Schrobenhausen
In die Rolle der Stadträte geschlüpft

Arbeitskreis „Politik und Zeitgeschichte“ des Gymnasiums Schrobenhausen macht Kommunalpolitik

10.07.2022 | Stand 22.09.2023, 21:23 Uhr

Zum ersten Mal in der Rolle der Stadträte im Sitzungssaal des Rathauses, der Arbeitskreis „Politik und Zeitgeschichte“ mit dem Lehrer Christian Huber. Foto: T. Floerecke

Jonas Doppler, Jonah Biere und Michael Winkler haben sich gut vorbereitet. So wie ihre 16 Mitschüler des Arbeitskreises „Politik und Zeitgeschichte“ des Schrobenhausener Gymnasiums. Sie alle sind bereits im Vorfeld von Schrobenhausens Bürgermeister Harald Reisner (FW) ins Rathaus eingeladen worden. Einmal selbst in die Rolle eines Stadtrates zu schlüpfen, zu diskutieren, seinen Standpunkt zu vertreten, für Gegenargumente offen zu sein. Das alles sollen sie an diesem Nachmittag in einer simulierten Stadtratssitzung aktiv erproben. Mit drei realen Themen, über die der Stadtrat 2020 und 2021 tatsächlich abgestimmt hatte. Und die somit einerseits Schrobenhausen betreffen, andererseits für die Schülerinnen und Schüler ein Stück weit von Bedeutung sind. Oder sein könnten.

Gut zwei Dutzend Jugendliche der zehnten und elften Jahrgangsstufe nehmen im Sitzungssaal am ovalen Tisch Platz. Sie werden für die nächsten zwei Stunden die Stadtratsfraktionen repräsentieren. Bürgermeister Harald Reisner begrüßt sie persönlich, stellt seinen Verwaltungsmitarbeiter Thomas Zaum vor. Der sitzt neben dem Rathauschef und wird im Verlauf der fiktiv-öffentlichen Sitzung, die Presse ist ja zugelassen, mal einen Verwaltungsmitarbeiter abgeben und Fachthemen im Detail erläutern, mal die Rolle des kritischen Stadtrates einnehmen.

Für und Wider Tablets für die erste bis vierte Klasse

Bei einem der Anträge, der vorbereiteten Beschlussvorlage aus dem Rathaus, geht es um die Beschaffung von 300 iPads, die Tablets aus dem Hause Apple also, mitsamt Zusatzausstattung an Hard- und Softwarekomponenten für die Franziska-Umfahrer-Grundschule in Schrobenhausen. Die Beschaffungskosten für vier Jahrgangsstufen und damit für alle Schülerinnen und Schüler im Rahmen eines schuleigenen Digitalisierungs- und Medienkonzepts belaufen sich auf um die 200000 Euro brutto, davon wird ein Teil, mehrere zehntausend Euro, durch Fördermittel des Freistaates Bayern finanziert.

Harald Reisner erläutert in seiner Funktion als Sitzungsleiter diese Angelegenheit und stellt im Anschluss daran die Frage: „Sollen wir diese Geräte beschaffen oder nicht?“ Drei aus der Runde melden sich kurzerhand, bitten um das Wort: „Warum muss es eigentlich die teure Variante sein, warum reichen nicht kostengünstigere Tablets aus?“ Ein anderer fragt: „Haben die Antragsteller eigentlich die Folgekosten im Blick“, und fügt an, warum Schülerinnen und Schüler der ersten und zweiten Klasse überhaupt derartige digitale Arbeitsmittel benötigen? Das verstehe er gleich gar nicht, „und dann auch noch die teure Pro-Version“. Andere Schüler aus dem Arbeitskreis stimmen ihm zu, meinen weiter, dass die Stadt dieses Geld anderweitig und sinnvoller investieren könne.

Mit dabei sitzt auch Edgar Lampl. Der Zehntklässler hat sein eigenes Tablet mitgebracht. Es steht vor ihm auf dem Sitzungstisch, die drei vorbereiteten Beschlussvorlagen der Stadtverwaltung, ein Schreibprogramm und der Internet-Browser sind gleichzeitig offen. Er ist anderer Meinung und davon überzeugt, diese Investition sei gut angelegt, schließlich könne man mit der schulischen Medienerziehung nicht früh genug beginnen. Und: Lehrer könnten Inhalte dadurch sogar noch effektiver vermitteln, meint der Aresinger. Erneut zahlreiche Wortmeldungen, es wird heiß diskutiert.

