Das schaffen selbst Weihnachten und Konfirmation zusammen nicht. Eine so volle Kirche muss neidlos voran den Bauherrn im Seelsorger freuen. Aber eine für ihre Innenrenovierung stark auf sich selbst gestellte Christuskirche braucht jeden Cent, Euro in dem Fall wohl richtiger. Und die, die in Scharen kamen, erlebten denn auch ein wirklich exquisites Konzert.
Zwei Ensembles auf Entdeckungsreise
Allein schon die Besetzung, zweifach für einen Abend gut – und in dieser Kombination reich an Nuancen, wie sie in der Tat nur in solch einer Ausnahmesituation zustandekommen können. Unwillkürlich stockt da das Schreiben: Wen von beiden zuerst nennen, verbirgt sich dahinter doch eine insgeheime Wertung? Aber übereinanderschreiben, damit ein Jeder der Erste wäre, brächte doch nur Unleserlichkeit zuwege. Suggerierte zudem eine Gemengelage, die das Konzert nun endgültig nicht bot. Denn bei aller Harmonie – hier trafen zwei Individualisten aufeinander, zwei Ensembles, die gemeinsam auf eine Entdeckungsreise gingen.
Seit 43 Jahren Leiter und Impulsgeber des Chores Windrose
Der Chor Windrose und die Formation JazzArt, schon der Name ist Programm. Die natürliche Klammer bilden die Brüder Werner und Reinhard Lecheler, in beiden Ensembles Aktivisten. Werner, der Ältere der Brüder, Gründer und seit 43 Jahren Leiter und Impulsgeber des Chores Windrose, respektabel gereift und doch irgendwie der junge Chor geblieben. Beide Formationen vereinte jetzt ein Spirituals- und Gospels-Konzert als Wohltätigkeitsveranstaltung für die Renovierung der Christuskirche in der Theresienstraße.
Und das schon gleich mal anders als bei ganz vielen unter den zwei Stichworten firmierenden Konzerten: Da wird sauber zwischen beiden getrennt. Teil eins die auch zeitlich etwas früheren Spirituals, nach der mit Grillwürstl verfeinerten Pause die verwandten und doch so anders in ihrer Stimmung gewordenen Gospels. Die einen häufig ohne konkrete Ursprungswurzel, tief verwurzelt indes in den verletzten Seelen geschundener Völker, Gospels dann Ergebnis zumeist einer dokumentierten Autorenschaft.
Natürlich sind die Übergänge fließend, schwingt im frühen Schmerz auch die Hoffnung aus oftmals christlicher Zuversicht mit und vergisst dann das freudige, oft strahlende Lob Gottes nicht das Vergangene und ist auch die Gegenwart der oftmals dunkelhäutigen Gospelsänger so strahlend nicht. Aber einer, der genau hinschaut wie Werner Lecheler, erkennt, markiert sehr genau die Unterschiede, ja weist letztlich jedem Titel seinen individuellen Platz im Leben zu.
Die Aufgabe verlangt viel Zurücknahme
Nun singt die Windrose nicht das erste Mal Gospels und Spirituals, aber doch ist sie kein ausgesprochener Gospelchor. Da wird bei aller Impulsivität genauer hingeschaut, hingehört. Da hat man dann im Ergebnis manches schon mal schwungvoller gehört, härter, rauer. Aber selten präziser, chorisch anspruchsvoller, hellhöriger für Nuancen. Und das ist genau auch die Welt von JazzArt. Der Ort, die Aufgabe, teils eine begleitende, verlangen viel Zurücknahme, erlauben weniger Freiheiten, was plötzlich die intimeren, korrespondierenden Qualitäten nur umso bestechender hervortreten lässt. Vertraut Gemeintes wird plötzlich unerwartet neu, und genau das ist die besondere Stärke eines Konzertes, das voran der gute Wille zustande brachte.
DK
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