International tätiger Schlagzeuger
Simon Popp: Schlag auf Schlag neue Klänge

26.01.2023 | Stand 17.09.2023, 4:40 Uhr

Spezielle Instrumente für spezielle Klangerzeugung: Dafür steht Simon Popp. Die unterschiedlichsten Schlaginstrumente kombiniert er mit elektronisch erzeugten Klängen und Effekten. Das alles entsteht in seinem Münchner Studio, seinem Wohlfühlort, an dem er kreativ sein kann. Fotos: Manuel Nieberle

37 Quadratmeter Fläche und drei Meter Raumhöhe im Münchner Stadtteil Untergiesing reichen Simon Popp aus, um seine Musik zu erschaffen. Musik, die nur schwer einem Genre zuzuordnen ist. Geboren ist der heute 32-Jährige in Aichach, aufgewachsen in Gundelsdorf, am Schrobenhausener Gymnasium hat er sein Abitur abgelegt. Längst hat er sich deutschlandweit als Musiker einen Namen gemacht. Live-Auftritte im Münchner Studio 2 des Bayerischen Rundfunks oder mit dem Jazzquintett Fazer beim XJazz Berlin oder dem Jazz à Vienne sind keine Seltenheit. Wir haben den Klangkünstler besucht.

Drinnen sieht alles so aus, als könnte man zu jeder Tages- und Nachtzeit sofort loslegen. Unzählige Musikinstrumente, Geräte und Utensilien sind nebeneinander aufgereiht oder feinsäuberlich übereinander gestapelt. Es sind Instrumente für die Klangkunst von Simon Popp. Da gibt es erstens seine Percussions- und Soundinstrumente. Man kann sie kaum zählen: unterschiedlichste Trommeln, Becken, Stabspiele, Glocken, Rasseln, Bongos oder Gongs. Dazwischen stehen zweitens für den Außenstehenden überwiegend unbekannte Geräte. Simon Popp nennt sie elektronische Klangerzeuger und Effektgeräte, für ihn sind es Instrumente für spezielle Klangerzeugung und Klangmanipulation.

Ganz exotische Dinge aus den unterschiedlichsten Kulturen sind auch dabei, wie etwa mehrere aufeinander verschweißte Bleche von einem Künstler- und Handwerkermarkt aus Istanbul. Oder Instrumente, die einem sofort ins Auge springen. Zum Beispiel die Dholak, eine zweifellige Röhrentrommel aus Indien. Und der riesige Chinesische Gong oder das westafrikanische Balafon, eine Art Urahn aller Xylophone mit untergehängten Kalebassen als Resonatoren. Zusammengetragen hat er das alles über die Jahre aus Fachgeschäften, von Konzerttouren, von Reisen im In- und Ausland, auch von Musikerkollegen. Dazu kommt reichlich Studio- und Aufnahmetechnik. Mittendrin befindet sich ein mikrofoniertes Schlagzeug. Und viele weitere Elemente, etwa für sein Jazz-Schlagzeug und sein Drumset aus den 1970er-Jahren.

Verschiedene Musikwelten

Unter der Verwendung all dieser Klangkörper entstehen bei Simon Popp besondere, gar einzigartige Sounds. Damit bringt er, wie er sagt, „gerne auch die organische mit der elektronischen Soundwelt zusammen“. Er reichert förmlich einzelne Instrumente elektronisch an, lässt beide Welten ineinandergreifen und spielt mitunter damit, dass man als Zuhörer oft gar nicht so genau sagen kann, was gerade von Hand gespielt wird oder aus der elektronischen Klangwelt kommt. Wenn Simon Popp das alles erzählt, kann man währenddessen so richtig in seine Musik- und Klangwelten eintauchen. Der 32-Jährige hat eine unaufgeregte, ruhige und melodische Stimme. Man hört ihm gerne zu. Zwischendrin führt er beiläufig eine Trommel vor und zeigt, wie unterschiedlich sie klingen kann, je nachdem, wie und an welcher Stelle man sie spielt.

Hier, im Münchner Studio, da kommen dem Musiker und Klangkünstler die allermeisten Ideen. Es ist für ihn wohl eine glückliche Fügung, dass er sie dann auch direkt dort umsetzen kann. Sein Studio ist für ihn die Grundlage für seine kreativen Einfälle, aber auch ein Übungsraum, den er für sich alleine und in Zusammenarbeit mit anderen Musikern nutzt. Was Simon Popp in diesen vier Wänden anfängt, das hat durchaus Erfolg. Das würde der sympathische Klangkünstler über sich zwar nicht so sagen, wer sich aber in Fachkreisen umhört und in den einschlägigen Magazinen blättert, dem entgeht nicht, dass sich Simon Popp längst einen festen Platz in der deutschen Live- und Studioszene erspielt hat und Experten ihn nicht selten als einen der, vielleicht den vielseitigsten Drummer in ganz Deutschland sehen.

