Schrobenhausen
Nicht alle Erntehelfer werden fair behandelt

DGB macht sich ein Bild und berät Beschäftigte vor Ort in ihrer Muttersprache

18.05.2022 | Stand 23.09.2023, 1:16 Uhr

Unterwegs auf den Spargelfeldern: DGB-Regionsgeschäftsführerin Klos-Pöllinger (l.) und DGB-Regionsgeschäftsführer Günter Zellner (Vierter v. l.) mit Beraterinnen und Beratern des Beratungsnetzwerkes „Faire Mobilität“. Foto: DGB-Region Oberbayern

Schrobenhausen – Um die Arbeitsbedingungen von Saisonbeschäftigten aus mittel- und osteuropäischen Ländern auf dem deutschen Arbeitsmarkt zu verbessern und für sie faire Löhne durchzusetzen, waren in der vergangenen Woche Mitarbeiter des DGB-Beratungsnetzwerks „Faire Mobilität“ für Beratungsgespräche auf den Feldern im Spargelanbaugebiet rund um Schrobenhausen aktiv. Silke Klos-Pöllinger, DGB-Regionsgeschäftsführerin für Schwaben, und ihr Amtskollege Günter Zellner aus Oberbayern informierten sich vor Ort über die aktuellen Probleme der Beschäftigten im Gemüse- und Hopfenanbau.

Beide zeigten sich sehr betroffen davon, dass die Beschäftigten „kaum Wertschätzung erfahren, sondern im Gegenteil regelmäßig schlechten Arbeits- und Unterkunftsbedingungen ausgesetzt sind“, wie es in der Pressemitteilung heißt. Und das, obwohl die Landwirtschaft auf diese Arbeitskräfte dringend angewiesen sei.

271500 Saisonarbeitskräfte in der Landwirtschaft

Die Saisonarbeiterinnen und -arbeiter aus Ost- und Südosteuropa sind seit Jahren ein fester Bestandteil der Landwirtschaft in Deutschland, heißt es weiter. So waren im Jahr 2019 rund 271500 Saisonarbeitskräfte in der Landwirtschaft beschäftigt, das entspricht laut statistischem Bundesamt von 2021 zirka 29 Prozent der Menschen in der gesamten Branche. Saisonarbeitskräfte werden überwiegend während der Erntesaison im Bereich der sogenannten Sonderkulturen – dazu gehören Spargel, Erdbeeren, Weintrauben, Baumobst und Gemüsegurken – eingestellt, die von März bis Oktober reicht.

Das Team aus Beratern von „Faire Mobilität“ war zwei Tage auf Feldern im Bereich Schrobenhausen, Inchenhofen, Rain, Kühbach, Pörnbach, Reichertshofen, Pöttmes und Neuburg unterwegs. „Wir konnten hier mit rund 500 Saisonarbeitskräften sprechen und uns über ihre konkreten Probleme informieren“, berichtet Oskar Brabanski, Regionalleiter Südost von „Faire Mobilität“. Zusätzlich wurden Gespräche mit den Landwirten und Betriebsinhabern geführt. Das Spektrum reichte von kleinen Familienbetrieben bis hin zu Großbetrieben mit 800 angestellten Erntehelfern. „Ein Vorteil unserer Beratung ist, dass sie in der jeweiligen Muttersprache durchgeführt wird“, sagt der Regionalleiter. Dies erleichtere die Verständigung und Informationsweitergabe erheblich.

Unter den aktuellen Arbeitsbedingungen war wieder einmal die ganze Bandbreite dabei, berichtet Brabanski. „Uns wurde über Betriebe berichtet, die laut Aussage der Betroffenen fünf bis sechs Euro die Stunde bezahlen und viel für die Unterkunft kassieren. So sagte ein Erntehelfer, dass er in einem Container mit vier anderen untergebracht ist. Dafür werden jedem von ihnen 300 Euro im Monat vom Lohn abgezogen.“

Positive Rückmeldungen, aber auch schwarze Schafe

Laut Brabanski gibt es aber auch positive Rückmeldungen – vor allem von kleineren Betrieben, die mehr als Mindestlohn bezahlen und gute, kostenfreie Unterkünfte anbieten. Dagegen gebe es bekannte problematische Großbetriebe, die wie eh und je nach Akkord bezahlen, den Mindestlohn unterschreiten und für Wohnen und Leben der Beschäftigten hohe Abzüge tätigen.

Für DGB-Regionsgeschäftsführerin Silke Klos-Pöllinger und Regionsgeschäftsführer Günter Zellner entwickeln sich aus den Erfahrungen der Aktion „Faire Mobilität“ auch die gewerkschaftlichen Kernforderungen an die Politik. Betriebe müssten endlich zur Einführung eines digitalen, manipulationssicheren und transparenten Zeiterfassungssystems verpflichtet werden. Auf diese Weise verringere sich Lohnbetrug und die Umgehung des gesetzlichen Mindestlohnes. Außerdem müssten die Kosten für die Unterkünfte vom Betrieb übernommen werden. Saisonarbeiter aus Osteuropa seien auf Unterbringung und Verpflegung in Deutschland angewiesen. Daher könne die Unterbringung nicht wie jedes andere Mietverhältnis behandelt werden. Zusätzlich müssten die Betriebskontrollen von Zoll und Arbeitsschutzbehörden deutlich ausgeweitet werden. Dazu brauche es mehr Ressourcen und vor allem Personal. Hier seien der Bund und auch der Freistaat Bayern gefordert.

SZ