Weichering
Ein Dorfgasthaus in mittlerweile sechster Generation

Der Weicheringer Landgasthof Vogelsang feiert 150-jähriges Jubiläum in mittlerweile sechster Generation

04.06.2022 | Stand 22.09.2023, 22:34 Uhr
Petra Benesch

Die Menschen hinter dem Landgasthof: Andreas Hammer (v. l.) mit Frau Isabell, Florian Hammer mit Frau Tanja und den Söhnen Michl (oben rechts) und Toni (Mitte), Egon Hammer, Enkel Jakob, Christine Hammer. Jakob ist der Sohn von Andreas und Isabell. Foto: Hammerer

Von Petra Benesch

Weichering – Viele Dörfer beklagen, dass es bei ihnen keine Wirtschaft mehr gibt. Weichering hatte bis etwa Mitte der 80er-Jahre vier Gaststätten: den Vogelsang, den Oberen Wirt, den Unteren Wirt und die Waldschänke. Drei davon existieren nicht mehr, als Letzter schloss der Obere Wirt im März 2020 wegen Corona seine Pforten. Der Landgasthof Vogelsang bewältigte die Pandemie auch dank kreativer Ideen wie dem fünfgängigen Wohnmobildinner, einem Winterbiergarten mit Lagerfeuer und To-go-Angeboten. Und so kann der Familienbetrieb an diesem Pfingstwochenende voller Stolz sein 150-jähriges Bestehen feiern.

„Mit Respekt und Stolz schaue ich auf meine Vorfahren zurück“, sagt Senior-Chefin Christine Hammer, die das Unternehmen nunmehr in fünfter Generation führt. Erbaut wurde das Gasthaus 1872 von ihrem Vorfahren Bartholomäus König als Bahnhofsgaststätte. Denn zu diesem Zeitpunkt erhielt Weichering den Anschluss an die Bahnstrecke Ingolstadt-Donauwörth.

Zunächst aber hatte der 1852 aus Frickendorf bei Pfaffenhofen zugewanderte Bartholomäus 1858 den Unteren Wirt in Weichering gegründet, indem er anstelle eines alten Forsthauses ein Wohn- und Gasthaus mit Kegelbahn errichtete. Dies betrieb er bis zu seinem Tod 1881. Seine zweite Ehefrau Anna, geborene Auer aus Langenbruck, führte die Gaststätte weiter und übergab sie 1889 an ihren Sohn Ludwig König. Nach einem nicht näher bekannten Tausch gelangte der Untere Wirt 1893 in den Besitz der Familie Lautner, und Ludwig König übernahm die bislang verpachtete Bahnhofsgaststätte 1895 selbst als Wirt. Er hatte die landwirtschaftliche Hochschule in Weihenstephan besucht und damit eine Ausbildung genossen, die zu damaliger Zeit sicher eher noch eine Seltenheit war. Überlieferungen zufolge soll sein Anwesen „in mustergültiger Ordnung und der Viehbestand hervorragend“ gewesen sein. Der „gstudierte Mo“ – wie er in seinen Kreisen gern genannt wurde – hatte 1890 die aus Ried stammende Wirtstochter Philomena Maier geheiratet. Aus der Ehe gingen acht Kinder hervor, wovon zwei das Säuglingsalter nicht überlebten. Als Ludwig König 1929 das Zeitliche segnete, führte seine Frau Philomena die Land- und Gastwirtschaft bis 1937 weiter. Dann übergab sie an ihren 33-jährigen Sohn Franz König, der im Jahr zuvor die 17-jährige Kreszentia Roauer aus Ebenhausen geheiratet hatte. 15 Jahre später starb die junge Frau im Alter von 33 Jahren an Diabetes und hinterließ vier minderjährige Töchter; die Älteste war gerade einmal 14 Jahre alt. „Die Drittjüngste war meine Mutter“, sagt Christine Hammer. „Mit 82 Jahren sprang meine Uroma wieder ein und übernahm die Erziehung, den Haushalt und die Küche.“ Sie wurde 93 Jahre alt.

„Tanz bei Fred“ war der Renner

Christine König, die Mutter der heutigen Wirtin des Landgasthofs, heiratete 1961 Alfred Vogelsang aus Bergheim und übernahm zwei Jahre später zunächst die Landwirtschaft. Die Bahnhofsgaststätte, die allgemein „Zum König“ genannt wurde, führte Franz König bis 1968 weiter. Dann ging es auch hier um die Übergabe. „Alle vier Töchter haben in der Wirtschaft gearbeitet und es mal versucht. Nachdem aber keine meiner drei Tanten die Wirtschaft letztlich haben wollte, hat’s meine Mutter dann gemacht“, berichtet Christine Hammer.

Alfred Vogelsang, gelernter Maurer, erwies sich als geborener Gastwirt mit Weitblick. Seine Frau und er rissen die alten, in die Jahre gekommenen landwirtschaftlichen Gebäude ab und bauten sie neu auf. Ein Saal für bis zu 300 Gäste kam 1969 hinzu. Die 1872 erbaute Gaststätte blieb bestehen.

