Corona
Montagsspaziergänger in Schrobenhausen weiter unterwegs

14.02.2023 | Stand 17.09.2023, 3:05 Uhr

Ein Teil der Gruppe von Bürgerinnen und Bürgern beim zurückliegenden, montäglichen friedlichen Protest-Sparziergang in Schrobenhausen. Auch nach 23 Monaten ist er hierorts für viele weiterhin ein fester Termin im Kalender. Foto: Floerecke

Montagabend, 19 Uhr am Schrobenhausener Lenbachplatz. Nach und nach kommen Bürgerinnen und Bürger aus verschiedenen Richtungen zusammen. Wie jeden Montag Irgendwann sind es 38. Sie bezeichnen ihre wöchentliche Aktion selbst als Montagsspaziergang. Trommeln, Pfeifen oder Plakate haben sie nicht dabei. Sie machen das leise. In der nächsten Stunde soll es zu Fuß durch ein paar Straßen und Wege in der Oberen Vorstadt wieder zurück zum Rathaus gehen. Auch jetzt noch, wo Corona eigentlich weitgehend abgehakt ist.



Es sind Frauen und Männer zwischen Mitte 30 und Mitte 70 mit unterschiedlichsten Berufen. Der größere Teil kommt aus Schrobenhausen, den Ortsteilen und den umliegenden Gemeinden. Manche sind auch von etwas weiter weg hergefahren: aus Aichach, Pobenhausen oder Pfaffenhofen beispielsweise. Aktiv in Parteien sind die allerwenigsten.

Mit den ersten angemeldeten Demos gegen die Corona-Politik ging es im April 2020 los, die wöchentlichen Spaziergänge am Montagabend etablierten sich später, Ene 2020. Seitdem steht für so manchen dieses Treffen als fester Termin im Kalender. Ein gewisser Kern, ist zu erfahren, sei so gut wie immer dabei. Einer von der hier Anwesenden erzählt zum Beispiel, in den 23 Monaten in Schrobenhausen sei er bis auf fünfmal immer dabei gewesen. Mal um die 60, mal um die 40, mal um die 30 Personen seien dabei.

Politischer Austausch



Man kennt sich, man begrüßt sich, spricht sich bisweilen mit dem Namen an. Die Stimmung ist nicht aufgeheizt. Ganz und gar nicht. Viel Beachtung von außen findet der Marsch nicht. Man begegnet allerdings auch kaum anderen Menschen, mit Ausnahme der wenigen Autofahrer in der Altstadt.

Wer sich mit den Teilnehmern unterhält, der hört von vielen Seiten dieses gemeinsame Bedürfnis und Ansinnen: das Reden und das sich Austauschen mit anderen Interessierten über politische und gesellschaftliche Themen. Für andere sind die Spaziergänge „die Möglichkeit zum Diskurs als Ausdruck lebender Demokratie“. Wiederum andere betonen, dass sie hiermit ein Zeichen setzen wollen „und sich von Staat und Regierung nicht alles gefallen lassen und selbstbestimmte Entscheidungen treffen wollen“. Oder „sich in die Politik einmischen wollen und für den Erhalt der Demokratie einstehen“. Ein Bürger sieht dieses wöchentliche Treffen als eine Art politischer Stammtisch. Zwischendrin unterhalten sich zwei Frauen auch mal über die vergangene Arbeitswoche.

Inhalte haben sich geändert



Die Themen haben sich über die Monate geändert und ausgeweitet. Wenngleich Corona, wie Nachfragen ergeben, weiterhin ein beherrschendes Thema darstellt. Viele sagen hier, die Coronamaßnahmen seien trotz anders lautender Meldungen nicht vorbei. Und verweisen auf die aktuelle Maskenpflicht in Praxen und Krankenhäusern für Patienten und Besucher oder auf die notwendige Selbsterklärung von Besuchern in Pflegeheimen. Viele wehren sich gegen „Impfzwang“ und fordern „freie Impfentscheidung und das Recht auf ein selbstbestimmtes Leben“.

Es geht auch konkreter. Einer fordert, man müsse bestimmten, bereits getroffenen politischen Entscheidungen und Dingen nachgehen. Da fallen Beispiele, etwa „die juristische Aufarbeitung der zurückliegenden Coronamaßnahmen oder Antworten auf Übersterblichkeit und Korrelation zwischen Impfhäufigkeit und Sterbezahlen“.

Unterhält man sich weiter über dieses Thema, fällt ganz schnell auf, dass viele auf Inhalte aus publizierten Studien und Aufsätzen zurückgreifen. Etwa, wenn es um das Thema Impfschäden geht. An anderer Stelle wird vorgeschlagen, dass auch Politiker bei fehlender Sorgfaltspflicht, ähnlich wie bei Entscheidern bei Aktengesellschaften, zehn Prozent des verursachten Schadens oder anderthalb Jahresgehälter zahlen sollten. Und so manches mehr.

Ein anderer Teilnehmer sieht diese wöchentliche Veranstaltung als seine persönliche Möglichkeit, für den Frieden spazieren zu gehen. Andere sehen das genauso. Diese kleine Gruppe schaut besorgt Richtung Ukraine und lehnt Waffenlieferungen aus Deutschland dorthin kategorisch ab.

Noch so ein Thema, über das sich einzelne ärgern: die hohen Energiekosten für zuhause. Eine Frau erzählt von einer Steigerung ihrer Vorauszahlungen von bisher 90 Euro im Monat auf 300 Euro, die für sie nicht einfach zu stemmen sei. Ein anderer betont die fehlende Meinungsvielfalt in der Gesellschaft, es gäbe fast immer nur schwarz oder weiß, nichts dazwischen.

Und immer wieder dieser Vorwurf: „die einseitige und unkritische Berichterstattung gerade bei den öffentlichen-rechtlichen Fernsehanstalten“. Was viele in der Runde außerdem stört und für Unmut sorgt: Meinungen über „einer rechten Unterwanderung der Spaziergänge in Schrobenhausen“. Das sei nicht der Fall, heißt es übereinstimmend aus der Gruppe. Und wenn irgendwann mal ein paar wenige aus diesem Bereich hier dabei gewesen wären, dann sei das die Ausnahme gewesen. Man könne ja, findet ein Bürger, „nicht nur wegen zwei, drei Leuten ein berechtigtes Anliegen diskreditieren“.

Keine zweite Meinung



Was auffällt: Bei den meisten Themen gibt es kaum grundsätzlich entgegengesetzte Meinungen. Und: Den Bürgerinnen und Bürgern brennen nicht nur ein, sondern mehrere Themen unter den Nägeln, fast immer solche, die die Menschen mittelbar und unmittelbar betreffen.

Nach einer Stunde löst sich die Gruppe langsam auf. Etliche bleiben noch für eine Weile in kleinen Gruppen am Lenbachplatz stehen, andere gehen ein paar Häuser weiter, sie haben sich zum Feierabendbier verabredet.

Wie lange sie sich montags in Schrobenhausen weiter treffen wollen, das ist allen Anwesenden klar: Sie wollen und werden dabei bleiben.

SZ