieber den Blick auf die „Schmuck-Stücke“, die ihr im realen wie im übertragenen Sinn beschert wurden. Schmuckstücke, die ihr nun sogar zu einem Auftritt im BR-Fernsehen verhalfen.



„Wo ich das erste halbe Jahr meines Lebens verbracht habe, weiß ich nicht“, gesteht die gebürtige Pfaffenhofenerin, die eine berührende Geschichte zu erzählen hat. Sie war das zweite „ledige Kind“ einer Mutter, die sie ebenso wenig kennengelernt hat wie den Vater. Während ihr älterer Bruder bei den Großeltern aufwächst, wird sie „weggegeben“. Oma und Opa wären mit einem weiteren Zögling überfordert gewesen, halten aber immer den Kontakt zu ihr aufrecht. Mit sechs Monaten kommt sie schließlich nach Wolnzach zu Katharina Pilz, die ihr zur „Mutti“ wird. Mit in dem winzigen Haus lebt – neben deren leiblicher Tochter und den beiden Enkeln – die zweite Pflegetochter Mathilde. „Wir waren gleichaltrig und rasch gute Freundinnen“, so die 69-Jährige.

Ziehvater und Ehemann mit Alkoholproblemen



Den Ziehvater lernt sie nie wirklich kennen. „Der war wegen seiner psychischen Erkrankungen und seiner Alkoholsucht in der Klinik in Haar untergebracht“, erklärt sie und zeigt sogar ein gewisses Verständnis dafür, dass er sich für die beiden Pflegekinder „nie wirklich interessiert hat“. Vielleicht habe er sich gescheut, erneut Nähe zuzulassen, weil das erste von ihm und seiner Frau aufgenommene Kind nach drei Jahren wieder zurück zu seinen Eltern durfte – eine Trennung, die für ihn offenbar sehr schmerzlich gewesen sei. Sie selber schließt die Hauptschule ab und beginnt die Lehre zur Einzelhandelskauffrau. Mit 17 Jahren heiratet sie und ist nur wenige Monate im Beruf tätig, als ihr Sohn Stefan zur Welt kommt. Schon ein Jahr später folgt Markus und als Nachzügler zehn Jahre danach, Thomas. Der „Clan“, wie die inzwischen vierfache Oma ihre Familienbande nennt, macht sie heute „rundum glücklich“.

Als junge Frau muss sie bald feststellen, dass auch ihr eigener Ehemann ein Problem mit dem Alkohol hat. „Er wurde schwer krank, hat einen Schlaganfall erlitten und musste danach erst mühsam wieder laufen und reden lernen“, erinnert sie sich an eine schwere Zeit, die von Rückfällen in die Sucht und dem Verlust der Arbeitsstelle geprägt ist. Die Verantwortung für die Familie muss sie also früh allein tragen. „Nie im Leben hätte ich Sozialhilfe beantragt!“, betont sie und man hört direkt das Ausrufezeichen. Stattdessen schuftet sie als Haushaltshilfe und in der Kantine eines großen Automobilherstellers für ihrer aller Unterhalt.

Als Kind hatte sie gelernt, dankbar zu sein und sich „nicht aufzumandeln“. Die Dankbarkeit hat sie sich bewahrt, sie hilft ihr immer wieder das Positive im Leben zu sehen. Lernen musste sie hingegen, „nicht alles klaglos hinzunehmen“. Wie zur Bestätigung blitzen die wachen Augen hinter der feschen Brille. Als ihr Mann mit 56 Jahren stirbt, hatte sie sich schon in kleinen Schritten von ihm „abgenabelt“. Was blieb war die Sorge um die Söhne. Doch die sind nun erwachsen und die Großmutter mit der regelrecht greifbaren „Power“ genießt jeden Tag, allen voran die Urlaube mit den Freundinnen. „Ich bin niemandem auf dieser Welt neidisch“, sagt sie strahlend. Man glaubt es ihr aufs Wort.

Mit zwei Dingen aus der Kindheit im Fernsehen

Auf materielle Dinge legt Gisela Warady wenig Wert. Und doch sind es zwei „Schmuck-Stücke“, die ihr sogar zu einem Fernsehauftritt verhalfen. Wobei freilich der Zufall seine Finger im Spiel hatte. Sie war gerade auf dem Weg zur Bank, als BR-Moderatorin Stefanie Heiß sie auf der Suche nach einem neuen Objekt für die Serie „Ein Ding aus meiner Kindheit“ ansprach.

Der Wolnzacherin fiel spontan ein besonderes Geschenk ein – und schon zwei Stunden später saß das TV-Team in gemütlicher Runde bei ihr, um das aus Platin und Granat gefertigte Kreuz mit dem passenden Armband ins rechte Licht zu rücken. „Die hat mir meine herzensgute Mutti geschenkt und ich hab sie sogar bei meiner Hochzeit getragen“, verrät die Seniorin, warum das Ensemble für sie emotional von „unersetzlichem Wert“ ist. Mit ihrer Kindheit ist auch noch ein weiteres „Ding“ verbunden. Ein von keinem Geringeren als König Ludwig II. im Mai 1886 unterzeichnetes, handschriftliches Dokument, das ein Urteil des Landgerichts München I wegen Betrugs rechtskräftig werden und einen Hauptmann hinter Gitter wandern ließ. Wie sie dazu gekommen ist? Auch das hat, wie sich herausstellt, viel mit Gefühlen zu tun. Sie müsse wohl so sechs oder sieben Jahre alt gewesen sein, als weiter oben in der Straße ein älterer Herr einzog. Schnell nahm dieser liebevoll „Schmidt-Papa“ genannte Nachbar jene Stelle in ihrem Herzen ein, die bis dahin leergeblieben war. Der Ersatzvater half ihr und ihrer Pflegeschwester bei den Hausaufgaben, begleitete sie ins Schwimmbad oder lud sie ins Café ein. Er habe ihnen beiden „menschlich viel gegeben“, und sie hoffe, „dass wir ihm auch etwas zurückgeben konnten“, meint Gisela Warady nachdenklich.

Warum sie ausgerechnet das historische Schreiben geerbt hat, weiß sie selbst nicht zu sagen, aber sie hütet es ebenso wie den Granatschmuck als eine besondere Erinnerung an Menschen, die ihr „Geborgenheit und eine tolle Kindheit“ geschenkt haben.

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