Immer auf der Suche nach Sounds

Simon Popp ist immer auf der Suche nach neuen Sounds. Jeder Klang für sich, findet er, könne schon Emotionen auslösen. Seine Musik schafft er häufig durch Experimentieren. Oft kommt er schon mit einer Art Grundidee oder einem bestimmten Aufbau im Kopf ins Studio. Dann wird zu allererst improvisiert. Findet er etwas Interessantes, versucht er den Moment direkt einzufangen, bevor er wieder verschwindet. Auf dieser Grundlage baut er auf und kommt so von einem zum nächsten. Er stapelt Schicht für Schicht, „bis zu dem Punkt, an dem es sich gut anfühlt“. Improvisation, sagt er, sei dabei sein wichtigstes Werkzeug.

Das Schlagzeug sieht er als seine musikalische Basis, als seine Wurzeln, von denen er kommt. Mit neun Jahren bekam er von seinen Eltern das erste Schlagzeug. Zunächst probierte sich der Bub zuhause im Keller aus, später durfte er sich in der ehemaligen Scheune nebenan seinen ersten Übungsraum einrichten. Er entschied sich für das Schrobenhausener Gymnasium auch aufgrund der aktiven musikalischen Ausrichtung, lernte dort viele musikaffine Leute kennen.

Als Jugendlicher bekam er Unterricht beim Schrobenhausener Schlagzeuger Helmut Lutz. Ihm habe er viel zu verdanken, sagt Simon Popp rückblickend. Bei ihm habe er nicht nur alle wichtigen Grundlagen für das Drumset und Schlagwerk gelernt, sondern vor allem auch, „beim Musizieren immer das große Ganze zu sehen und musikdienlich zu spielen“. Ebenso prägend für Simon Popp war der Leistungskurs Musik am Gymnasium mit seinem Musiklehrer Martin Göbel, das dortige Schulorchester, das Percussions-Ensemble an der Musikschule und natürlich die Indie-Band Hello Gravity aus dem Schrobenhausener Raum mit Mike und Tom Zitzelsberger und Felix Koch.

Studien-Hauptfach:Jazz-Schlagzeug

Seine Eltern haben ihn dabei immer unterstützt. Auch, als er direkt nach der Schulzeit nach München ziehen wollte. An der Münchner Hochschule für Musik und Theater bewarb er sich für das Musikstudium mit Hauptfach Jazz-Schlagzeug. Er wurde genommen, schloss es ein paar Jahre später mit dem Master ab. Währenddessen fingen nebenher die eigenen Musikprojekte nach und nach an zu wachsen, nahmen Formen an, führten ihn in eine Richtung. Es folgten Auftritte zunächst in München, dann bayernweit, deutschlandweit und international.

Simon Popp spielt in mehreren Bands und bereichert viele Projekte. Er ist Mitglied des Jazzquintetts „Fazer“ zusammen mit Sebastian Wolfgruber und Paul Brändle, Martin Brugger und Matthias Lindermayr. Auch das Duo „9ms“ mit dem Schlagzeugerkollegen Florian König, in welchem auch Infrarotsensoren, Magnetfeldantennen und unkonventionelle Effekte zum Einsatz kommen, muss man gehört haben. Ebenso das Duo „Enji und Popp“ mit der mongolischen Jazzsängerin Enkhjargal Erkhembayar; hier entsteht gerade das erste gemeinsame Album. Und natürlich die Arbeit mit seinem Soloprojekt „Popp“.

Dies alles, erzählt er, würde sich auch gegenseitig positiv beeinflussen. Dabei seien für ihn die Übergänge zwischen Jazz, Pop, Klassik, elektronischer und experimenteller Musik oft fließend. Zwischendrin ist Simon Popp ein gefragter Drummer für Studioaufnahmen, Komponist oder Arrangeur. Mal schreibt er die Musik für ein Theaterstück, mal für Fernseh- oder Radioproduktionen. Obendrein ist der junge Musiker Sideman für andere Acts wie zum Beispiel Roosevelt oder Miriam Hanika.

Drittes Soloalbumveröffentlicht

Ende November, hat Simon Popp sein drittes Soloalbum veröffentlicht. „Blizz“ heißt es und beinhaltet acht Stücke. Vor allem die Kombination von metallischen Klängen mit synthetischen Klangerzeugern habe er, wie er sagt, neugierig erkundet und damit auch wieder die beiden Welten zusammengefügt: die organischen, handgemachten Percussions und die elektronische Welt. Tritt er live mit seinem Soloprojekt auf, unterstützen ihn regelmäßig seine beiden Freunde und ehemaligen Studienkollegen Sebastian Wolfgruber und Flurin Mück. So auch im November vergangenen Jahres bei der überaus sehenswerten Live-Session im Studio 2 des Bayerischen Rundfunks. Was ganz zum Schluss noch bleibt, das ist einfach mal selbst in seine Klangwelten einzutauchen, am besten auf seiner Webseite simonpopp.com oder auf simonpopp.bandcamp.com. Live ist Simon Popp zum Beispiel am Samstag, 21. Januar, im Studio, Singerstraße 7, in Augsburg zu sehen

SZ