„Love’s going down“
Gleich der erste Song des Aresingers Harry Cane schlägt ein

30.04.2022 | Stand 23.09.2023, 1:43 Uhr

„Love’s going down“: Stolz auf seinen ersten professionellen Song aus dem Studio ist der Aresinger Harry Tobisch. Fotos: Sophie Schütz Fotografie

An die 150 Küchentischsongs hat Harald Tobisch aus Aresing (Landkreis Neuburg-Schrobenhausen) schon geschrieben. Einen gibt es nun aus dem Studio.

An dem Tag, als sein erster Song erscheint, so richtig auf allen Kanälen, hält Harry Tobisch das ganze Thema auf emotionalen Abstand zu sich selbst. Er wollte nicht zu enttäuscht sein, „wenn es absäuft“, erzählt er. Doch dann: die ersten Reaktionen. Immer mehr davon, das geht ganz schnell. Und die sind so gut, dass das Gefühl plötzlich da ist, dieses Wahnsinnsgefühl – irgendwo zwischen Freude und Begeisterung, Stolz auf Vollbrachtes und der großen Lust, weiterzumachen. Auf dem richtigen Weg zu sein.



Es ist kein Mainstream, „Love’s going down“ von Harry Cane geht eher Richtung Country, ein bisschen hat man Johnny Cash im Kopf – und doch klingt es wieder ganz anders. „So Musik macht eigentlich keiner mehr“, sagt der Aresinger selbst. Außer in Amerika, fügt Rolf Beyer an, der das Stück in seinem Halsbacher Klangwasser-Studio aufgenommen hat. Denn für ihn war gleich klar: „Der Song ist Bombe.“

Ab dem Moment, in dem Harry Tobisch mit der Küchentischvariante davon bei ihm aufschlug. Denn selbst auf der Handyaufnahme wird eines deutlich: Der Mann kann singen. Mit dieser tiefen, ein wenig samtigen und ein wenig rauchigen Stimme, die man zunächst nicht vermutet, wenn der Song etwas rockig losgeht – und von der man unbedingt mehr hören will.

„Ich hab immer Musik im Ohr“

„Ohne Musik geht’s nicht“, sagt Harry Tobisch. Auch, wenn die Songs eher phasenweise entstehen – mal gleich mehrere hintereinander, dann wieder eine Zeit lang keiner. „Aber ich hab immer Musik im Ohr, den ganzen Tag. Sie ist halt da.“ Und wenn eine neue Melodie dabei ist, aus der er gerne etwas machen würde, summt der Aresinger mit dem Garten- und Landschaftsbaubetrieb sie eben kurz in sein Handy. Um sie sich dann bei Gelegenheit wieder anzuhören, sie weiterzuspielen, morgens um fünf vor der Arbeit. Denn das ist die Zeit des Tages, in der er die Ruhe findet, um die Songs aufzunehmen, mit Kaffee und Gitarre am Küchentisch.

Um die 150 dürften es inzwischen sein, sagt der 40-Jährige mit dem Künstlernamen Harry Cane, mit dem er gerne musikalisch über Schrobenhausen hinwegfegen würde. Er lacht. „A bissl träumen darf man doch.“ In seinen Texten geht es ums Leben, die Liebe, die kleinen und großen Begebenheiten des Alltags. Wie verbissen die Gesellschaft sein kann und wie perfekt alles sein muss. Längst nicht alle Lieder sind auf Englisch, bei den Küchentischvarianten gibt es auch viele auf Deutsch und auf Bairisch. „Die passieren halt einfach, ich mache sie für mich“, sagt der Mann, der selbst Schlagzeug und Gitarre spielt. Wobei die erste Gitarre, daran erinnert er sich noch gut, so eine komische Billiggitarre von einer Kaffeefahrt gewesen sei, mit nur noch vier Saiten. „Aber darauf habe ich mein erstes Lied geschrieben.“ Weit über zehn Jahre ist das her.

„Ich habe bei dem Song gleich aufgehorcht“

Und dann, irgendwann, wurde der Wunsch groß, einen der Küchentischsongs auch mal in guter Qualität zu hören, professionell aufgenommen. Und mit diesem Ansinnen traf Harry Tobisch auf Rolf Beyer. „Ich habe bei dem Song gleich aufgehorcht“, sagt der Tontechniker und Musiker. Eben weil er selbst so begeistert ist, steckt auch von ihm besonders viel Herzblut in der endgültigen Studioversion, die sich nicht nur qualitativ, was sich ja versteht, von der Küchentischvariante abhebt. Mit den verschiedenen Instrumenten und Melodiewechseln hinter Harry Canes tiefer Stimme wird daraus eine Gesamtkomposition. Mit dem Gitarristen war zusätzlich etwas Glück im Spiel: Profi Louis Thomaß, der schon Songs mit Helene Fischer, Claudia Koreck und Barny Murphy aufgenommen hat, war gerade bei Rolf Beyer im Studio – und spielte kurzerhand die Gitarre zu Harry Canes Song einschließlich eines Solos, das aufhorchen lässt. Durch einen ähnlichen glücklichen Zufall über Bekannte entstand das Musikvideo, aufgenommen bei null Grad in einer Scheune, wie Harry Tobisch erzählt. Bei dem Gedanken fröstelt er noch leicht. Ob die tiefe Stimme wie im Video von Whisky und Zigaretten kommt? Er lacht. „Dabei vertrag’ ich ja gar nichts.“

Am Ende dauerte es dann doch eine ganze Weile, bis der Song fertig war, denn an so einem Werk kann man feilen, wieder und wieder und wieder, wie Rolf Beyer erzählt. Bis er ganz genau so klingt, wie ihn die beiden Männer haben wollten, brauchte es Zeit und Fingerspitzengefühl und die besondere Liebe zu diesem Hobby. Doch das Ergebnis, da sind sie sich einig, überzeugt.

„Keine Ahnung von Harmonielehre“

„Ich habe keine Ahnung von Harmonielehre“, sagt Beyer lachend. „Und ich kann keine Noten lesen“, schmunzelt Harry Tobisch. Die Musik ist vielleicht umso ehrlicher. Sie entsteht aus dem Gefühl heraus. „Früher oder später müssen wir eine Band zusammenstellen“, blickt Rolf Beyer nach vorne. Aber jetzt nehmen sie gerade erstmal den nächsten Song von Harry Cane auf. Etwas Schnelleres, so viel sei verraten. Denn darin geht es um Musik, die einen aus der Reserve lockt. Die über einen hinwegfegt.

SZ