Viele Einschränkungen
Energiesparmaßnahmen: Neuburg wird dunkel

Bundesregierung: Ab 1. September kein Anstrahlen von Gebäuden mehr – Nur noch 19 Grad Raumtemperatur

30.08.2022 | Stand 22.09.2023, 6:12 Uhr

Auch die Neuburger Hofkirche soll nicht mehr angestrahlt werden. Foto: Hanne

Von Thorsten Stark

Am Donnerstag tritt die sogenannte Verordnung zur Sicherung der Energieversorgung durch kurzfristig wirksame Maßnahmen der Bundesregierung in Kraft. Mieter sollen mehr Spielraum erhalten, ihre Energiekosten zu senken und mehr Informationen von ihren Energieversorgern bekommen.



Gleichzeitig enthält die erst am 24. August beschlossene Verordnung mehrere Verbote und Anordnungen, die besonders die Kommunen betreffen. Neuburgs Vize-Bürgermeister Johann Habermeyer (FW) und Dritter Bürgermeister Peter Segeth (CSU) gaben bei einer Pressekonferenz am Dienstagnachmittag im Rathaus bekannt, welche Konsequenzen das für die Stadt hat. Immerhin: Die beiden Weihnachtsmärkte stehen nicht zur Disposition.

Viele Einschränkungen

Dafür gibt es etliche andere Einschränkungen: Das Beheizen von privaten Pools mit Gas oder Strom ist ab 1. September verboten. Schaufenster und andere Werbemittel dürfen zwischen 22 und 6 Uhr nicht beleuchtet werden, das Anstrahlen von Gebäuden und Baudenkmälern von außen ist – mit Ausnahme von Sicherheits- und Notbeleuchtung sowie für kulturelle Veranstaltungen und bei Volksfesten – untersagt. Das Offenhalten von Ladentüren zu beheizten Geschäftsräumen ist ebenfalls verboten. Dazu gilt in öffentlichen Gebäuden, in denen keine Wohnungen untergebracht sind, eine Absenkung der Raumtemperatur in den Büros auf maximal 19 Grad. Dort, wo körperlich gearbeitet wird, soll je nach Schwere der Arbeit, die Temperatur auch weiter abgesenkt werden, auf bis zu zwölf Grad. In Treppenhäusern, Fluren oder Gängen soll gar nicht geheizt werden. Dazu schreibt die Verordnung vor, an Waschbecken, die überwiegend dem Händewaschen dienen, das warme Wasser abzudrehen – sofern dem keine Hygienevorschriften entgegenstehen. Ausnahmen gibt es beim Heizen und dem warmen Wasser in medizinischen Einrichtungen, Pflege- und Behinderten-Einrichtungen sowie Schulen und Kindergärten und andere Einrichtungen, die dem sozialen Leben dienen. Die Verordnung gilt bis Ende Februar 2023.

Mehrere Stunden lang saßen Habermeyer und Segeth, die den im Urlaub weilenden Oberbürgermeister Bernhard Gmehling (CSU) derzeit vertreten, mit Verwaltung und Stadtwerken zusammen. Eines war schnell klar: „Es ist nicht geregelt, wer das alles kontrolliert und was bei Nichteinhaltung passiert“, sagte Habermeyer nach der Besprechung. Dennoch sei die Stadt natürlich angehalten, die Verordnung, soweit in ihrer Macht, umzusetzen. Dazu gehört das Herabsenken der Raumtemperatur in den öffentlichen Gebäuden „und dafür zu sorgen, dass niemand Heizlüfter mitbringt“, wie Habermeyer erklärte. Natürlich werde die Stadt auch das warme Wasser an den Waschbecken abdrehen. Man habe sich aber darauf verständigt, auf jedem Stockwerk eine Möglichkeit zu belassen, damit man dort etwa Tassen warm abspülen könnte. Das alles werde man nun an die Mitarbeiter kommunizieren.

Weihnachtsmärkte finden statt

Für längere Zeit werden Hofkirche, das Vhs-Gebäude, das Schloss und weitere Gebäude, die bisher bis 23 Uhr leuchteten, nicht mehr angestrahlt. Die Verordnung sieht aber Ausnahmen unter anderem für Volksfeste vor, zu denen, wie Habermeyer und Segeth herausfanden, auch Weihnachtsmärkte gehören. Entsprechend sei vorgesehen, die Planungen zu starten, erklärte Habermeyer. Auch die Schlossweihnacht des Verkehrsvereins könnte so stattfinden.

