Brunnen
Gründungsbaum bekommt noch eine Chance

Brunnener Gemeinderat hatte bereits beschlossen, die Linde des Gartenbauvereins zu fällen

20.12.2022 | Stand 17.09.2023, 8:03 Uhr

Seit mehr als 40 Jahren steht diese Linde an der Moosstraße. Sie wurde im November 1981, im Gründungsjahr des Vereins für Gartenbau und Landespflege Hohenried, gepflanzt. Nun hat der Gemeinderat beschlossen, den Baum fällen zu lassen. Doch viele Hohenrieder wollen das verhindern. Fotos: Hofmann

Hohenried – Als 1981 der Verein für Gartenbau und Landespflege Hohenried gegründet wurde, pflanzte man im Ort einen kleinen Lindenbaum. „Er solle für den Verein stehen“, hieß es damals in einem Bericht der Schrobenhausener Zeitung über den Festakt, „und wachsen solle mit dem Baum auch der Verein.“ Kein Wunder, dass man beim Gartenbauverein in der vergangenen Woche ein wenig sauer war, als man – ebenfalls aus der Schrobenhausener Zeitung – erfuhr, dass der Brunnener Gemeinderat die Gründungslinde zum Abholzen freigegeben hatte.

Für Hubert Dietrich wäre es „eine Todsünde, wenn das unser Gemeinderat zulässt“. Kein Wunder, dass Dietrich, von der Heimatzeitung darauf angesprochen, emotional auf das Thema reagiert: Als Gründungsvorsitzender des Hohenrieder Gartenbauvereins stand er 28 Jahre lang an dessen Spitze – und hat sich immer mal wieder um den prächtig gedeihenden Lindenbaum gekümmert und hier und da ein Asterl abgezwickt, das störte. „Für den Gartenbauverein ist der Baum ein Symbol“, sagt Dietrich. Wenn er gefällt werde, „entfernt man nicht nur den Baum, sondern verletzt auch den Verein“.

Bürgermeister Wagner: „Habe nicht gewusst, dass es Gründungsbaum ist“

„Dass das der Gründungsbaum des Gartenbauvereins ist, habe ich nicht gewusst“, sagt Bürgermeister Thomas Wagner (CSU), der in der Ortschaft Brunnen wohnt, auf Anfrage unserer Zeitung. Und in der Gemeinderatssitzung vor zwei Wochen, in der die Fällung des Baumes bei nur einer Gegenstimme (Matthias Fottner, Brunnen) beschlossen wurde, wurde das auch überhaupt nicht öffentlich angesprochen. Da ging es schlichtweg um einen – wenn auch gesunden – Baum, der Ärger macht, weil er an einem benachbarten Grundstück eine Gartenmauer anhebt, weil er in einem Bereich, in dem Kinder spielen, Äste verliert und weil sein Baumsaft Verschmutzungen verursacht.

„Ich verstehe die Anlieger schon auch“, sagt Birgit Mayer, „die Bedenken muss man ernst nehmen.“ Mayer ist aktuell die Vorsitzende des Vereins für Gartenbau und Landespflege Brunnen. Und als solcher liegt ihr der Baum natürlich am Herzen. Zum einen, weil er ja der Gründungsbaum des Vereins ist und weil man solche Wurzeln nicht gerne ausreißt. Zum anderen aber – und das sei ihr noch wichtiger, betont Birgit Mayer –, weil es sich um einen gesunden Baum handle, der ortstypisch sei. Wohl knapp 50 Jahre dürfte die Linde auf dem Buckel haben – „das ist für so einen Baum nicht alt“, weiß die Gartlerchefin.

Kaum jemand wusste, um welchen Baum es sich handelte

Als der Zeitungsbericht über die bevorstehende Fällung am vergangenen Mittwoch erschien, begann für Birgit Mayer eine turbulente Zeit. Sie habe ja davor auch nicht von dem Schicksal gewusst, das der Vereinslinde droht, sagt sie. Der Antrag zum Abholzen stand zwar auf der öffentlichen Tagesordnung des Gemeinderat, für einen Laien war aber nicht ohne weiteres zu erkennen, um welchen Baum es sich da genau handeln sollte. Mayer jedenfalls führte viele Gespräche, auch mit Bürgermeister Thomas Wagner. Und der sagte nun gestern unserer Zeitung: „Ich habe veranlasst, dass der Baum nicht gefällt wird.“

Nun, im Wissen um die besondere Bedeutung dieser Linde für die Ortschaft Hohenried, soll noch einmal über die Abholzung nachgedacht werden. „Manche Beschlüsse kann man auch wieder rückgängig machen“, meint Wagner, doch das sei eine Entscheidung des Gemeinderats. Und man dürfe nicht vergessen, dass der Antrag zur Fällung ja nicht grundlos gestellt worden sei. Auch das müsse man in die Überlegungen mit einbeziehen.

Ganz genauso sieht das Birgit Mayer: „Ganz klar, der Baum muss angeschaut werden.“ Und dann werde man einen Kompromiss finden. Vielleicht lasse sich ja mit einen Zuschnitt etwas machen? Das werde man sehen. Was aber für Mayer und auch für Wagner überhaupt nicht geht, ist, dass jetzt die Anwohner, die mit den vom Baum verursachten Schäden leben müssen, beschimpft würden. Das sei nicht akzeptabel, stellt der Bürgermeister klar.

Bei der Schrobenhausener Zeitung gemeldet hat sich auch Erwin Pommer, langjähriger Gartenbau-Kreisfachberater und als solcher auch schon bei der Pflanzung der Linde im November 1981 dabei. Rechtlich könne man eine Fällung nicht verhindern, meint er, auch wenn die Gartler damals bei der Auswahl des genauen Pflanzortes keinen Fehler gemacht hätten. Schließlich sei das Haus auf dem Grundstück, das nun von den Schäden betroffen ist, auch erst gebaut worden, als der Baum schon stand. „Wenn’s am Land nicht mehr möglich ist, eine Linde wachsen zu lassen – wo dann noch?“, fragt er. Gerade in der heutigen Zeit, wo der Klimawandel ein Dauerthema ist, sei es nicht mehr vermittelbar, einen gesunden, großen Baum zu beseitigen.

Emotional aufgeheizte Geschichte

Tatsächlich ist es aber auch auf dem Land immer mal wieder erforderlich, Bäume zu fällen – weil sie morsch werden, Schäden anrichten oder sonst wie eine Gefahr darstellen. Dabei handelt es sich aber nur selten um Gründungsbäume. Und gerade, weil die Linde in Hohenried ein solcher ist, wird die ganze Sache natürlich emotional aufgeheizt. Vielfach wurde auch kritisiert, dass im Gemeinderat nicht offen darüber geredet wurde, mit welchem Baum man es hier genau zu tun hat. „Das Schlimmste ist ja, dass die fünf Hohenrieder Gemeinderäte da nicht dagegen gestimmt haben“, meint Hubert Dietrich.

Aber vielleicht haben die ja auch nicht gewusst, dass der Lindenbaum ein ganz besonderer ist. Auf einem nicht sehr großen schwarzen Stein auf dem Boden wird zwar auf die Gründung des Gartenbauvereins hingewiesen, doch die Schrift ist ziemlich verblasst. Das kann man schon mal übersehen.

SZ