Neuburg
Potsdamer Theater Poetenpack inszenierte Komödie „Achterbahn“ von Eric Assous

08.03.2023 | Stand 17.09.2023, 1:17 Uhr

Juliette (Julia Borgmeier) beschert Pierre (Stephan Schill) mit den wechselhaften Geschichten über ihre Person und den neugierigen Fragen über sein Leben eine Achterbahnfahrt der Gefühle. Foto: Budke

So langsam geht es im Stadttheater in den Endspurt der „Starken Stücke.“ Mit der Komödie „Achterbahn“ des französischen Autors Eric Assous war am Montag- und Dienstagabend ein Zwei-Personen-Stück zu sehen, das die Protagonisten und die Zuschauer auf eine verwirrende Fahrt durch Erwartungen, Enttäuschungen, Liebe und Hass mitnahm.

Das Theater Poetenpack aus Potsdam ist ein freies Theater, das mit einem Ensemble freischaffender Künstler zusammenarbeitet. In der Komödie „Achterbahn“ stehen seit einem Jahr Julia Borgmeier als Juliette und Stephan Schill als Pierre auf den Bühnen. Ihnen gelang es am Montagabend in Neuburg, das Beziehungs-Auf-und-Ab zwischen dem älteren Herrn und der deutlich jüngeren Dame spannend, einfühlsam und überzeugend darzustellen. Das Stück stammt von dem französischen Autor Eric Assous.

Wechselbad der Gefühle

Poetenpack-Regisseur Andreas Hueck liefert eine ruhige und dadurch pointierte Inszenierung. Sicher könnte man das Stück mit mehr Tempo umsetzen, doch bei Hueck kommt der Humor der Dialoge ebenso gut zur Geltung wie das Wechselbad der Gefühle. In der ersten Szene scheint alles klar: Ein Mann, der sich altersmäßig auf das Ende seiner beruflichen Karriere zubewegt, und eine Frau, die viel jünger ist als er, haben sich in einer Bar kennengelernt. Nach ein paar Drinks wird das Abenteuer wohl im Bett enden. Doch nein, so einfach ist es nicht.

Während Pierre angeblich dem „Zufall die Initiative“ überlassen will und die beiden nicht wissen, „was wir tun werden“, meint Juliette: „Ich zumindest habe eine Vorstellung.“ Dass sich dies ganz anders entwickeln wird, als Pierre und wohl auch die Zuschauer vermuten, führt alle Beteiligten auf eine Achterbahn der Gefühle. Als Juliette beginnt, selbstbewusster zu werden und sich für seine Ehefrau interessiert, deren Portrait an der Wand hängt, fühlt sich Pierre zusehends unwohl. Obwohl er behauptet, eine offene Ehe zu führen, spielt er seiner Frau, die aus dem Skiurlaub anruft, eine Lügengeschichte vor. Im Publikum wird bei diesen komödiantischen Szenen herzlich gelacht. Pierres Versuche, Juliette ins Bett zu bekommen, scheitern immer wieder.

Nicht zu erwarten ist, was sich Juliette nach und nach an Geschichten zu ihrer eigenen Person einfallen lässt. Ihre Offenbarung, sie sei eine Prostituierte und habe Pierre auf clevere Weise als Kunden akquiriert. Das kratzt an seinem Selbstbewusstsein: Ist er schon so uninteressant, dass er für Sex bezahlen muss? Als er nach einigem Hin und Her bereit ist, gesteht Juliette: „Ich habe dir nur etwas vorgemacht“ und meint ein paar Sätze später: „Ich spiele leidenschaftlich gern.“

Andere Perspektive auf die Protagonisten

Da hätte Pierre besser zuhören sollen, denn Juliette ist mit ihrem Spiel noch lange nicht am Ende. Sie will immer mehr über Pierre wissen, zwingt ihn mit ihren Fragen, seine eigenen Gefühle, seine Position im Leben zu erkunden und spielt ihm weitere Identitäten vor. Als in der Pause das Bühnenbild komplett spiegelbildlich gewendet wird und die Zuschauer nun auf die Rückseite des großen, zentral positionierten Sofas schauen, ändert sich auch die Perspektive auf die Protagonisten: Pierre ist verkatert, verwirrt, unsicher, Juliette hat die Fäden in der Hand und führt Pierre langsam zu „des Pudels Kern“, zu der Wahrheit über ihre Person.

Das Ende ist vielleicht etwas rührselig, aber versöhnlich, was die beiden Charaktere betrifft: Sie wünscht sich eine gemeinsame Achterbahnfahrt auf dem Jahrmarkt, während ihrer beiden Leben nun wohl die Chance haben, ruhiger zu verlaufen. Julia Borgmeier und Stephan Schill gelingt es in jeder Phase der Komödie, die Zuschauer mitzunehmen – sei es bei den Wortspielen, bei den Berg- und Talfahrten durch Pierres Gefühle oder bei den immer neuen Geschichten, die Julia Borgmeier/Juliette so glaubwürdig auftischt. Das Neuburger Publikum belohnte die Darsteller am Montagabend mit kräftigem Applaus.

DK