Langenmosen
Mit Bescheidenheit und Zuversicht

Ludwig Michale ist im Schrobenhausener Raum eine Institution. In wenigen Wochen nun geht der Gemeindepfarrer nach 45 Jahren Dienstzeit in Ruhestand

14.05.2022 | Stand 23.09.2023, 1:23 Uhr

Dann alles Gute, Herr Pfarrer Ludwig Michale: Hier noch in der Langenmosener Pfarrkirche. In einigen Wochen wird er erst einmal in seiner Heimat, dem schwäbischen Ort Horgau im Landkreis Augsburg, ein bisschen zur Ruhe kommen. Fotos: Floerecke

Doch geht ein Priester wirklich in Ruhestand? Für Ludwig Michale gibt es nur eine Antwort: nein. Was er sich nämlich gut vorstellen könne, im Namen des Herrn weiter unterwegs zu sein und in einer oder mehreren Pfarrgemeinden mitzuhelfen. Allerdings im Hintergrund und „wenn, wann und wo ich gebraucht werde“, sagt er, der bescheidene und sympathische Pfarrer. Ende August wird sein letzter Arbeitstag in der Pfarreiengemeinschaft Langenmosen-Sandizell-Berg im Gau mitsamt den dazugehörigen Ortschaften sein. Nach 45 Jahren offizieller Dienstzeit.

Längst ist er hier angekommen. Keinen Tag möchte er missen, verrät Ludwig Michale in seiner besonnenen Art. Der Wechsel vom vergleichsweise städtischen Wertingen im Jahr 2010 bedeutete für den beliebten und geschätzten Pfarrer keine allzu große Umstellung. Schließlich, erzählt er, komme er ja ursprünglich auch vom Land. Denn das Schöne sei, dass man hier im Vergleich zu Pfarreien in größeren Städten „mit den Menschen deutlich einfacher ins Gespräch und überhaupt zusammenkommt“. In all den unterschiedlichen Funktionen als Gemeindepfarrer gebe es dadurch obendrein schnellere und gemeinschaftlich getragene Entscheidungen in den unterschiedlichsten Gremien.

Viel gemeinsam unternommen

Wichtig sei ihm immer gewesen, dass „es nicht nur einen Pfarrer gibt, sondern dass möglichst viel gemeinsam unternommen wird“. Was ihm da einfällt? Taufelterntreffen, Erstkommunion- und Firmvorbereitung, Ehejubilartreffen. Oder unterschiedlichste Formen der Gottesdienste wie spezielle Alten- und Krankengottesdienste einmal im Monat, bei denen unter anderem die Möglichkeit zur Krankensalbung gegeben ist. Dafür, sagt Ludwig Michale, müsse man schließlich nicht unbedingt liegen. Und die hiesigen Exerzitientage im Alltag, wie sie Ludwig Michale bezeichnet: Während der Fastenzeit kommen um die 30 Menschen zusammen und tauschen sich über ausgewählte Bibelstellen und den persönlichen Umgang damit aus.

Er selbst, vor ein paar Monaten 70 geworden, wurde 1977 in Dillingen zum Priester geweiht. Alles fing damit an, da war er zehn Jahre alt, als er von der Volksschule in seiner Heimat, dem kleinen Ort Horgau im Landkreis Augsburg, ins katholische Gymnasium St. Ottilien nahe dem Ammersee wechseln durfte. Für die Buben damals vom Land, wie er es formuliert, war das Gymnasium etwas ganz Besonderes. Nach dem Abitur folgte der klassische Weg: Theologiestudium und Eintritt ins Priesterseminar. Beides in Augsburg. Dann zunächst Kaplan in Weilheim, bevor er 1980 als Vikar nach Hörzhausen wechselte und sechs Jahre lang als Jugendpfarrer für eines der damals neun Gebiete im Bistum Augsburg zuständig war. Später, 1986, übernahm der Theologe und Seelsorger die beiden Pfarreien in Mühlried und Edelshausen.

Bis 1995 sollte er im Schrobenhausener Raum bleiben, doch dann kam der Wunsch in ihm auf, etwas Neues zu sehen, neue Erfahrungen zu sammeln, neue Menschen kennenzulernen, sie zu unterstützen und auch von ihnen zu lernen. Denn ein ganzes Priesterleben in ein und derselben Pfarrei eingesetzt zu sein, das war nicht seine Intention. Und dieser gewisse Wechsel, findet er, der tue auch den einzelnen Kirchengemeinden gut. So war er 15 Jahre im vergleichsweise städtischen Pfarreien-Umfeld in Wertingen tätig, wurde dort auch zum Dekan ernannt, bevor sein Wunsch noch einmal nach einem Standortwechsel aufkam. Und der bot sich vor zwölf Jahren zu seinem heutigen Arbeitsplatz an. Mit dem ihm liebgewordenen Schrobenhausener Raum verbindet der Geistliche, wie viele andere damals auch, ein besonders tragisches Ereignis. Mitte der Neunziger war, was ihn auch persönlich sehr getroffen hatte: der Tod seines sehr geschätzten Pfarrer-Kollegen Thomas Krowiorsch im Alter von 29 Jahren bei einem Autounfall. Am Tag zuvor hätten sich beide noch gesehen und sich ausgetauscht. Dies sei ihm „lange Zeit tief und nahe gegangen“, erzählt Michale.

