Neuburg
Hat der Pseudomonas-Keim aus dem Vorjahr überlebt?

Monitoring im Juni beendet – Gesundheitsamtsleiter Johannes Donhauser sieht Problem in den Leitungen

28.07.2022 | Stand 22.09.2023, 20:35 Uhr |

Nicht trinken: Zur Zeit empfiehlt es sich nicht, das Neuburger Trinkwasser zu konsumieren. Es wurde das Bakterium Pseudomonas aeruginosa darin gefunden. Foto: Stark, DK-Archiv

Von Thorsten Stark

Neuburg – Seit Mittwochmittag wird Chlor durch das Trinkwassernetz der Neuburger Stadtwerke geleitet. Grund ist der Fund des Bakteriums Pseudomonas aeruginosa an mittlerweile vier Messstellen. Bis das desinfizierende Chlor in einigen Tagen auch die entlegensten Winkel des Versorgungsgebiets erreicht hat, hat das Gesundheitsamt des Landkreises ein Abkochgebot für das Trinkwasser erlassen. Amtsleiter Johannes Donhauser vermutet, dass der Keim, der Neuburg schon vor einem Jahr auf Trab gehalten hat, irgendwo in den Leitungen überlebt hat.

Mitte Juli 2021 war der Erreger bei einer Beprobung des Neuburger Krankenhauses aufgetaucht. Neue Armaturen im Wasserwerk im Sehensander Forst hatte man damals nach längerer Suche als Ursache ausgemacht – und erst nach Monaten gab es endgültige Entwarnung. Im Hintergrund lief aber die intensive Beprobung weiter. „Das hat uns eigentlich über elf Monate begleitet“, sagte Gesundheitsamtsleiter Johannes Donhauser am Donnerstagnachmittag bei einem Pressegespräch. Mitte Juni hatte das Gesundheitsamt dann den Störfall für beendet erklärt, die Stadtwerke stellten das teure Monitoring wieder ein und kehrten zurück in den Regelbetrieb.

Eineinhalb Monate später tauchte dann der Erreger wieder auf – bei einer internen Beprobung in einem Neuburger Seniorenheim. Das Bakterium könne von außen neu reingekommen sein, sagte Donhauser. Dieser Theorie gehen die Stadtwerke gerade nach (siehe unterer Artikel). Der Gesundheitsamtsleiter sieht dazu aber keinen Anlass – schließlich sei der Trinkwasserversorger seit dem Vorfall aus dem Vorjahr explizit dazu angehalten, bei jeder baulichen Veränderung vor dem Anschluss alles auf eine Verunreinigung mit Pseudomonas aeruginosa hin zu überprüfen. So hält Donhauser ein anderes Szenario für wahrscheinlicher: „Man muss davon ausgehen, dass sich der Keim in einem Winkel gehalten hat“, sagt Donhauser. Und bei den aktuellen Außentemperaturen habe das Bakterium gute Entwicklungsmöglichkeiten. In der Wasserleitung bei Rockwool habe man etwa 21 Grad gemessen, die Durchschnittstemperatur betrage gerade 17 Grad. Bei 15 Grad könne sich der Keim einigermaßen vermehren, bei 20 Grad richtig gut, sagte Donhauser.

„Die Stadtwerke haben ein strukturelles Problem“, erklärte der Gesundheitsamtschef. Wie bei vielen anderen kommunalen Energieversorgern sei das Leitungsnetz nicht auf dem neuesten Stand. So münden etliche Leitungen nicht in Hausanschlüssen, sondern in Hydranten – und werden so nur durchgespült, wenn diese auch benutzt werden. In neuen Baugebieten verlege man die Leitungen anders. Die Stichleitungen ließen sich umbauen, aber das werde Jahre dauern, erklärte Donhauser. Unter den derzeitigen Bedingungen könnte sich ein Keim wie Pseudomonas aeruginosa halten. „Das ist zwar ein bisschen spekulativ, aber es ist nicht an den Haaren herbeigezogen.“ Bald wisse man hoffentlich mehr.

Das Gesundheitsamt hat unterdessen die Stadtwerke angehalten, die Hydranten durchzuspülen, ebenso Leitungen zu leerstehenden Häusern, damit sich das Chlor schnell verteilen kann. Die Stadtwerke übernehmen auch weitere städtische Gebäude, das Gesundheitsamt kümmert sich um die kreiseigenen Immobilien. „Dieser Keim reagiert sehr sensibel auf Chlor, es muss nur überall hinkommen“, sagte Donhauser. Die Chlorung werde sicher wieder Monate anhalten, schätzt der Mediziner.

Dass Gesundheitsamt und Stadtwerke nach dem ersten Verdacht zu lange bis zur Information der Bevölkerung gewartet haben, weist Donhauser von sich. Aus Laiensicht sei die Forderung nach einer früheren Benachrichtigung ja nachvollziehbar, erklärte der Mediziner. Es hätte aber sein können, dass sich der Verdacht als unbegründet herausstellt. „Und dann wären wir wahrscheinlich an die Wand getackert worden.“ Nur aus einem Verdacht heraus könne seine Behörde kein Abkochgebot vermelden.

Immerhin sei man insgesamt einen Tag früher dran als beim Vorfall vor einem Jahr, so dass das Netz auch viel schneller gechlort sein könnte. Die für die Chlorung zuständige Firma aus Lohr am Main sei schon Mittwochfrüh in den Startlöchern gestanden und habe dann nach dem endgültigen Auftrag die erste Anlage um 12.15 Uhr angeschlossen.

Bis das Chlor überall in den Leitungen verteilt ist, soll das Wasser, wenn nicht abgekocht, weder zum Verzehr noch zur Körperpflege wie Duschen und Baden verwendet werden. Bei immungeschwächten Menschen mit offenen Wunden kann das Bakterium nämlich laut Gesundheitsamt eitrige Hauterkrankungen hervorrufen, Diabetiker und Kleinkinder können auch eitrige Ohrentzündungen bekommen. Kontaktlinsenträgern, die das Wasser für die Linsen unabgekocht benutzen, drohen eitrige Bindehautentzündungen. Im Krankenhaus können Erkrankte eine Lungenentzündung, eine Blasenentzündung oder eine Sepsis erleiden.

Wie verbreitet der Erreger inzwischen ist, weiß man beim Gesundheitsamt noch nicht. Allerdings sei ihm kein Fall von Erkrankungen aus den vergangenen Wochen bekannt, sagte Donhauser. Auch in dem Seniorenheim, in dem der Keim zuerst entdeckt worden war, sei ihm bislang kein Bewohner und keine Bewohnerin mit Beschwerden gemeldet worden. Dennoch laute die Empfehlung seiner Behörde, sich an das Abkochgebot zu halten, bis die Meldung herausgegeben wird, dass überall gechlort ist. Gesunde Menschen könnten sich aber zumindest weiter mit dem Trinkwasser die Händewaschen. Er selbst tue das auch, sagte Donhauser. „Handhygiene ist wichtig.“

DK

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