Wegen Inflation und Nachhaltigkeit
Neuburger Secondhandläden: Mehr Kunden kaufen gebraucht

31.01.2023 | Stand 17.09.2023, 4:17 Uhr

Lilo Müller (o.,v.l.) und Nelly Grenzner gehören zum engagierten Team von Margot Kestler, die für Carlo, den „Caritas-Lodn“ in Neuburg verantwortlich zeichnet. Hier kaufen Kunden aller sozialen Schichten seit Sommer 2022 vermehrt ein. Fotos: Wagener

Immer mehr Leute haben immer weniger Geld. Die Inflation und die enormen Preissteigerungen bei Wärme und Strom sorgen aktuell für klamme Geldbeutel. Das Einkaufsverhalten ändert sich, muss sich ändern. Das merken die Mitarbeiterinnen von Carlo, dem Secondhandladen in der unteren Altstadt in Neuburg. Sie alle zählen seit einigen Monaten deutlich mehr Kunden.



Bei Carlo gibt es ausschließlich gute gebrauchte Dinge wie Geschirr, Kleidung, Schmuck, Taschen, Kindersachen und kleine Möbel. Menschen, die die Sachen nicht mehr brauchen, geben sie zum Beispiel bei der Caritas in der Marienstraße ab. Die großen Einrichtungsgegenstände stehen bei Carisma, einem weiteren Laden der Caritas in Neuburg. Der findet sich in der Hesselloher Straße. Ein drittes Geschäft gibt es in Schrobenhausen in der Lenbachstraße.

Seit Sommer 2022 etwa 25 Prozent mehr Umsatz

„Seit Sommer, Juni, Juli 2022 merkt man, dass mehr los ist“, berichtet Margot Kestler. In Zahlen seien das 25 Prozent mehr Umsatz seitdem, sagt sie. Die Heilerziehungspflegerin arbeitet seit gut 20 Jahren bei der Caritas in Neuburg und leitet den Laden seit 2007. Seit 2011 ist das Sozialgeschäft in der Eisengasse.

Der Krieg in der Ukraine hat auch bei Carlo – einer Kombination aus Caritas und Lod‘n, dem bayerischen Laden, wie Kestler erklärt – etwas verändert. Auf der einen Seite seien von März bis Oktober 2022 extrem wenige Spenden abgegeben worden. „Des hat man richtig g‘merkt“, sagt Kestler. Auf der anderen Seite hatte der Laden kostenlose Begrüßungspakete für Flüchtlinge aus der Ukraine zusammengestellt. „Davon sind viele Kunden geworden, die immer noch kommen“, erzählt Margot Kestler.

Geführt wird der Laden von verschiedenen Mitarbeiterinnen, alle langjährig . Lilo Müller aus Neuburg ist seit zwölf Jahren dabei, die Neuburgerin Nelly Grenzner sogar seit 18 Jahren. Die Mitarbeiterinnen verdienen hier auch ihr Geld, „Motivationszulage“ nennt Kestler den monatlichen Betrag. Dass die beiden Frauen 71 und 69 Jahre alt sind, ist ihnen nicht anzusehen. „Das macht die Luft hier“, erklären sie lachend. Die Atmosphäre ist herzlich. So ist es kein Wunder, dass viele auch zum Reden herkommen.

Hell und freundlich ist der Laden. Die Sachen sind ansprechend präsentiert, die Kleidung ordentlich nach Farben sortiert, die Ketten hängen an Haken und das Geschirr steht sorgfältig arrangiert in weißen Regalen. Die Schaufensterauslage zeigt besonders schöne oder interessante Stücke. Jeder Artikel ist mit einem Preisschild versehen. „Dass wir wirken wie ein Geschäft, ist wichtig“, weiß Margot Kestler. Die Menschen, die hier aus finanziellen Gründen einkaufen müssen, sollen das Gefühl haben, in einem ganz normalen Laden einzukaufen.

Auch Markensachen für kleines Geld

Was die Ware unterscheidet, sind die niedrigen Preise. Pullis, Hemden und Hosen gibt es ab 1,50 bis 2 Euro, Jacken ab 4,50 Euro. Teller kosten 80 Cent, Gläser gibt es für 50 Cent. Hochwertige Markensachen sind auch mal ein klein wenig teurer. Das Klientel ist bunt gemischt. Aus allen sozialen Schichten seien die Kunden: „Wir haben inzwischen ein breit gefächertes Publikum“, sagt Kestler. Viel Stammkundschaft sei dabei, Schüler auf der Suche nach Originalen aus den 80ern und 90ern, begüterte Kunden, die nachhaltig leben wollen, und andere, die jeden Cent umdrehen müssen.

Carisma habe bereits seit etwa zwei Jahren mehr Umsätze zu verzeichnen, berichtet dessen Chef Christoph Müller. Schon vor Februar 2022 sei mehr los gewesen, erklärt der diplomierte Sozialarbeiter und stellt fest: „Woran das genau liegt, kann ich nicht sagen.“ Viele Geflüchtete seien dabei, aber auch junge Leute. Aber: „Wir fragen die Leute ja nicht, warum sie bei uns kaufen.“

Für ihn stehen zudem eher die positiven Auswirkungen auf die Mitarbeiter im Laden im Fokus. Das sind Menschen mit psychischen Erkrankungen oder Behinderungen, die hier stundenweise beschäftigt sind, und sich über die vielen Kunden freuen: „Das ist ja, was man will, dass Menschen mit Beeinträchtigungen in der Öffentlichkeit präsent sind“, macht der Leiter der Begegnungsstätte für seelische Gesundheit und soziale Beschäftigung der Caritas deutlich.

DK