Zwischendrin gibt es natürlich auch mal Amüsantes, mal kurzes Gelächter: Etwa, als ein Schüler in der Diskussion vorschlägt, das Geld für die mobilen Endgeräte für Grundschüler einzusparen und stattdessen in die Weiterbildung der Lehrkräfte zu investieren. Oder, als ein anderer Schüler zu sprechen beginnt, ohne dass ihm das Wort erteilt ist. Daraufhin unterbricht ihn Harald Reisner und weist ihn höflich darauf hin, „dass es bei uns schon der Reihe nach geht“. So etwas, erzählt der Rathauschef, erinnere ihn auch manchmal an den richtigen Stadtrat.

Komplett anders als der Stadtrat abgestimmt

Es scheint, als hätte dieses Tablet-Thema bei den Jugendlichen einen Nerv getroffen. Währenddessen macht deren Lehrer, Christian Huber, einen sichtlich zufriedenen Eindruck, wie sich seine Schülerinnen und Schüler hier und heute geben: überlegte und gut aufgebaute Argumentationsketten, kritisches Nachfragen, immer sachlich und verständlich vorgetragen. Auch Bürgermeister Harald Reisner hat sichtlich Freude an der Veranstaltung und betont, dass es ihm persönlich wichtig sei, durch derartige Aktionen die hiesige Jugend mehr an das Rathaus und die Stadtpolitik mit ihren lokalpolitischen Themen heranzuführen.

Doch dann, Thomas Zaum meldet sich zu Wort, er befindet sich in der Rolle des kritischen Stadtrates, was er unmissverständlich auf den Punkt bringt: Diese Diskussion zu ein und derselben Sache dauere ihm zu lange, „alles ist gesagt, es ist Zeit, über den Antrag abzustimmen“. Das Ergebnis der Jugendlichen: eins zu achtzehn, damit ist diese Beschlussvorlage abgelehnt. In der Realität übrigens hatte der Stadtrat mehrheitlich zugestimmt, ein gewisser Teil der angeschafften Geräte ist bereits im Einsatz.

Ohne Windenergie geht es heute nicht mehr

Auch beim Tagesordnungspunkt rund um die Windenergie für das Kommunalgebiet entsteht eine lebendige Diskussion. Im Schrobenhausener Raum sollen sie in Zukunft aufgestellt werden, lautet der Antrag. Noch nichts Konkretes. Dass mittlerweile der Standort im Hagenauer Forst mit sechs Windrädern angedacht ist, dient, genau ein Jahr nach der Stadtratsentscheidung, als wichtige Zusatzinformation. Nach vielen Wortmeldungen der Schülerinnen und Schüler lautet die einhellige Meinung: Ohne Windkraft gehe es heute nicht mehr. Auch Schrobenhausen müsse für eine gesicherte Stromversorgung auf Windenergie bauen, sagen sie.

Die Kosten für ein Windrad liegen zwischen fünfeinhalb und sechs Millionen Euro brutto. Weitere Geldgeber, vor allem hiesige Unternehmen, erzählt Reisner, wolle die Stadt „ins Boot holen“. Obendrein fragt der Rathauschef: „Was machen wir mit den Menschen, die vor ihrer Haustüre kein Windrad möchten?“ Einbeziehen, aufklären, überzeugen, meint die Jugend dazu. Nach Ansicht von Schrobenhausens Bürgermeister sei „der richtige Mix bei der Energieversorgung“ nötig. Weiter berichtet er von einer internen Untersuchung, wonach auf dem Schrobenhausener Kommunalgebiet mit seinen knapp 18000 Einwohnern und größeren Firmen mindestens 22 Windräder benötigt würden, um unabhängig von allen anderen Energiequellen zu sein. Kurzes Innehalten. Verarbeiten. Im Anschluss daran spricht sich der Schüler-Stadtrat grundsätzlich für die Errichtung von Windkraftanlagen auf dem Kommunalgebiet aus. Ohne Gegenstimme. Und damit an dieser Stelle nahezu identisch wie der Schrobenhausener Stadtrat vergangenes Jahr.

SZ