Pfaffenhofen
21-jähriger Junkie zu zehn Monaten Haft verurteilt

Ob er in den Knast geht, liegt ganz bei ihm

11.01.2022 | Stand 25.10.2023, 10:28 Uhr

Foto: Hartmann/dpa

Von Albert Herchenbach

Pfaffenhofen –
Es ist ja nicht so, dass ihm die Gerichte bisher keine Chance gegeben hätten: Schon mehrfach ist Finn S. (Name geändert) wegen Drogendelikten verurteilt worden, zweimal wurde die Strafe zur Bewährung ausgesetzt. Jetzt hat er es selbst in der Hand, ob er die Haftstrafe von zehn Monaten antreten muss, zu der ihn das Pfaffenhofener Jugendschöffengericht verurteilte. Kann er nachweisen, dass er sich gebessert hat, eine Drogentherapie aufsucht sowie engen Kontakt zu seinem Bewährungshelfer hält? Dann kann er gegen das Urteil mit guter Aussicht auf Erfolg Berufung einlegen.


Der 21-Jährige, der da neben seinem Verteidiger kleinmütig auf der Anklagebank sitzt, wünscht sich eigentlich nur eines: eine eigene intakte Familie. Die hat er, so schildert es sein Anwalt, der seinen Mandanten seit Beginn der kriminellen Karriere kennt, nie erleben dürfen. Die Ehe seiner Eltern zerbrach kurz nach seiner Geburt. Anfangs lebte er bei seiner Mutter, dann beim Vater, mit dem es ständig Streit gab. Verlässliche Bezugsperson war die Oma. Aber die konnte den Absturz ihres Enkels auch nicht verhindern. Die Regelschule schaffte er nicht, genauso wenig wie eine Ausbildung. Verschiedene Jobs verlor er schon nach kurzer Zeit. Derzeit ist er arbeitslos und lebt von der Sozialhilfe.

Als 15-Jähriger stand er erstmals wegen Drogenbesitzes vor Gericht. 2018 und 2020 wurde er jeweils zu Bewährungsstrafen verurteilt. Die allerdings, stellte die Staatsanwältin fest, fruchteten wenig. Zwar hatte sich Finn S. nach einem Entzug für eine stationäre Drogentherapie angemeldet, aber die kam wegen Corona nicht zustande. „Ich wurde wieder rückfällig“, sagt der Angeklagte. Ein Nachbar hängte ihn hin und alarmierte die Polizei. Die Beamten trafen ihn daheim an, einträchtig neben seiner Freundin auf dem Sofa sitzend. Auf einem Beistelltisch entdeckten die Beamten einen fertig gedrehten Joint, abgepackte Plastiktütchen mit Marihuana, eine Feinwaage und unter dem Sofa einen Beutel mit 262 Gramm Gras. Der THC-Gehalt des gesamten Fundes betrug insgesamt 57 Gramm. Mit dieser strafrechtlich „nicht geringen Menge“ steht man mit einem Bein im Knast. Außerdem stellten die Polizisten 280 Euro sicher, die Finn S. aus den Drogengeschäften erzielt hatte.

Noch im Juni vor zweieinhalb Jahren schien sich das Schicksal für ihn zum Positiven zu wenden: Finn wurde Vater. „Er wollte eine kleine Familie gründen“, berichtet sein Bewährungshelfer, „das war ihm ganz wichtig.“ Hat nicht funktioniert: Wenig später kam er wegen einer Straftat in U-Haft, seine Freundin wurde in einem Mutter-Kind-Heim in Regensburg untergebracht. Dort besuchte sie Finn S. immer wieder. Einmal ließ er sich von dort per Taxi nach Hause in den mittleren Landkreis chauffieren, ohne die Rechnung zu zahlen. Den Fahrpreis von 125 Euro hat er inzwischen erstattet, das Verfahren wegen Betrugs wurde eingestellt.

Der Bewährungshelfer appelliert an das Gericht, dringend Maßnahmen zu verhängen, die dem Angeklagten helfen, seine Sucht zu bekämpfen. Die Staatsanwältin sieht wegen der einschlägigen Vorstrafen wenig Spielraum und beantragt 16 Monate Jugendstrafe. Bewährung ausgeschlossen. Der Verteidiger bittet um eine Bewährungsstrafe. Finn S. sei inzwischen clean, sein Vater tue alles, um ihn wieder auf die Spur zu bringen. Sogar einen Job habe er in Aussicht.

Nach halbstündiger Beratung mit den beiden Schöffen verkündet Jugendrichter Franz Kugler das Urteil: zehn Monate Haft nach dem Jugendstrafrecht. Er attestiert dem 21-Jährigen „erhebliche schädliche Neigungen und Reifedefizite“. Oberste Prämisse bei der Urteilsberatung: Pfeiler setzen, an denen sich Finn S. orientieren kann, um ein eigenverantwortliches Leben zu führen.

Ganz bewusst setzt das Schöffengericht die Strafe nicht zur Bewährung aus. „Wir wollen dir helfen“, erklärt der Richter. Er habe jetzt zwei Möglichkeiten: sich aufs Sofa zu setzen, nichts zu tun und die Strafe antreten – oder konkrete Schritte zu unternehmen und das Berufungsgericht mit schriftlichen Nachweisen davon zu überzeugen, dass er auf dem richtigen Weg ist. „Den geben wir dir jetzt vor“, sagt Kugler, „die Strafe muss nicht unbedingt vollstreckt werden. Es liegt jetzt an dir.“

PK