Acht Jahre Reparaturcafé
Zweites Leben für defekte Geräte: Reparaturcafé in Neuburg startet nach Corona wieder

01.02.2023 | Stand 17.09.2023, 4:06 Uhr

Weil der Hersteller nicht aufschraubbare Spezialschrauben verwendet hat, kann Helfer Florian Ernst den Schalter einer alten Lampe nicht einfach reparieren, sondern muss ihn komplett austauschen. Fotos: Wagener

Hell leuchtet es aus den großen Fenstern des Bürgerhauses im Schwalbanger, etwa 20 Menschen stehen in der Schlange bis auf den Weg vor dem Gebäude. Sie alle haben eines gemeinsam: In ihren Tüten und Taschen tragen sie defekte Elektrogeräte mit sich. Die sollen im ersten Neuburger Reparaturcafé nach der Coronapause zu neuem Leben erweckt werden.



Im achten Jahr gibt es das Reparaturcafé in der Ottheinrichstadt. Gegründet wurde es unter anderem von Birgit Bayer-Kroneisl und Elektromeister Werner Fuhr bei den Umwelttagen zum Thema Nachhaltigkeit im Juli 2015, berichtet die Leiterin der Stabsstelle Umwelt der Stadt Neuburg. Seither ist der letzte Dienstagabend im Monat für das Instandsetzen von Kaputtem reserviert. Beginn im Bürgerhaus ist immer 18 Uhr, Ende spätestens um 22 Uhr.

Bayer-Kroneisl ist selbst vor Ort, ebenso wie ihre Kollegin Corinna Krenauer, die die Anmeldeformulare ausgibt, dazu die 20 ehrenamtlichen Helfer, die meisten mit entsprechender Fachausbildung. An Tischen sitzen sie, ihr Werkzeug um sich herum, messen, prüfen, schrauben und löten. So wie Bernd Neuner, auf dessen Namensschild „Elektro, IT“, steht und der gerade einen alten Thermomix überprüft.

Dinge reparieren und Kontakte pflegen

Oder Wolfgang Seefried, der sich schräg gegenüber einem alten Markenstaubsauger widmet. Der gehört Elke Zwack, oder eher deren Enkeltochter, wie die Neuburgerin erzählt, und geht nicht mehr. Nachdem Seefried überprüft hat, ob die Kabeltrommel funktioniert, schraubt er den sichtbar rostigen Motor heraus: „Der hat mal Wasser gesaugt“, stellt er fest.

„Das Tolle und Schöne ist, dass die Helfer Spaß daran haben“, freut sich Bayer-Kroneisl. Das ist spürbar, Energie und Freude liegen in der Luft. Manche der Wartenden lassen sich davon anstecken, plaudern, holen sich Kaffee oder etwas von dem selbstgebackenen Kuchen. Den bereitet Marlies Rösler-Schneider, die sich um die Bewirtung kümmert, für die Gäste zu. Das gehöre zum Konzept, sagt die Leiterin: dass Leute hier auch soziale Kontakte pflegen können.

Den Kontakt unter den zum Teil langjährigen Helfern genießt Werner Fuhr: „Man tauscht sich gegenseitig aus. Wenn man mal nicht weiterweiß, kann man sich gegenseitig helfen“, erklärt der Neuburger und fügt hinzu: „Ich bin stolz auf mein Team.“ Der Elektromeister ist seit der ersten Stunde dabei, sein Beweggrund ganz klar: „Ich war schon immer der Meinung, dass man net gleich alles wegschmeißen sollte, sondern dem eine zweite Chance geben“, sagt er.

Spezialschrauben lassen sich nur eindrehen

„Reparieren statt wegwerfen“ ist das Motto bis heute. Das sei gar nicht so einfach, weiß Florian Ernst, der den Schalter einer alten Glaslampe in Händen hält: „Ein ärgerliches Teil“, sagt er und fährt fort: „Wenn man es aufschrauben könnte, könnte man es reparieren.“ Doch der Hersteller habe hier Spezialschrauben verwendet: „Die gehen nur zu, aber nie auf“, zeigt er. Doch weil die Besitzerin sehr an der Lampe hängt, findet der ehrenamtliche Helfer, der seit 2020 dabei ist, eine Lösung: Er tauscht den ganzen Schalter aus.

Nebenan zeigt Margarete Gardel-Schwaiger einer Kundin gerade, wie sie die Spannung von Ober- und Unterfaden an ihrer Nähmaschine richtig einstellt. Die Frau habe gedacht, ihre Maschine sei kaputt; dabei habe es sich nur um einen Anwendungsfehler gehandelt, erklärt Birgit Bayer-Kroneisl. Damit sei ein weiteres Ziel des Reparaturcafés erreicht: „Wir geben hier Hilfe zur Selbsthilfe.“

Das tun auch Ulrich Appel, Alexander Reibold und sein 15-jähriger Sohn Max. Sie schrauben in einem gesonderten Raum an einem Fahrrad. Ist die Kette alt oder der Zahnkranz, müssen die Besitzer bei einem der nächsten Termine mit den entsprechenden Ersatzteilen wiederkommen, erzählen die drei. Doch alle Leistungen im Reparaturcafé sind für die Kunden kostenlos.

Weltweite Lieferprobleme sind auch hier Thema

Dass auch die Ehrenamtlichen unter den weltweiten Lieferschwierigkeiten leiden, berichtet Bernd Neuner, während er in das Innerste der Küchenmaschine vordringt. Für einen eigenen Computer brauche er eine Platine, die erst 15 Euro kostete, vor Weihnachten 800 Euro und jetzt 100 Euro. „Das ist momentan ein Irrsinn. Wir bräuchten hier das ,right to repair‘, wie in den USA“ , sagt er.

Die EU-Kommission hat für heuer einen Gesetzesvorschlag zum „Recht auf Reparatur“ angekündigt. Reparaturmöglichkeiten sollen transparenter, Ersatzteile verpflichtend werden. Bis es so weit ist, sorgen die Helfer im Reparaturcafé dafür, dass alte Geräte wieder funktionieren – so wie Thermomix, Staubsauger und Lampe.

DK