Trauer um Michael Kettner
Urgestein, Antreiber und Visionär

Stadt und Landkreis verlieren mit dem SPD-Mann einen bedeutenden Kommunalpolitiker

10.08.2022 | Stand 22.09.2023, 7:01 Uhr

Immer für den Wahlkampf zu haben: Michael Kettner (rechts), hier mit dem früheren SPD-Landtagsabgeordneten Franz Götz. Foto: DK-Archiv

Von Sebastian Hofmann

Neuburg – Die Stadt Neuburg und der Landkreis Neuburg-Schrobenhausen trauern um einen ihrer ganz großen Kommunalpolitiker: Am Montag ist der frühere Landratsstellvertreter und ehemalige Dritte Neuburger Bürgermeister Michael Kettner gestorben. Der langjährige Kreisvorsitzende der Sozialdemokratischen Partei (SPD) sowie Kreis- und Stadtrat wurde 70 Jahre alt. Erst vor zwei Jahren hatte sich der Neuburger aus der Politik zurückgezogen – nach einer 36-jährigen Karriere, in der der frühere Lehrer viel für die Menschen in Neuburg und im Landkreis bewegt hat.

Michael Kettner war ein waschechter Neuburger. Mit zwei Geschwistern in der Jahn-straßen-Siedlung aufgewachsen, die er bis vor knapp zwei Jahren noch seine Heimat nennen konnte, hatte es den späteren Lehrer nie weit weg von seiner gewohnten Umgebung verschlagen. Wer im gleichen Quartier zu Hause war, der erinnert sich wahrscheinlich an den kleinen Autoanhänger mit der roten Plane und dem weißen SPD-Aufdruck, der fast immer bei Michael Kettner und seiner Frau Renate in der Einfahrt stand.

Die Fachoberschule wollte er schon in den 90er-Jahren

Aus dieser Heimat riss eine heimtückische Krankheit den unermüdlichen Kämpfer für soziale Gerechtigkeit und demokratische Werte aber heraus. Gesundheitlich schwer angeschlagen, musste Michael Kettner die letzten Jahre seines Lebens in einer Pflegeeinrichtung verbringen, in der ihn seine Frau täglich besuchte und ihm half. Am Montag erlag er nun den Folgen einer Lungenentzündung.

Seine Frau Renate war es auch, die Anfang Juli die Bürgermedaille, eine der höchsten Auszeichnungen der Stadt Neuburg, stellvertretend entgegennahm. Die SPD hatte Michael Kettners Wirken gewürdigt, in dem sie ihm 2017 die Willy-Brandt-Medaille verlieh.

Bereits als junger Mann hatte der heutige Staatssekretär Roland Weigert (FW) den Neuburger kennengelernt. „Als ich 16 oder 17 war, war Michael Kettner schon ein profiliertes Gesicht der Landkreis-SPD. Und in den 70er- und 80er-Jahren war es sicher nicht vergnügungssteuerpflichtig, für die SPD in Bayern für ein Amt zu kandidieren“, sagt Weigert. Kettner sei ein kantiger Politiker gewesen und noch dazu ein großer Visionär. „Er hat das Thema Fachoberschule schon relativ früh in den 90er-Jahren im Landkreis gefordert, 2008 haben wir die FOS/BOS dann bekommen“, erinnert sich der Staatssekretär. Profitiert hat der Kleinhohenrieder selbst schon von Kettners Tatendrang, habe dieser doch die Stelle des Wirtschaftsförderers bei Landrat Richard Keßler (CSU) durchsetzen können – der Posten, den Weigert einst auch im Landratsamt inne hatte.

2008 dann traten Kettner und Weigert um die Nachfolge Keßlers gegeneinander an – mit dem besseren Ausgang für den Kleinhohenrieder. Weigert allerdings wusste die Leidenschaft, mit der sein Kontrahent Politik betrieb und mit der er in Diskurse ging, zu schätzen – und so wurde Michael Kettner schließlich von 2008 bis 2014 Weigerts Stellvertreter. „Er war mit allem, was er getan hat, einer der Erfolgsgaranten für den Landkreis und seine Entwicklung.“ Ausgezeichnet habe den Neuburger dabei auch, dass um die Sache gerungen worden sei, „denn dabei entstehen die richtigen Entscheidungen“. Kettner habe oftmals auch aus dem Hintergrund angeschoben – und das „ebenso verdienstvoll wie die Frauen und Männer in der ersten Reihe“.

Wie Weigert, so betont auch einer von Michael Kettners Nachfolgern, der aktuelle SPD-Kreisvorsitzende Werner Widuckel, die zukunftsorientierte Politik des Neuburgers. „Er war ein aufrechter, konsequenter und prinzipientreuer Sozialdemokrat, hatte aber auch die Fähigkeit, über den Tellerrand hinauszusehen. Michael Kettner war nicht nur im Hier und Jetzt verhaftet, er wollte immer auch etwas für die Zukunft tun“, so Widuckel. Als einen der größten Beiträge des Neuburgers wertet er daher die Forderung und Einführung eines Zehn-Jahres-Investitionsprogramms für den Landkreis. Nur durch einen solchen Weitblick seien manch entscheidende Projekte in Neuburg-Schrobenhausen erst möglich geworden.

