Während die einen sich draußen auf dem Karlsplatz auf dem historischen Neuburger Christkindlmarkt vergnügen und versuchen, einen Blick auf den Nikolaus zu erhaschen, wozu der Abend des 6. Dezember ja durchaus geeignet erscheint, strömen die anderen in den gegenüber im Keller der ehemaligen Hofapotheke beheimateten Birdland Jazzclub, um dort „Santa Claus Is Coming To Town“ zu lauschen, das Cassablanka dort als zweite Zugabe ihres mittlerweile zur Tradition gewordenen Vorweihnachtskonzerts ausgewählt haben. Santa Claus zu Gast beim Nikolaus also und amerikanischer Jazz in bayerischen Advent.
Der Club ist bis auf den letzten Platz gefüllt von Menschen, die sich in der Hektik vor dem Fest gerne eine Auszeit nehmen, alten Jazz lieben oder auch nur einfach eine Musikerin oder einen Musiker persönlich kennen, denn die kommen allesamt aus der Stadt selber oder dem Umland und die hohe Qualität ihrer Auftritte in den letzten Jahren hat sich her-umgesprochen. Wie stets beginnt die Band als Septett mit Dixieland, Ragtime und New Orleans Jazz und geht dann kurz vor der Pause über auf Swing und Bebop, stöbert im Repertoire der einstigen Big Bands und in den Archiven der Broadway-Komponisten. Zu diesem Zeitpunkt ist man schon zu neunt, hat die Kern-Band mit Alexander Großnick (Tenorsaxofon, Klarinette), Nils Niermann (Alt- und Baritonsaxofon, Klarinette), Gerhard Hörmann (Trompete), Christian Rehm (Posaune), Renate Hörmann (Kontrabass), Brigitte Pettmesser (Klavier) und Florian Herrle (Schlagzeug) erweitert um die Sängerin Sylvia von der Grün und Peter von der Grün am Altsaxofon. Und hat damit auf die eher zurückhaltend interpretierten Stücke wie „The Sheik Of Araby“ und „Ain’t Misbehavin’“ vor der Pause noch eine Schippe draufgelegt. John Klenners „Just Friends“, George Gershwins „Fascinating Rhythm“, Charlie Parkers „My Little Suede Shoes“ und Jimmy Van Heusens „Come Fly With Me“ wirken ungleich spritziger und der den Big Bands näher stehende Sound tut der Band gut.
Cassablanka schaffen es wieder einmal, Kontakt zum Publikum herzustellen, obwohl sie sich diesbezüglich mitunter selbst das Leben schwer machen, weil sie sich mit den Ansagen zwischen den Songs doch recht viel Zeit lassen und zulassen, dass die musikalisch erzeugte Spannung immer wieder unnötig absackt. Informationen über die Songs sind bereichernd, ganz klar, aber „Georgia On My Mind“, „Fly Me To The Moon“ oder „It's Wonderful“ muss man eigentlich nicht mehr eigens ankündigen.
Nationale Jazz-Größen und internationale Stars aus allen Kontinenten sind das Aushängeschild des Birdland Jazzclubs. Ebenso wichtig ist Manfred Rehm, der die Bands nach Neuburg holt, aber auch die Szene vor Ort. Deswegen steht ein Großteil des Dezember-Programms auch unter dem Motto „jazz regional“. Cassablanka ist seit Jahren dabei. Wie sie es immer wieder schaffen, den alten Stücken ihren Stempel aufzudrücken, hat Stil und ist aller Ehren wert.
DK
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