Was sich (nicht) verändert hat

Abnehmendes Interesse am Glauben, tendenziell überalterte Gottesdienstbesucher in bisweilen leeren Kirchen, Kirchenaustritte, zuletzt nicht selten verbunden mit dem Umgang früherer Missbrauchs(verdachts)fälle: „All das beschäftigt die Institution Kirche und muss auch jede einzelne Kirchengemeinde thematisieren“, sagt Ludwig Michale. Die Kirche könne dies „nicht einfach beiseiteschieben, sondern muss sich intensiv damit auseinandersetzen“. Für den Gemeindepfarrer Ludwig Michale bedeute diese Entwicklung in seiner täglichen Arbeit zunächst mal weniger direkten Kontakt zu den Mitmenschen, wenngleich er in den vergangenen Jahren festgestellt habe, dass „eine große Bereitschaft weiterhin vorhanden ist, gemeinsam Dinge zu gestalten“: Angefangen von der Erstkommunion, bei der weiterhin aus seiner Erinnerung jedes katholisch getaufte Kind der Pfarreiengemeinschaft teilnimmt, bis hin zur musikalischen Gestaltung der Gottesdienste, die über die Jahre vielfältiger und offener geworden sind. Und das sei auch gut so, meint Ludwig Michale voller Zuversicht.

Seit vielen Jahren gibt es außerdem in den einzelnen Kirchen spezielle Gottesdienste für Kinder außerhalb der üblichen Eucharistiefeiern. Dort werden vor allen Dingen Lieder gesungen und Inhalte kindgerecht aufbereitet. Wenngleich Ludwig Michale betont, dass er das zwar hier eingeführt habe, es das aber woanders auch gebe und er damit das Rad nicht neu erfunden habe. Manchmal, erzählt er, gebe es in seinem Priesteralltag auch noch ganz klassische Elemente. Etwa dann, wenn er erfährt, dass es jemandem im Dorf gesundheitlich nicht ganz so gut gehe. Dann kann es schon vorkommen, dass er einfach vorbeischaut, schließlich kenne er nach den vielen Jahren sehr viele Menschen und deren Familienverhältnisse. Und dann gab es die vergangenen Jahre einige Meilensteine besonderer baulicher und sozialer Art: die Sanierung der Asamkirche in Sandizell, dem bundesweiten Baudenkmal. Und der Neubau der Kinderkrippe in Langenmosen um das Pfarrhaus herum, auch die Öffnung des 2015 nicht bewohnten Pfarrhofs in Berg im Gau für Flüchtlinge mit vielen Helfern vor Ort.

Zurück in die Heimat

Voriges Jahr hatte sich Ludwig Michale nach reiflicher Überlegung dazu entschlossen, im Sommer 2022 in den Ruhestand zu gehen. Zurückblicken wird der Gemeindepfarrer auf das Schrobenhausener Land mit einem lachenden und einem weinenden Auge, auf viel Erlebtes mit vielen Menschen und vielen Bereichen und Einsatzfeldern. An Ort und Stelle zieht der 55-jährige Karl Heinz Reitberger ein, der in Schrobenhausen geborene und aufgewachsene Priester. Für Ludwig Michale geht es dann in seine Heimat Horgau zurück, die er, wie er sagt, als Bub vor 60 Jahren verlassen habe. Und er freut sich schon darauf, wieder näher bei seinen zwei Geschwistern zu sein und mehr Zeit mit ihnen verbringen zu können.

Auf was sich Ludwig Michale außerdem freut: auf seine für Anfang Oktober geplante Reise ins mittelitalienische Assisi. Dort verbringt er seit fast 30 Jahren seinen Urlaub. Das Leben und die Gegend des einstigen Ordensgründers Franz von Assisi haben ihn immer schon interessiert und begeistert. Und freilich der Ort mit den vielen kulturellen Einrichtungen und seiner Umgebung. Genau zu dieser Zeit, wenn das Franziskusfest stattfindet, konnte Ludwig Michale bislang noch nie in Assisi sein. Und darauf, sagt er, freue er sich heuer ganz besonders.

SZ