Neuburg
Ein fürwahr steiniger Weg

EIN LANDKREIS – 50 ERLEBNISSE (Teil 42): Von der herzoglichen Pfalzkapelle zur Hofkirche Unserer Lieben Frau

24.09.2022 | Stand 22.09.2023, 5:22 Uhr

Ein richtig schlechtes Omen: Beim Einsturz des Turms 1602 starb eine Taube – das Tier steht im Christentum als Sinnbild des Heiligen Geistes. Fotos: Landkreisgästeführer

Am östlichen Rand des Karlplatzes im Herzen der Neuburger Altstadt steht eines der bedeutendsten Baudenkmäler der Stadt: die Hofkirche. Die Geschichte dahinter stellt Sabine Rademacher (Foto), Kreisheimatpflegerin und Gästeführerin, im Zuge der Serie zum 50. Landkreis-Jubiläum genauer vor.

An der Stelle der Hofkirche hatte um das Jahr 1000 Herzog Heinrich IV, der spätere Kaiser Heinrich II, ein Benediktinerinnenkloster gestiftet, die Pfalzkapelle seines Herzogsitzes wurde zur Klosterkirche St. Marien. Nach der Konversion von Pfalzgraf Ottheinrich 1542 diente sie als protestantische Pfarrkirche, deren Kirchendachböden aus Platzgründen noch bis etwa 1600 als Kornspeicher genutzt wurden.

Der Kirchturm, den man auf einem Reisebild Ottheinrichs von 1536/37 noch deutlich erkennen kann, war Ende des 16. Jahrhunderts, zur Regierungszeit von Pfalzgraf Philipp Ludwig, wohl nicht mehr vorhanden. Vermutlich war er irgendwann eingestürzt. Deshalb war damals schon bald der Wunsch nach einem neuen Kirchturm laut geworden. Dieser sollte freistehend, repräsentativ und 225 Schuh (66,5 Meter) hoch werden, also deutlich höher, als der jetzige.

Im Frühjahr 1602 war er bis zum Dachansatz fertig, als es zur Katastrophe kam: In der Nacht vom 1. auf den 2. März stürzte der Turm in sich zusammen. Zum Glück war kein Mensch zu Schaden gekommen, nur eine Taube – so verzeichnen die Kirchenbücher – habe den Tod gefunden. Da die Taube in der christlichen Ikonographie auch Sinnbild des Heiligen Geistes ist, betrachtete man das wohl kaum als ein gutes Omen.

Die Turmbaumeister Heinrich Scheffler und Martin Traub, für die man zur Belohnung bereits Wappen entworfen hatte, wurden sofort verhaftet und eingekerkert. Nach ihrer Entlassung mussten sie als Taglöhner weiterarbeiten, ihre Wappenbriefe wurden natürlich „caßirt und zerschnitten“.

Der Schaden durch den Einsturz war immens. Kirche, Wohnhäuser und Rathaus waren so zerstört, dass man sich zügig an den Abriss machte. Die Kirchenruine selbst diente während der Bauzeit des neuen Rathauses als Bauholzlager – obwohl sich Altar und Kruzifix noch darin befanden. Womöglich wurde auch noch Gottesdienst gehalten.

Herzog Philipp Ludwig ergriff die Gelegenheit und ließ durch Erweiterung des Kirchplatzes und zusammen mit dem Neubau von Rathaus und Kirche ein großzügiges architektonisches Ensemble gestalten, so wie wir es heute noch vorfinden – damals ein unerhörter Luxus für eine kleine, eng bebaute Stadt in drei Mauerringen.

Für den Neubau der Kirche legte der kaiserliche Architekt Josef Heinz Baupläne vor, die der Kirchenrat zwar „wohlansehnlich, schön und lustig“ fand, insgesamt aber viel zu teuer. Anstoß nahm man auch an einem geplanten Doppelturm und einem Zwei-Emporen-Entwurf. Die abgespeckte Lösung wurde genehmigt. Hauptanliegen des evangelischen Fürsten Philipp Ludwig war es vor allem, dass die Kirche das protestantische Gegenstück zur Jesuitenkirche St. Michael in München werden sollte. Als stilistisches Vorbild für diesen „Trutzmichel“ diente die Stadtpfarrkirche St. Martin in Lauingen, die damals als die „modernste“ Kirche im Fürstentum galt. Als Baumeister verpflichtete man Gilg Vältin aus Graubünden und Hofbaumeister Sigmund Doctor.

1607 war schließlich Grundsteinlegung. Doch man hatte mit ständigen Schwierigkeiten zu kämpfen. Wie aus schriftlichen Verträgen hervorgeht, funktionierte der Nachschub aus den Zitzelberger Steinbrüchen nicht besonders, aus „Mangelung von guten Stuckh“, also fehlerfreien Steinen. Als 1614 Herzog Philipp Ludwig starb war die Kirche gerade unter Dach, aber im Rohbau längst nicht fertig. Was noch fehlte waren Decken- und Emporengewölbe. Meister Gilg Vältin hatte dafür 1000 Gulden verlangt, geboten wurden ihm aber nur 650 Gulden. Über die Differenz musste man sich erst mal einigen.

Pfalzgraf Wolfgang Wilhelm, der bereits 1613 zum katholischen Glauben konvertiert war, beendete schließlich den Bau – ganz entgegen dem väterlichen Wunsch – mit Hilfe der Jesuiten im katholischen Stil. 1618 wurde die Hofkirche Zu Unserer Lieben Frau dann von vier Bischöfen geweiht, während der Turm erst im Jahr 1624 von Baumeister Hannß Alberthal vollendet wurde. Die ursprüngliche Farbgebung der Kirche war übrigens – wie Gutachten zeigten – nicht gelb, sondern im Stil der Zeit grau-weiß.

DK