Die Weihnachtsbeleuchtung, die dank LED-Technik ohnehin 90 Prozent der ursprünglich aufgewandten Energie einspart, kann auch aufgehängt werden, sofern der Stadtrat im Oktober zustimmt. Sie sollte nur – analog zu den Schaufenstern – um 22 Uhr abgeschaltet werden. „Das heißt: Ab 22 Uhr brennen nur noch die Straßenlaternen – und sonst nix“, sagte Habermeyer. Auch die Zahl der beleuchteten Weihnachtsbäume im Stadtgebiet werde deutlich reduziert: von 14 auf vier.

Ohne Einschränkungen könne die Eisarena über die Bühne gehen, erklärte Stadtsprecher Bernhard Mahler. Bei der Einführung der Kunststoff-Bahn vor zwölf Jahren sei die Stadt belächelt worden. Doch wo andere Bahnen vermutlich wegen des hohen Energieaufwands nicht in Betrieb genommen werden können, gibt es in Neuburg kein Problem. Übrigens auch nicht bei der Einkaufsnacht „Neuburg leuchtet“ am 16. September: Dort werden 104 akkubetriebene zusätzliche Lampen eingesetzt, die zuvor mit Solarenergie aufgeladen wurden.

Zunächst war nicht klar, ob Turnhallen und die Bürgerhäuser weiter geheizt werden dürfen. Doch nach langer Lektüre der Verordnung waren sich die Bürgermeister sicher, dass sie das dürfen. Vielsagend erklärt Habermeyer: „Wir wissen auch nicht, wofür wir die im Winter noch brauchen können.“

Auch auf die Neuburger Stadtwerke kommt – wie auf jeden anderen Energieversorger in Deutschland – eine große Aufgabe zu. Sie werden durch die Verordnung dazu verpflichtet, ihre Kunden über den Energieverbrauch, die damit verbundenen Kosten, die Auswirkungen der Preissteigerungen sowie über mögliche Einsparpotenziale zu informieren. Bis zum nächsten Werkausschuss des Stadtrats müsse man klären, welche Zeitaufwand dahinter steckt und ob das mit dem vorhandenen Personal überhaupt möglich ist, sagte Habermeyer.

Womöglich weiß man bei der Stadt bis dahin auch, wie viel die Maßnahmen wirklich bringen. Derzeit könne man das nicht, gibt Habermeyer zu. Laut der Verordnung brächte aber schon die Verringerung der Raumtemperatur um ein Grad eine Energieersparnis von sechs Prozent.

Der Vize-Bürgermeister sagt, er könne die Verordnung durchaus nachvollziehen. Die Bundesregierung verschärfe damit ihren Appell an die Bevölkerung zu einem „Du musst“. „Was mir abgeht, ist die mittelfristige Perspektive“, sagte er. Schließlich stehe bald der Winter 2023/24 vor der Tür – und wie sich bis dahin etwas ändern solle, wisse er nicht. Es fehlten Anreize. Etwa, dass eine Kommune, die ihre Energieversorgung weitgehend autark organisiert habe, von den Maßnahmen befreit wäre. „Nur so erreiche ich Veränderung.“

DK

KOMMENTAR

Angesichts des düsteren Bilds, das Politiker, Energieversorger und Industrie für den bevorstehenden Winter malen, ist die Vorstellung natürlich geradezu grotesk, dass manche Menschen, während andere womöglich frieren müssen, in ihren mit Gas beheizten Außenpool steigen. Vor diesem Hintergrund kann man dieses Verbot der Bundesregierung nachvollziehen.

Allerdings dürfte die große Masse der Menschen über keinen beheizten Pool verfügen. Die Energieeinsparung dürfte sich also in Grenzen halten. Dazu kommt, dass gar nicht klar ist, welche Strafe bei Missachtung droht – und wer das überhaupt kontrolliert. Dieses grundsätzliche Problem zeigt sich bei der gesamten Verordnung, die deswegen wohl vor allem als besonders dringlicher Appell zu bewerten ist, schnell und viel Energie zu sparen.

Doch die Zeit der reinen Appelle – so sinnvoll sie auch sein mögen – muss sich dem Ende zuneigen. Für eine wirkliche Lösung der Energieprobleme braucht es mutige Entscheidungen auf allen Ebenen und keine Symbolpolitik mehr.

Thorsten Stark