Geisenfeld
Bei der Feierabend-Halben wird eifrig diskutiert

Der eine ist CSU-Chef, der andere Grünen-Vorsitzender: Die Brüder Michael und Thomas Pilawa im Gespräch

07.05.2022 | Stand 23.09.2023, 1:36 Uhr

Diskutieren ja, zanken nein: Die beiden Brüder Thomas und Michael Pilawa stehen zu ihrer unterschiedlichen politischen Ausrichtung. Foto: Kohlhuber

Geisenfeld – Zwei Brüder – der eine steht dem CSU-Ortsverband vor, der andere im selben Ort (als Co-Vorsitzender) den Grünen. So ist das in Geisenfeld bei Michael und Thomas Pilawa (Kurzporträt unten). Für unsere Zeitung war diese ungewöhnliche Konstellation Anlass, die Brüder zum Doppel-Interview zu bitten.

Mal ehrlich: Wer von Ihnen beiden ist denn nun das schwarze Schaf in der Familie – der Grüne oder doch der Schwarze?

Thomas Pilawa: Wenn man unsere Eltern fragt, dann bin das wohl ich, weil die beiden eher konservativ gestrickt sind. Ich war früher auch mal ein braver CSU-Wähler, aber man entwickelt sich halt weiter.

Michael Pilawa: Ja, irgendwie ist er in falsche Kreise geraten (lacht). Ich weiß nicht, was er sich dabei gedacht hat. Aber mal im Ernst: Wir haben noch zwei jüngere Brüder, und die finden es ganz toll und spannend, dass wir beide mit unterschiedlicher Ausrichtung politische Verantwortung übernehmen.

Sehen Sie sich oft, und wie laufen diese Treffen ab? Geht es da harmonisch zu oder wird da auch mal handfest gestritten?

Thomas P.: Wir treffen uns jeden Freitagabend nach der Arbeit zu einer Feierabend-Halben – abwechselnd bei Michael und bei mir. Das ist eine schöne kleine Tradition geworden. Natürlich wird da auch über Entwicklungen der kleinen und großen Politik diskutiert. Da prallen schon öfter mal gegensätzliche Meinungen aufeinander, ein handfester Streit wird aber nie daraus.

Michael P.: So sehe ich das auch, wobei ich aber zugeben muss, dass ich mich mit dem Neuigkeiten-Austausch zur politischen Arbeit im CSU-Ortsverband jetzt mehr zurückhalte.

Werden wir in Sachen große Politik mal konkret: Welche Schulnote geben Sie der bisherigen Arbeit der neuen Bundesregierung – und mit welcher kurzen Begründung?

Michael P.: Von mir gibt’s eine 4, denn es wurde zwar die Modernisierung des Landes versprochen, doch eine solche ist bislang nicht in Sicht.

Thomas P.: Ich gebe eine 2, zumal keine neue Regierung in den letzten Jahrzehnten so schwere Startbedingungen hatte. Die Schwächen in manchen Bereichen werden sich hoffentlich legen.

Vollenden Sie bitte folgende beiden Sätze: Die bisherige Arbeit den grünen Minister Habeck und Baerbock beurteile ich...

Thomas P.: ...als sehr gut, weil von ihnen alle notwendigen Schritte unternommen werden, weil sie auch Dinge durchsetzen, die vor dem russischen Angriffskrieg parteiideologisch undenkbar waren und weil sie alles sehr offen kommunizieren.

Michael P.: ... besser als befürchtet. Beide machen das, was notwendig und der derzeitigen Situation angemessen ist.

Die Lieferung auch schwerer Waffen an die Ukraine ...

Michael P:... muss gut überlegt sein, weil der Konflikt tatsächlich noch viel Eskalationspotenzial hat, was gerade für Deutschland wegen seiner geografischen Lage sehr gefährlich werden kann. Ich würde mir wünschen, dass Deutschland bei der Suche nach einer diplomatischen Lösung eine Führungsrollen einnimmt.

Thomas P.: ... halte ich für leider notwendig, um diesen Verrückten zu stoppen. Ich weiß, dass dies in meiner Partei nicht alle so einschätzen, aber ich sehe derzeit bedauerlicherweise keine Chance auf eine diplomatische Lösung.

Mal abseits von der Beendigung des Krieges in der Ukraine: Was sind für Sie die drei wichtigsten Punkte, die die deutsche Politik in den nächsten Jahren in Angriff nehmen muss?

Michael P.: Die Neuausrichtung der Wirtschaftspolitik auf mehr Autarkie und mit stabilen Lieferketten, die sinnvolle Umsetzung der Energiewende und die Beseitigung des Fachkräftemangels.