Wenn Not am Mann war, sprang Michael Kettner ein

Widuckel nennt Michael Kettner in Bezug auf dessen zahlreiche Kandidaturen für diverse Ämter einen „Überzeugungstäter im positiven Sinne“. „Er hat schnell verstanden, dass man als Politiker nicht immer nur die Kür hat, sondern auch Pflichten“, sagt der Kreisvorsitzende.

Geprägt sei Kettner durch den großen Willy Brandt gewesen, ihn persönlich, sagt Widuckel, habe er aber immer ein wenig an den ehemaligen SPD-Minister für innerdeutsche Beziehungen, Herbert Wehner, erinnert. „Michael Kettner hat schon verstanden, dass man eine europäische Friedensordnung nach 1945 nicht geschenkt bekommen hat, sondern dafür arbeiten musste.“ Und das habe der Neuburger auf sein eigenes Wirken in der Kommunalpolitik heruntergebrochen. In den Kreistag von Neuburg-Schrobenhausen zog Michael Kettner 1984 erstmals ein und schaffte fünf Wiederwahlen, 2020 trat er aus gesundheitlichen Gründen nicht mehr an.

Ein langjähriger Weggefährte des prägenden Sozialdemokraten war auch Neuburgs Oberbürgermeister Bernhard Gmehling (CSU). Klar, Michael Kettner habe als eingefleischter und linientreuer SPDler oftmals auf der anderen Seite gestanden. Aber in der Sache, sagt Bernhard Gmehling, habe man immer zusammenarbeiten können. „Da gab es gar nichts“, so der Rathauschef. Man sei immer sehr gut miteinander ausgekommen. „Das war nie beleidigend oder verletzend. Michael Kettner war keiner, der hinter dem politischen Gegner die Messer gewetzt hat.“

Seinen früheren Stellvertreter – Kettner war von 2002 bis 2008 Dritter Bürgermeister – bezeichnet Gmehling als „aufrechten Ur-Sozialdemokrat“, mit dem man in Fachfragen immer hatte auf einen Nenner kommen können. „Energisch und stur war er aber auch“, fügt Gmehling hinzu. Solche Politiker finde man heutzutage nur noch selten. „Er war ein Original“, so das Stadtoberhaupt. Vor allem bei den Städtepartnerschaften mit dem südfranzösischen Sète und der tschechischen Stadt Jeseník habe sich Michael Kettner verdient gemacht und die Vertiefung dieser Verbindungen vorangetrieben und den Austausch genossen.

Dem Neuburger Stadtrat gehörte Kettner von 1984 bis 2019 an.

Eine Lücke, die nicht zu füllen ist

Ohne das SPD-Urgestein wäre heute vielleicht ein Anderer Sprecher der SPD-Stadtratsfraktion und Vorsitzender des Neuburger Ortsverbandes. „Michael Kettner hat mich vor 15 Jahren zur SPD geholt“, berichtet Ralph Bartoschek. Kettner sei „der Sozialdemokrat“ in Neuburg gewesen und habe die Partei in Stadt und Landkreis über rund ein halbes Jahrhundert geformt und geprägt.

Seinen Weggefährten und Ratgeber würdigt Bartoschek gleichzeitig als Mann des Volkes, der immer ein offenes Ohr für die Anliegen der Neuburgerinnen und Neuburger und aller Menschen im Kreis gehabt habe. „Wir merken seit Jahren, dass Michael eine Lücke in der SPD hinterlassen hat, die einfach nicht zu füllen ist“, sagt Bartoschek. Das Engagement, das Kettner über Jahrzehnte für seine Partei an den Tag gelegt habe, sei beispiellos. „Als junger Mensch kannst du da nicht mithalten. Seine Zeit und Energie galten der Partei.“

Landrat Peter von der Grün (FW) sagt: „Es ist ein trauriger Tag für den Landkreis.“ Der Kreischef hatte den SPD-Mann politisch im Jahr 2014 bei seinem Einzug in den Kreistag kennen und schätzen gelernt. „Leider habe ich ihn nie an der Spitze des Kreises erlebt“, bedauert von der Grün. Dennoch habe man sich natürlich gekannt.

„Ich habe Michael Kettner sehr für seine ruhige Art und sein Fachwissen geschätzt.“ Seine Gedanken, sagt der Landrat, seien in diesen Tag bei Kettners Witwe und der Familie. Von der Grün schmerze es auch, dass er nicht an der Beisetzung des großen Kommunalpolitikers teilnehmen kann, weil er derzeit im Ausland weilt.

Seine letzte Ruhe wird Michael Kettner auf dem alten Friedhof in Neuburg finden. Die Beerdigung findet an diesem Freitag um 11 Uhr statt.

DK