In der Serie „Unsere Heimat früher“ erleben wir das Leben des Bauers Caspar um 1540 in Neuburg, wo Ottheinrichs Reformen und die Reformation Unsicherheit und Veränderung bringen. Die ständigen religiösen und politischen Umwälzungen prägen das Leben der Bürger.
An einem frühen Morgen im August 1540 steht Caspar, ein einfacher Bauer, auf seinem Feld westlich der Stadtbefestigung und betrachtet die dunstige Landschaft von Neuburg. Die Sichel in der Hand, den Rücken gebeugt, erntet er Weizen und Roggen. In der Ferne thront das prächtige Schloss Ottheinrichs, dessen Herrschaft das Leben der Bauern in der Region maßgeblich prägt. Das rhythmische Geräusch der Sichel, das Krächzen der Krähen und das leise Rauschen der Donau begleiten ihn durch den Tag.
Die Arbeit orientiert sich an den Glockenschlägen der Kirchturmuhr. Morgens, mittags und abends beten Caspar und seine Familie das Angelusgebet. Samstags und sonntags wird im Gottesdienst in den Sommermonaten um den Wettersegen gebeten, für gute Saat und reichliche Ernte. Pünktlich zum Mittagsläuten setzen sich Caspar und seine zwei Knechte auf den Weg neben dem halb geernteten Feld und essen frisch gebackenes Brot und hartgekochte Eier, die seine Frau Ottilia eingepackt hat. Der fromme Glaube schenkt ihnen Kraft und Hoffnung, bietet einen klaren Ablauf neben der körperlich schweren Arbeit.
Hungersnot, Missernten und Klimawandel
Zum Sonnenuntergang bringen sie die Fuhr mit dem Pferdegespann auf den Hof. Die Kinder warten schon und helfen beim Abladen. Ottilia bringt das Essen: warmes Sauerkraut mit gebratenem Schweinebauch. Außer sonntags isst die Familie immer dieses selbe Mahl. Veränderungen des Klimas verkürzen die Vegetationsperioden, die sogenannte kleine Eiszeit, wie sie später benannt wird, führt zu Missernten und Hunger.
Ottheinrichs stete Investitionen in den Bau von Gebäuden verlangen ebenso viel von der Bevölkerung ab. Zu Beginn lieh er sich Kredite außerhalb seiner Pfalzgraf, Neuburg erstrahlte in neuem Glanz und den Leibeigenen ging es nicht schlecht. Doch mit der Zeit kann Ottheinrich seine Schulden nicht mehr tilgen, mehr Abgaben werden von seinen Bürgern eingeholt. Caspar ist sich der Veränderungen und Modernisierungen bewusst, die der ehrgeizige Fürst mit sich bringt. Die Annäherungen an das lutherische Bekenntnis des Fürsten beschäftigen die Gläubigen immer mehr. Als am 22. Juni 1542 der neue Glaube eingeführt wird, stößt dies auf Skepsis.
Reformation: Chance oder Ungewissheit?
Viele Bürger sehen die Reformation als Chance auf Erneuerung und eine direktere Beziehung zu Gott, während andere skeptisch und unsicher sind, da die Veränderungen Ungewissheit bringen. Einige, fest in der katholischen Tradition verwurzelt, lehnen die Reformation ab und sehen sie als Angriff auf ihre Glaubenspraktiken, was zu Spannungen führt.
Ottheinrichs Einführung der Reformation brachte große Veränderungen in Kirchenorganisation und -struktur, säkularisierte Kirchen sowie protestantische Prediger mit sich, was zu einer tiefgreifenden Transformation der religiösen Landschaft und einer nachhaltigen Veränderung der Stadt führte.
Staatsbankrott und Schmalkaldischer Krieg
Nur zwei Jahre später muss Ottheinrich ins Exil und sein Hofstaat ist bankrott. Der Fürst stellte sich auf die Seite des Schmalkaldischen Bundes, der die Reformation vorantrieb und offen gegen die kaiserliche Autorität rebellierte. Im Jahr 1546 belagerte Kaiser Karl V. Neuburg während des Schmalkaldischen Krieges. Nur ein Jahr später siegte der Kaiser und die Resäkularisierung im Heiligen Römischen Reich deutscher Nation wurde angeordnet. Im Zuge dessen etablierte sich der Satz: „Wessen Land, dessen Glauben“ – der jeweilige Herrscher entscheidet nun über die Glaubenszugehörigkeit seines Reichs.
Als Ottheinrich 1552 nach Neuburg zurückkehren durfte, machte er die Rekatholisierung zugleich rückgängig. Diesmal radikaler. 60 Jahre später wurde die Ottheinrichstadt wieder katholisch und im Dreißigjährigen Krieg von 1618 bis 1648 musste die Stadt erneut einen Religionskrieg über sich ergehen lassen. Pest und Seuchen, Missernten, Hunger wie Kriege und Belagerungen standen auf der Tagesordnung der Neuburger Bevölkerung.
Reformation und Gegenreformation
Für Caspar und die anderen Leibeigenen brachten der ständigen Glaubenswechsel Unsicherheit. Sie hofften auf Erneuerung und Verbesserung ihrer Arbeitsbedingungen, hatten aber auch Angst vor den Veränderungen und deren Auswirkungen auf ihr tägliches Leben. Viele waren tief in ihrer bisherigen Glaubenstradition verwurzelt, was zu Frustration und Widerstand führte. Zudem fürchteten sie die sozialen und politischen Konsequenzen, die die neuen Glaubensrichtungen mit sich bringen könnten.
Über unsere Serie: Von Nivinpurk zu Neuburg
Seit dem 13. Jahrhundert vor Christus ist der Stadtberg in irgendeiner Weise bewohnt – strategisch gut liegt er an Handelswegen. Aus der Keltenzeit ist ein befestigter, zentraler Platz nachgewiesen. Die Ruinen eines Kastells zeugen von römischen Wurzeln. Ende des 8. Jahrhunderts geht Nivinpurk erst in fränkischen, dann in Reichsbesitz über. Städtische Freiheiten gibt es bereits im 11. Jahrhundert, am 12. April 1332 verleiht Kaiser Ludwig der Bayer das Stadtrecht. 71 Jahre später erhalten auch die Bewohner unterhalb des Stadtbergs Bürgerrechte.
In der Serie „Unsere Heimat früher“ wird punktuell eine Zeitspanne aus der Geschichte Neuburgs mit historischen Begebenheiten, jedoch fantasievoll erzählt.
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