Thomas P.: Eine schnelle und sozialverträgliche Energiewende, ein Umbau der Wirtschaft weg vom ,immer mehr und immer größer’ und eine Verkehrswende mit einem möglichst großen Verzicht auf den umweltschädlichen Individualverkehr – was zugegebenermaßen in der Stadt leichter möglich ist als auf dem flachen Land.

Kommen wir mal zu Geisenfeld: Wie beurteilen Sie persönlich die bisherige Arbeit von Bürgermeister Paul Weber?

Thomas P.: Von dem, was ich bisher mitbekommen habe, kann ich nichts Negatives sagen. Grüne Anstöße kann sicherlich aber auch er gut gebrauchen, wenn wir in Zukunft mal Mandate im Stadtrat haben.

Michael P.: Ich finde auch, er hängt sich rein und macht gute Arbeit. Auch die Kommunikation mit den Stadtratsfraktionen funktioniert gut, was ich so höre.

Wenn Sie derzeit Geisenfelder Bürgermeister wären, was sähen Sie als ihre wichtigsten Aufgaben in der laufenden Wahlperiode?

Michael P: Da ist zum einen die Verkehrsentlastung. Erste erfolgreiche Schritte dazu wurden ja schon gegangen wie die Installation einer Ampel an der Stadtplatzkreuzung – übrigens eine von der Geisenfelder CSU entwickelte Idee. Aber auch in Sachen Innenstadtbelebung muss dringend etwas unternommen werden.

Thomas P.: Ebenfalls die Verkehrsentlastung, aber auf anderem Weg. Will heißen, keinesfalls durch eine Umgehungsstraße, sondern durch eine Stärkung des ÖPNV und deutliche Verbesserungen bei der Fahrrad-Infrastruktur. In Sachen Energie würde ich darauf achten, dass die Stadt selbst mit positivem Beispiel vorangeht – etwa mit PV-Anlage auf allen kommunalen Gebäuden.

Letzte Frage: Viele politische Beobachter glauben, dass es nach der nächsten Landtagswahl in Bayern auf Schwarz-Grün hinauslaufen könnte. Wie stünden Sie dazu?

Michael P.: Unser Ziel bei der CSU ist natürlich nach wie vor die absolute Mehrheit, aber wenn es damit nicht klappen sollte, wäre Schwarz-Grün sicherlich thematisch möglich – auch wenn für die CSU in Sachen Koalitionspartner sicherlich die Freien Wähler erste Wahl bleiben.

Thomas P: Schwierig, aber möglich. Reizvoll wäre es sicherlich, grüne Themen nicht nur propagieren, sondern in Regierungsverantwortung auch selbst umsetzen zu können.

Das Gespräch führteGerhard Kohlhuber.KURZPORTRÄT DER BEIDEN PILAWASSagen wir es mal so: Auf den ersten Blick ist es nicht unbedingt erkennbar, dass Thomas und Michael Pilawa Brüder sind. Und die Zwei sind in vielen Dingen auch ganz unterschiedlich gestrickt, was sich am deutlichsten in der politischen Ausrichtung offenbart. Der 33-jährige Michael steht seit zweieinhalb Jahren dem CSU-Ortsverband Geisenfeld vor, sein 32-jähriger Bruder ist seit diesem März Co-Vorsitzender der Geisenfelder Grünen.Aus dieser nicht alltäglichen Konstellation ergibt sich natürlich viel interner Diskussionsstoff. Über die politischen Entwicklungen und vieles andere wird bei einer Feierabend-Halben geplauscht, zu der sich die zwei Brüder jeden Freitag nach der Arbeit treffen. „Denn eigentlich verstehen wir uns ja ganz gut“, sagen beide augenzwinkernd.Die Pilawas sind in Hallbergmoos aufgewachsen. Thomas – eher der Praktiker mit handwerklicher Begabung – ist studierter Fachinformatiker und derzeit bei einer Spedition im Controlling tätig. In seiner Freizeit ist er Hobby-Brauer und Bier-Sommelier. Seit 2014 lebt er in Parleiten, wohin es ihn „der Liebe wegen“ verschlagen hat.Michael ist studierter Mechatroniker und als Experte für Energiespeicher und -steuerung bei der MAN-Kraftwerksentwicklung als Teamleiter tätig. Nach Geisenfeld gezogen ist der verheiratete Vater zweier Kinder vor etwa sechs Jahren im Zuge der Familiengründung – weil es aus beruflichen Gründen der Raum Ingolstadt sein sollte und weil ja auch schon die Wohnortwahl seines Bruders auf Geisenfeld gefallen war.Zum Doppelinterview mit unserer Zeitung, das auf der Terrasse von Thomas’ Haus in Parleiten stattfand, hatte Michael dann auch keine allzu weite A