Neumarkt
Vom Leben an König Ludwigs Wasserstraße

Wolf-Dietrich Nahr porträtiert in seinem Buch „Menschen am Alten Kanal“

03.06.2022 | Stand 22.09.2023, 22:35 Uhr

Sein Leben dem Ludwig-Donau-Main-Kanal gewidmet hat Rudolf Zitzmann aus Berching – unter anderem als Inspekteur der Wasserstraße.

Von Franz Xaver Meyer

Neumarkt – Der alte Ludwig-Donau-Main-Kanal hat es immer mehr Menschen angetan und sie in den Bann gezogen. So auch Wolf-Dietrich Nahr. Der Journalist kam nach beruflichen Wechseln in die Oberpfalz und der Kanal übte auf ihn eine unwiderstehliche Faszination aus.

Es sind nicht nur außergewöhnliche Leute, die Nahr in seinem gut hundert Seiten starken Buch mit dem Titel „Menschen am Alten Kanal“ porträtiert hat, auch die Technik und die Kulturgeschichte hat er umrissen. Der Autor hat bei seinen unzähligen Exkursionen immer seinen Fotoapparat dabei, keine Digitalkamera, sondern eine analoge Mittelformatkamera, in die er Schwarzweißfilme einlegte. „Schwarzweiß wegen der zahlreichen historischen Bilder, aber auch, um nostalgisches Flair zu vermitteln“, begründet Nahr seine Wahl.

Der Journalist beschäftigte sich nicht nur mit Menschen, die heute an der künstlichen Wasserstraße leben, sondern auch mit drei Protagonisten, ohne die der Kanal nicht gebaut worden wäre. Das sind König Ludwig I., Kanalbaumeister Heinrich von Pechmann und das Technikgenie Johann Wilhelm Spaeth. Einleitend widmet Nahr diesen Menschen einen Essay. Der Titel „Majestät, Macher, Mechanikus“ passt zum Dreigestirn.

Transporte von der Nordsee bis zum Schwarzen Meer sollten mit dem Kanal, der 1846 eingeweiht worden ist, möglich sein. Dazu kam es aber nicht. „Nicht kompatible Breiten und Tiefen in Donau, Kanal und Main ließen einen grenzüberschreitenden Schiffsverkehr buchstäblich auf Grund laufen“, schreibt Nahr. Der Kanal bekam schließlich nur regionale Bedeutung. Die Wasserstraße lag in einem Dornröschenschlaf, aus dem sie erst in den vergangenen Jahrzehnten geweckt wurde. Zwischen Nürnberg und Bamberg ist kaum mehr etwas vom alten Kanal zu sehen, dafür aber von Nürnberg über den Landkreis Neumarkt und kanalabwärts umso mehr. Nahr hat Hans Luber in Pollanten besucht. Er ziert mit seinem Treidelpferd das Titelbild. „Treideln“ heißt soviel wie ziehen. Einst wurden die Kanalschiffe von Pferden gezogen. Luber bietet das heute als touristisches Erlebnis an, wenn der Kahn „Alma Viktoria“ mit vielen Passagieren einige Kilometer dahingleitet.

Seine Ausflüge führten den Autor auch zu Rudolf Zitzmann aus Berching. Der 65-Jährige gelernte Maurer und Stuckateur war über ein Vierteljahrhundert sogenannter Dammbegeher. Zweimal im Jahr musste er auf 40 Kilometern die Kunstbauten inspizieren, die einst Tausende von Arbeitern geschaffen hatten. Einem ungewöhnlichen Hobby für eine Frau frönt Nina Lang aus dem Berchinger Ortsteil Wolfersthal. Sie geht nämlich am Kanal angeln und kann hier in Ruhe abschalten.

Noch kurz vor dessen Tod hat Nahr in Burgthann Manfred Kimmig interviewt, der das Kanalmuseum auf der Burg in seinem Heimatort leitete und ein enzyklopädisches Wissen über die Wasserstraße hatte. Ein weiteres Porträt widmet der Autor dem Saubermann des Kanals. Richard Schuller aus Berching fährt seit dem Beginn seines Rentenalters im Jahr 2008 mit dem Radl am Kanal entlang und fischt allerlei unansehnliche Hinterlassenschaften heraus.

Zahlreiche Schleusenwärterhäuser hat der Autor für sein Buch abgelichtet. Die einen werden genutzt und sind hergerichtet, ein anderes in der Nähe von Dietfurt verfällt. Helmut Beyer machte aus der Schleuse 30 das Café mit dem Namen „Ludwigslust“. Genau hundert Schleusen besaß der Kanal einmal. Etliche sind erhalten und deren Tore wurden sogar wie vor 175 Jahren mit Eichenholz erneuert. Die Mechanik funktioniert noch, wie Hans Haderer von der Flussmeisterei in Neumarkt demonstriert. Von Wilhelm Spaeth konstruierte Kräne sind noch in einigen früheren Häfen zu sehen. Nahr bewundert die Kranarme, die sich in den Himmel recken. In der Nähe von Berg hat er das Ehepaar Silvia und Roland Jähnigen getroffen. Sie waren verantwortlich dafür, dass auf etlichen Kilometern ein Skulpturenweg entstanden ist. Thomas Plagemann hat Nahr den Ehrentitel „Kanal-Ombudsman“ verliehen. Ohne das Engagement des 59-Jährigen, der Sachgebietsleiter Wasserbau beim Wasserwirtschaftsamt Regensburg ist, wäre der Kanal im Landkreis Neumarkt nicht in dem Zustand, in dem er heute ist, lobt Nahr das Wirken Plagemanns, nämlich ein Freizeitparadies für Radler, Angler, Spaziergänger, Jogger, Wanderer und hier und dort auch Badelustige.

DK


Wolf-Dietrich Nahr: Menschen am Alten Kanal, 107 Seiten mit zahlreichen Schwarzweißfotos, Buch- und Kunstverlag Oberpfalz, 24,90 Euro