Von nun an gab es jeden Samstag „Tanz bei Fred“. Eine Live-Band spielte. Das Gasthaus wurde zu einer Art Hot-Spot in Weichering. „Fred war vor allem bei den jungen Gästen sehr beliebt, da er bei jeder Gaudi und Wette mitmachte. Gefürchtet war er bei Raufereien. Durch sein rigoroses Eingreifen wurden diese sofort beendet. Dabei sprang er auch schon mal über die Theke“, heißt es in der Festzeitschrift zum 150-jährigen Bestehen. Drei Kinder, Christine, Bernhard und Heidemarie, erblickten das Licht der Welt. So ging es glücklich dahin, bis Alfred 1981 an den Folgen eines Starkstromschlags tödlich verunglückte, als er ein kleines Mädchen, das am Weicheringer Bahnhof auf einen Eisenbahnwaggon geklettert war, retten wollte. Das Mädchen konnte den Starkstromschlag überleben.

„Ich war damals 18 Jahre alt“, erinnert sich die Tochter Christine Hammer. Sie hatte eine Ausbildung zur ländlichen Hauswirtschafterin beendet, die Hotelfachschule besucht und war gerade dabei, den Beruf der Köchin beim Mövenpick in München und im Donauhotel Ingolstadt zu erlernen, als ihr Vater starb. Nun unterstütze die junge Frau ihre Mutter so gut es ging in der Wirtschaft – vor allem auch samstags, wenn Tanz war.

Zwei Jahre später setzte sie den bereits seit langem geplanten Abriss des ursprünglichen Gaststättengebäudes in die Tat um, heiratete 1986 den gelernten Elektriker Egon Hammer aus Grasheim und übernahm noch im gleichen Jahr Landwirtschaft und Gastbetrieb. Auf dem Gaststätten-Neubau ist seitdem der Schriftzug „Landgasthof Vogelsang“ zu lesen. „Nachdem es in Lichtenau bereits einen Gasthof Hammer gegeben hatte, entschied ich mich für den Namen Vogelsang“, erklärt die Wirtin. In den beiden darauffolgenden Jahren kamen die Söhne Florian und Andreas zur Welt und es wurde viel gebaut, renoviert und umgestaltet. Erstmals kamen 1987 Gästezimmer dazu, später wurde unter anderem das beherbergte Schützenheim umgebaut, ein Tagungsraum angefügt, der Hochzeitsstadel hochgezogen, ein Biergarten eröffnet und zwei benachbarte Gebäude für weitere Gästezimmer erworben.

Heute beschäftigt der Vogelsang 20 festangestellte Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, darunter vier Auszubildende, hält 23 Gästezimmer bereit und setzt in der Küche auf Regionalität. Eine Besonderheit sind die Gerichte vom hofeigenen Weideochsen. Seit rund 15 Jahren halten die Wirtsleute Pinzgauer Ochsen. Die Jungtiere kommen in einem Alter von sechs Monaten aus dem Salzburger Land und verbringen sodann 18 Monate auf der Weide hinter dem Hof. Ökologisch aufgezogen werden sie vom Senior-Chef Egon Hammer und Sohn Andreas mit hofeigenem Futter.

„Das Ochsengulasch ist auch eines der Lieblingsgerichte von Florian“, glaubt die Senior-Chefin, die sich seit 2018 offiziell das Regiment mit ihrem 35-jährigen Sohn Florian teilt. Gemeinsam haben die beiden die Landgasthof Vogelsang OHG gegründet, während Ehemann Egon Hammer zusammen mit Sohn Andreas die Landwirtschaft und das Lohnunternehmen führt. Sohn Florian hat Koch gelernt. Sein 34-jähriger Bruder Andreas ist ausgebildeter Mechatroniker.

Der Tag beginnt um 5 Uhr

Mit beiden Söhnen und deren Familien steht nun die sechste Generation am Start. „Es ist viel Arbeit und Stress“, weiß Christine Hammer. „In unserem Saal dürfen wir 200 Gäste bewirten, in der Gaststube 60. Dann kommt der Tagungsraum mit 50 Personen dazu, am Wochenende die Hochzeiten im Stadl mit bis zu 100 Gästen. Der Tag beginnt morgens um fünf Uhr“. Außerdem gibt es da noch den Biergarten. „An manchen Sonntagen sind 300 bis 500 Leute im Biergarten, das ist ein ständiges Kommen und Gehen“, beschreibt die 59-Jährige das Geschehen. Das muss man alles erst einmal schaffen. Das Schöne am Beruf ist für sie „der Kontakt zu den Menschen. Ich kann mich am Abend, wenn nette Gäste da sind, dazusetzen und habe eine interessante Unterhaltung.“ Organisieren und Koordinieren machen ihr am meisten Freude: „Das kann ich am besten. Ich glaube, das wurde mir schon in die Wiege gelegt.“

Seit 41 Jahren managed Christine Hammer nun schon den Familienbetrieb. Hat sie dabei jemals ans Aufhören gedacht? „Eine Übergabe ist ein mehrjähriger Prozess. Das geht nicht von heute auf morgen“, so die Chefin. Aber die Weichen werden bereits gestellt. In den nächsten drei Jahren könnte hier vielleicht eine Veränderung anstehen.

Das Programm

Pfingstsonntag: 10 Uhr Festgottesdienst, 11 Uhr Frühschoppen mit der Weicheringer Unterviertel-Musi, 12 Uhr Ochs am Spieß und Mittagessen, 14 Uhr Witzemeister Fonse Doppelhammer, 15 Uhr Kaffee und Kuchen, 18 Uhr „Luegstoa C“ die etwas andere Blaskapelle, dazu Kinderprogramm wie Hüpfburg, Lichtgewehrschießen vom Schützenverein, Besichtigung des Weicheringer Feuerwehrautos und Torwandschießen vom Sportverein.

Pfingstmontag: 10 bis 17 Uhr Oldtimer Treffen.

DK